Bundestagswahl 2025 Was für junge Erwachsene wahlentscheidend ist
2,3 Millionen junge Menschen können am 23. Februar zum ersten Mal bei einer Bundestagswahl ihre Stimme abgeben. Was ist jungen Erwachsenen dabei wichtig - und welche Parteien dürften profitieren?
Der Gong ertönt, 10 Uhr, dritte Unterrichtsstunde an der Hans-Schwier-Berufsschule in Gelsenkirchen. Eine Klasse angehender Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfeger hat Politikunterricht, heute mit einem Praxisexperiment: Sie simulieren eine Wahl, mit allem Drum und Dran.
Sie erarbeiten die Parteiprogramme, spielen Koalitionsverhandlungen durch und üben das Wählen an einer selbst gebastelten Wahlurne. Ein Angebot der Schule, um mehr für die politische Aufklärung zu tun, vor allem vor der anstehenden Bundestagswahl.
"Ich glaube, der Politikunterricht in der Schule tut mir selbst und den anderen gut für unser Allgemeinwissen", erzählt der 22-jährige Gianni. Ein Thema liegt ihm besonders am Herzen vor der Wahl: "Ich denke, im Moment wird sehr viel auf die Ausländer geschoben, dass Deutschland nicht so funktioniert, wie es funktionieren sollte. Aber ich glaube, das ist auch sehr viel durch verschiedene Richtlinien selbst verbaut und ich glaube, das sind nicht unbedingt immer die Ausländer."
"Wo kann man noch wohnen?"
Gianni hat sich schon für eine Partei entschieden. Viele andere an der Berufsschule sind sich noch nicht so sicher, welche Partei ihre Stimme bekommen soll. Aber sie wissen genau, welche Themen ihnen bei der Auswahl wichtig sind.
"Ich wohne noch zu Hause, aber ich überlege, mit Ende der Ausbildung auszuziehen. Dann ist die Frage: Was kann man sich noch leisten? Wo kann man noch wohnen?", überlegt die 21-jährige Thea, Auszubildende im Bereich Abwasserwirtschaft.
Mit der Ampelkoalition war sie nicht immer zufrieden: Die regierenden Parteien hätten über einige Themen zu viel diskutiert, aber zu wenig getan, sagt sie.
Gruppe der Jungwähler noch nicht so festgefahren
Beide Aspekte, die die Auszubildende anspricht, seien typisch für die junge Wählergruppe zwischen 18 und 24, erzählt ARD-Wahlexperte Jörg Schönenborn. Das Thema Inflation und Preise sei aktuell die größte Sorge bei jungen Erwachsenen.
Auch typisch sei eine große Lust auf Veränderung. Bei der vergangenen Europawahl habe sich das vor allem durch die Wahl von Kleinstparteien geäußert. Parteien wie etwa Volt, die nicht im deutschen Bundestag sitzen, bekamen fast ein Drittel der jungen Stimmen. Junge Menschen seien noch nicht so festgefahren in ihrer Wahlentscheidung und würden mehr experimentieren, so Schönenborn.
Trotzdem: "Bei der Bundestagswahl gilt ein anderes Wahlrecht. Insofern werden sie sich eher oppositionelle Parteien im Bundestag suchen", sagt Schönenborn. "2021 waren FDP und Grüne bei den jungen Menschen die Stärksten und bei der Europawahl im letzten Jahr waren es CDU/CSU und AfD." Man müsse nicht allzu sehr spekulieren, "wenn man darauf setzt, dass die Opposition auch dieses Mal wieder stärkere Chancen bei ihnen hat".
Migrationsfragen zunehmend wichtig
In der Berufsschule in Gelsenkirchen setzen sie auf den praktischen Politikunterricht, um die Schülerinnen und Schüler besser über Politik aufzuklären. Denn viele informieren sich ausschließlich auf TikTok. Dort ist vor allem die AfD sehr präsent. Auch der 19-jährige Gianluca kam im vergangenen Jahr mit der Partei in Kontakt. Damals fühlte er sich von den Aussagen der AfD zur Migrationspolitik angesprochen und wählte sie bei der Europawahl 2024.
Heute würde er anders entscheiden: "Ich finde es nicht richtig, aber zu dem Zeitpunkt hatten sie für mich, das muss ich leider sagen, die richtigen Ansprechpunkte." Für ihn war das vor allem die Migrationspolitik. Bei der Bundestagswahl wird er voraussichtlich eine der Kleinstparteien wählen, erzählt er. Von den größeren Parteien fühle er sich nicht abgeholt.
Appell für mehr politische Bildungsangebote
Frank Greuel forscht am Deutschen Jugendinstitut zur Politisierung von Jugendlichen. Er sieht, dass Migration auch für junge Menschen inzwischen zu einem wichtigen Thema geworden ist: "Das hat viel damit zu tun, dass es der AfD gelungen ist, Migration zu einem bedeutenden Thema zu machen und auch alle relevanten Fragen rund um Wirtschaft, rund um soziale Gerechtigkeit, mit dem Thema der Migration zu verknüpfen."
Und sie verbreite diese Inhalte auf Social Media. Greuel wünscht sich mehr politische Bildungsangebote - wie etwa in Gelsenkirchen. Gegen Ende der Doppelstunde geben die Schülerinnen und Schüler dort ihre Stimme ab. Das Wahlergebnis soll jedoch intern bleiben.