Urteil zur Pflegeversicherung Geringere Beiträge für kinderreiche Familien
Die Beitragssätze für die Pflegeversicherung müssen geändert werden: Eltern mit mehreren Kindern sollten stärker entlastet werden, so das Verfassungsgericht. Bei der Kranken- und Rentenversicherung müsse nichts geändert werden.
Bei der Pflegeversicherung muss tatsächlich noch einmal nachgebessert werden. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts reicht es nicht, dass seit einem früheren Urteil die Kinderlosen höhere Beiträge zahlen müssen. Eltern mit mehreren Kindern müssten spätestens ab Ende Juli 2023 noch mehr entlastet werden.
Das Gericht sagt, dass Familien schon mit dem zweiten Kind benachteiligt werden, weil sie je nach Kinderzahl viel mehr Kosten haben, und dadurch, dass mindestens ein Elternteil bei der Berufstätigkeit zurückstecken muss. Diese Nachteile würden im System der Pflegeversicherung nicht genügend ausgeglichen.
Erstes Urteil zur Pflegeversicherung bereits 2001
Das Gericht hatte im Fall der Pflegeversicherung bereits im Jahr 2001 geurteilt, es sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, dass Eltern einen genauso hohen Beitragssatz zahlen wie Kinderlose - denn sie leisteten einen "generativen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems". Die Beitragssätze wurden daraufhin angepasst. Seit Anfang dieses Jahres liegt jener für Eltern bei 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens, der für Kinderlose bei 3,4 Prozent.
Aus Sicht der Richterinnen und Richter greift das aber zu kurz: "Die gleiche Beitragsbelastung der Eltern unabhängig von der Zahl ihrer Kinder ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt", heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Der Gesetzgeber müsse diese Benachteiligung beheben.
Keine Änderungen bei Renten- und Krankenversicherung
Anders bei der Rentenversicherung: Da würden Kindererziehungszeiten bereits anerkannt. Und bei der Krankenversicherung sei der Gesetzgeber Eltern mit mehreren Kindern schon sehr entgegengekommen durch die beitragsfreie Familienversicherung. Da leisteten die Kinderlosen ohnehin schon einen solidarischen Beitrag. Bei der Renten- und Krankenversicherung müsse sich also nichts ändern.
Dass in diesen beiden Fällen keine Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Kindern gemacht werden, hatte schon das Bundessozialgericht in mehreren Urteilen für rechtens erklärt. Gegen diese Entscheidungen wehrten sich mehrere Eltern mit Verfassungsbeschwerden, unterstützt vom Familienbund der Katholiken in der Erzdiözese Freiburg.
Aktenzeichen: 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16 u.a.