Zahlen des RKI Erstmals mehr als 250.000 Neuinfektionen
Erstmals in der Pandemie sind binnen eines Tages mehr als 250.000 neue Infektionen gemeldet worden, die Inzidenz beträgt 1388,5. Die meisten Maßnahmen werden aber bald gestrichen - daran regt sich nun deutliche Kritik.
Die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen ist auf einen neuen Höchststand gestiegen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete 262.752 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Das sind 52.079 Fälle mehr als am Donnerstag vor einer Woche, als 210.673 positive Tests gemeldet wurden. Insgesamt liegt damit in Deutschland die Zahl der bestätigten Infektionen bei mehr als 16,5 Millionen. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 1388,5 von 1319,0 am Vortag.
259 neue Todesfälle
Deutschlandweit wurden den neuen Angaben zufolge binnen 24 Stunden 259 Todesfälle verzeichnet. Damit erhöht sich die Zahl der gemeldeten Corona-Todesfälle auf 125.023. Vor einer Woche waren es 267 Todesfälle. Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 16.504.822 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die Zahl der Intensivpatienten mit dem Virus in Krankenhäusern lag am Mittwoch bei 2093.
Experten gehen von einer hohen Zahl an Fällen aus, die in den RKI-Daten nicht erfasst sind. Ein Grund sind die begrenzten Kapazitäten etwa von Gesundheitsämtern, oft werden Kontakte nur noch eingeschränkt nachverfolgt.
Vergangene Woche hatte das Bundesgesundheitsministerium noch erklärt, der Höhepunkt der Pandemie-Welle mit der hochansteckenden Omikron-Virusvariante sei überwunden. Die Bundesländer hatten erst am Freitag weitreichende Corona-Lockerungen umgesetzt.
Kritik am neuen kleinen Maßnahmen-Katalog
Nun steigen die Infektionszahlen also erneut, aber die meisten Schutzmöglichkeiten sollen zum 20. März abgeschafft werden. Nur ein kleinerer Katalog an Maßnahmen soll möglich bleiben. Das ist manchen zu wenig. Nach Ansicht von Experten und einigen Landespolitikern ist der Entwurf der Bundesregierung für die neue Corona-Rechtsgrundlage ab 20. März unzureichend.
Geregelt wird in dem Entwurf, was die Länder weiter verordnen können, wenn zum 20. März wie vereinbart alle tiefgreifenden Schutzmaßnahmen entfallen. Möglich sein sollen dann noch Maskenpflichten in Pflegeheimen, Kliniken und öffentlichem Nahverkehr sowie Testpflichten in Pflegeheimen und Schulen. Bundesweit bleiben soll außerdem die Maskenpflicht in Fernzügen und Flugzeugen. Wenn sich vor Ort die Corona-Lage zuspitzt, sollen dort einige schärfere Auflagen verhängt werden können.
Montgomery: "Sinnvolle Maßnahmen zerredet"
"Es regiert das Prinzip Hoffnung", sagte Frank Ulrich Montgomery vom Weltärztebund den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und der "Augsburger Allgemeinen". Der vereinbarte Basisschutz sei zwar besser als nichts. Aber: "Die Politik hat weitergehende, sinnvolle Maßnahmen erfolgreich zerredet."
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält die Änderung des Infektionsschutzgesetzes auch für ungenügend, um den Schutz aller vulnerablen Gruppen zu gewährleisten, etwa bei Pflegebedürftigen, die zuhause und nicht in Heimen leben. Auch mehrere Bundesländer hatten die Pläne kritisiert. Die Koalition vergesse Millionen Hilfsbedürftige und ihre Angehörigen.
"Man wirft doch den Feuerlöscher nicht weg"
Mehrere Bundesländer hatten den Koalitionskompromiss kritisiert, auch Länderchefs aus den Berliner Ampel-Parteien. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwa hält es für "grob fahrlässig, wenn die Bundesregierung ohne Not wirksame Instrumente für den Notfall aus der Hand gibt". Sein niedersächsischer Kollege Stephan Weil (SPD) hatte gesagt: "Man wirft doch den Feuerlöscher nicht weg, wenn es noch brennt." Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte sich kritisch geäußert.
Etwas positiver äußerte sich Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD): "In der gegenwärtigen Lage halte ich das für eine verantwortbare Regelung", sagte er der "Welt". "Sollte sich das Pandemiegeschehen künftig allerdings grundlegend ändern und eine flächendeckende Überlastung des Gesundheitswesens drohen, müsste der Bundesgesetzgeber noch einmal nachbessern."
Biochemiker: Deutschland in neuer Welle
Der Bioinformatiker Lars Kaderali aus Greifswald sieht Deutschland in einer neuen Corona-Welle. "Das liegt vor allem daran, dass der Omikron-Subtyp BA.2 noch infektiöser ist als die ursprüngliche Variante", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Hinzu kämen die Lockerungen der Corona-Maßnahmen. "In Kombination führt das beides zu den steigenden Fallzahlen."
Die von der Bundesregierung angekündigten Lockerungen hält Kaderali, Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, dennoch für vertretbar. "Bundesweit steigen die Corona-Zahlen zwar, die Situation in den Krankenhäusern ist aber noch undramatisch", sagte er. "Man sollte aber nur vorsichtig lockern und nur mit der Option, wieder zurückzugehen, wenn man merkt, dass das zu viel wird."
Sehr, sehr starker Anstieg kommt
In Hinblick auf das weithin erwartete Abflachen der Infektionskurve im Sommer sagte Kaderali: "Wahrscheinlich wird der saisonale Effekt nicht ausreichen, um die Inzidenz auf 0 runterzubringen." Die Annahme von Gesundheitsminister Karl Lauterbach, dass es auch in den Sommermonaten eine Corona-Welle geben könnte, halte er für plausibel. Bereits die bisherigen Öffnungen könnten dazu führen, dass "wir nochmal einen sehr, sehr starken Anstieg sehen und dann auch mit hohen Inzidenzen in den Sommer reingehen werden."