Corona-Impfstoffe Das sind die aussichtsreichsten Kandidaten
Erst Biontech/Pfizer, dann Moderna, nun AstraZeneca: Erfolge bei Corona-Impfstoffen schüren Hoffnungen auf ein Ende der Pandemie. Wie unterscheiden sich die Präparate, wann können sie verfügbar sein und wie wirken sie? Ein Überblick.
Wie ist der Stand bei Biontech und Pfizer?
Als erste westliche Hersteller veröffentlichten das Mainzer Unternehmen Biontech und der US-Konzern Pfizer kürzlich Ergebnisse einer für die Zulassung wichtige Studie. Der Hoffnungsträger aus dem Hause Biontech/Pfizer hat einen sperrigen Namen: BNT162b2. Nach einer finalen Analyse habe der Impfstoff einen Schutz von 95 Prozent vor Covid-19 gezeigt, teilten die Unternehmen inzwischen mit. Schwere Nebenwirkungen wurden nach Angaben der Unternehmen nicht registriert.
Die Unternehmen beantragten in den USA bereits eine Notfallzulassung bei der Arzneimittelbehörde FDA. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) leitete einen beschleunigten Zulassungsprozess für den Impfstoff ein (Rolling-View-Verfahren).
Wie weit ist Moderna?
Der US-Biotechkonzern hat gleichgezogen mit Biontech/Pfizer. In einer Zwischenanalyse zeigte die Impfung mit dem Präparat namens mRNA-1273 eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent beim Schutz vor Covid-19.
Moderna will in den kommenden Wochen in den USA eine Notfallgenehmigung beantragen. Die EMA leitete bereits einen beschleunigten Zulassungsprozess ein. Die US-Regierung unterstützt das Projekt mit nahezu einer Milliarde Dollar. Das 2010 gegründete Unternehmen hatte im Frühjahr die erste Corona-Impfstoffstudie in den USA gestartet. Bisher hat Moderna noch kein Produkt auf den Markt gebracht.
Und jetzt ein dritter Impfstoff?
Auch der britische Pharmakonzern AstraZeneca veröffentlichte Studienergebnisse zu seinem Impfstoff-Kandidat AZD1222. Das gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelte Mittel biete nach vorläufigen Studiendaten im Mittel einen durchschnittlich 70-prozentigen Schutz vor Covid-19, teilte AstraZeneca mit.
Hoffnung auf eine womöglich höhere Wirksamkeit macht den Forschern zufolge ein überraschendes Teilergebnis der klinischen Tests: Der Impfstoff wirkt ersten vorläufigen Daten zufolge offenbar effektiver, wenn den Probanden beim ersten Mal nur eine halbe Impfdosis statt einer ganzen verabreicht wird, gefolgt von einer vollen Dosis mindestens einen Monat später. In diesem Fall zeige der Impfstoff eine Wirksamkeit von 90 Prozent.
Gespräche mit der US-Behörde FDA über eine Zulassung sollen noch diese Woche beginnen, auch mit den Behörden in Großbritannien und Europa sind die Entwickler in Kontakt.
Wie funktionieren die Impfstoffe?
Das Moderna-Präparat ist wie das von Pfizer und Biontech ein sogenannter mRNA-Impfstoff. mRNA steht für Messenger-Ribonukleinsäure, auch als Boten-RNA bezeichnet. Es enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.
Vereinfacht gesagt: Bei herkömmlichen Impfstoffen wird das Antigen selbst gespritzt, bei mRNA hingegen die genetische Information, so dass der Körper das Antigen selbst bildet. Bei einem späteren Kontakt mit dem neuartigen Coronavirus erkennt das Immunsystem im Prinzip das Antigen wieder und kann das Virus gezielt bekämpfen. Bisher wurde kein mRNA-Impfstoff für Menschen zugelassen.
Anders als die Präparate von Biontech/Pfizer und Moderna ist das Vakzin von AstraZeneca kein mRNA-Impfstoff, sondern beruht auf einer herkömmlichen Herstellungsweise. Der sogenannte Vektorimpfstoff basiert auf Adenoviren von Affen. Er enthält genetisches Material eines Oberflächenproteins, mit dem der Erreger Sars-CoV-2 an menschliche Zellen andockt. Das Mittel wirkt zweifach: Es soll sowohl die Bildung von spezifischen Antikörpern als auch von T-Zellen fördern - beide sind für die Immunabwehr wichtig.
Welche Vorteile hat das mRNA-Prinzip?
Nach Angaben des für Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich Instituts (PEI) und des Robert Koch-Instituts (RKI) liegt unter anderem in der einfachen Struktur der RNA ein klarer Vorteil. In wenigen Wochen können viele Millionen Impfdosen produziert werden. Er benötigt aber auch eine stärkere Kühlung.
Bitte kühl lagern - ein Problem?
Von der Produktion einer Impfdosis bis zur Injektion vergeht in der Regel einige Zeit. Auch weil der Impfstoff teils über weite Strecken bis zu einem Impfzentrum transportiert werden muss. Dabei gilt: Je kälter ein Impfstoff gelagert werden muss, desto höher sind die logistischen Anforderungen.
Und hier könnten Moderna und Astrazeneca im Vorteil sein. Das Moderna-Präparat ist vergleichsweise lange bei normaler Kühlschranktemperatur lagerbar. Man gehe davon aus, dass das Mittel 30 Tage lang bei Temperaturen von 2 bis 8 Grad stabil bleibe, teilte der Konzern mit. Zudem könne es bei minus 20 Grad Celsius bis zu sechs Monate gelagert werden. Der Impfstoff könne "bei Temperaturen gelagert und transportiert werden, die üblicherweise in bereits vorhandenen pharmazeutischen Gefrier- und Kühlschränken herrschen", sagte Juan Andres von Moderna laut Mitteilung. Bei Raumtemperatur bleibe der Impfstoff bis zu zwölf Stunden stabil.
Auch der Impfstoff des britischen Unternehmens AstraZeneca kann bei Kühlschranktemparatur von zwei bis acht Grad gelagert und transportiert werden.
Anders der Kandidat aus dem Hause Biontech/Pfizer: Dieses Mittel muss nach Unternehmensangaben gefroren bei rund minus 70 Grad bis zum Ort des Impfens transportiert werden. An den Impfzentren könnten nach Angaben des Pharmakonzerns kleine, tragbare Ultra-Niedrig-Temperatur-Gefrierschränke angeschafft werden, die die Haltbarkeit auf bis zu sechs Monate verlängern könnten. Nach heutigem Stand könne der potenzielle Impfstoff, sobald er den Ort des Impfens erreicht hat, nicht länger als fünf Tage bei zwei bis acht Grad gelagert werden, so Pfizer. Der Umgang mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer dürfte daher eine logistische Herausforderung werden, insbesondere in Ländern mit weniger gut entwickelter Infrastruktur und hohen Temperaturen.
Was ist über mögliche Nebenwirkungen bekannt?
Bislang wenig. Nach Angaben von Biontech und Pfizer zeigen sich bislang keine sicherheitsrelevanten Nebenwirkungen. Virologen verweisen jedoch auf den sehr kurzen Beobachtungszeitraum.
So hatte Biontech seinen BNT162b2 seit Mitte Januar entwickelt. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-3-Studie begann Ende Juli. Bislang wurde der Impfstoffkandidat an fast 44.000 Menschen getestet - entweder bekamen sie das echte Mittel oder einen Placebo. Nach etwa drei Wochen folgte eine zweite Dosis. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht.
Die vorläufige Analyse der Studie von Moderna umfasste insgesamt 30.000 Teilnehmer. Der Impfstoff wurde ebenfalls in zwei Dosen verabreicht. Den Daten zufolge schützte das Mittel auch vor schweren Verläufen von Covid-19. Bei den Probanden seien nur milde bis moderate Nebenwirkungen aufgetreten. Die beobachteten Nebenwirkungen wie Gliederschmerzen und Müdigkeit sind nach Einschätzung von Experten aber nicht unüblich bei Impfungen von Erwachsenen.
Unklar ist, ob der Impfstoff in verschiedenen Gruppen - insbesondere Risikogruppen wie älteren Menschen - gleichermaßen effizient wirkt.
Auch AstraZeneca teilte mit, bei seinem Impfstoffkandidaten AZD1222 seien keine ernsten Nebenwirkungen aufgetreten. Nach Unternehmensangaben wirkt der Impfstoff bei verschiedenen Altersstufen einschließlich älterer Patienten. An den Testreihen nahmen 20.000 Freiwillige in Großbritannien und in Brasilien teil.
Wie schnell kann ein Impfstoff nach der Zulassung verfügbar sein?
Um früh mit dem begehrten Mittel versorgt zu sein, schließen die EU und auch andere Länder schon jetzt Lieferverträge mit Pharmakonzernen. Mit fünf Impfstoffherstellern hat die EU-Kommission bereits fertige Verträge. So sicherte sich die EU bereits bis zu 300 Millionen Dosen des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer. Doch auch wenn Biontech bereits vor der Zulassung in die Produktion geht: Diese großen Bedarfsmengen kann die Firma zumindest am Anfang bei Weitem nicht abdecken.
Mit Moderna wird noch verhandelt - es geht um die Lieferung von bis zu 160 Millionen Impfdosen. Ein Vertrag ist aber noch nicht geschlossen. Moderna hat außerdem den USA 100 Millionen Impfdosen zugesagt. Die US-Regierung hatte die Entwicklung von Impfstoffen massiv finanziell gefördert. Wie viele Dosen zum Jahresanfang erhältlich sein werden, ließ Moderna offen. Generell sei aber klar, "dass es zunächst sehr viel weniger Impfstoff geben wird als benötigt", sagte Moderna-Vorstand Juan Andres dem "Spiegel".
AstraZeneca will bis Ende des Jahres 200 Millionen Dosen seines Impfstoffs fertiggestellt haben, bis Ende des ersten Quartals 2021 weltweit 700 Millionen Dosen. Zahlreiche Regierungen haben sich Millionen davon bereits vorab gesichert, auch die Europäische Kommission hat einen Kaufvertrag über bis zu 400 Millionen Dosen unterschrieben.