ARD-DeutschlandTrend Asylpolitik wichtigstes Thema bei Europawahl
In gut einem Monat wählen die EU-Bürger ein neues Parlament. Im ARD-DeutschlandTrend wird dabei als wichtigstes Thema die Asylpolitik genannt. Für den Bundeshaushalt wünscht sich eine Mehrheit die Einhaltung der Schuldenbremse.
Bis zum heutigen Donnerstag hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner seine Kabinettskollegen dazu aufgerufen, Sparvorschläge für den Bundeshaushalt 2025 einzureichen. Nun ist die Deadline erreicht - und viel zusammengekommen ist nach bisherigen Erkenntnissen offenbar nicht.
Wie schwer das Sparen fällt, zeigt auch ein Blick darauf, wo denn die Deutschen den Rotstift ansetzen würden. Eine knappe Mehrheit (56 Prozent) ist der Meinung, der Staat sollte für das Bürgergeld weniger Geld ausgeben; knapp jeder Dritte (31 Prozent) hält die Ausgaben in diesem Bereich für angemessen und jeder Zehnte (zehn Prozent) für zu gering. Bei den Ausgaben für die Integration von Flüchtlingen sieht knapp jeder Zweite (47 Prozent) Sparpotenzial, jeder Dritte (34 Prozent) hält die Ausgaben in diesem Bereich für angemessen, 17 Prozent für zu gering.
Wunsch nach mehr Ausgaben für Pflege, Renten und Kinder
Doch bei anderen Themenfeldern ist das Bild schon differenzierter: Beim Klima- und Umweltschutz hält eine relative Mehrheit von 39 Prozent die Ausgaben des Staates für angemessen; 38 Prozent sind für höhere Ausgaben in diesem Bereich, jeder Fünfte (21 Prozent) spricht sich für Einsparungen aus.
Für die Förderung der Wirtschaft hält jeder Zweite (48 Prozent) mehr Ausgaben für nötig. 40 Prozent halten die Anstrengungen aktuell für angemessen, jeder Zehnte (zehn Prozent) sieht Sparpotenzial. Auch bei der Verteidigung und Bundeswehr spricht sich jeder Zweite (50 Prozent) für höhere Ausgaben aus. 32 Prozent halten die Ausgaben hier für angemessen, 16 Prozent für zu hoch.
Bei drei Feldern sind sich die Deutschen mehrheitlich einig, dass es mehr Geld geben muss: 55 Prozent sagen das mit Blick auf die Unterstützung von Familien und Kindern, 58 Prozent mit Blick auf Renten und Pensionen und 78 Prozent mit Blick auf die Pflege alter und kranker Menschen. In diesen drei Feldern sieht zugleich kaum ein Wahlberechtigter Sparpotenzial.
Mehrheit will an Schuldenbremse festhalten
Wo also das Geld hernehmen, das an anderer Stelle ausgegeben werden soll? Bislang verpflichtet die Schuldenbremse im Grundgesetz den Bund dazu, grundsätzlich nur so viel Geld auszugeben wie er einnimmt. Nur in besonderen Lagen wie während der Corona-Pandemie sind demnach Ausnahmen erlaubt.
Teile von SPD und Grünen wollen angesichts der Vielzahl wichtiger Themen grundsätzlich an die Schuldenbremse ran. Dafür bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Christian Lindner und seine FDP lehnen das grundsätzlich ab - so wie eine knappe Mehrheit der Wahlberechtigten. Denn 54 Prozent sprechen sich dafür aus, an der Schuldenbremse festzuhalten. Vier von zehn Deutschen würden sie gerne lockern, zum Beispiel für öffentliche Investitionen.
Mehrheitlich für die Schuldenbremse sprechen sich die Anhänger von FDP (70 Prozent), AfD (66 Prozent), Union (63 Prozent) sowie dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW, 60 Prozent) aus. Unter SPD-Anhängern hingegen überwiegt die Meinung, die Schuldenbremse sollte gelockert werden: 55 Prozent sprechen sich für eine solche Lockerung aus, 40 Prozent sind dagegen. Unter Grünen-Anhängern sind sogar sieben von zehn (70 Prozent) für eine Lockerung, 29 Prozent wollen die Schuldenbremse beibehalten.
Kaum Bewegung bei Sonntagsfrage zum Bundestag
Seit Beginn des Jahres gab es einige Verschiebungen bei der Sonntagsfrage, unter anderem bedingt durch die Gründung des BSW. In diesem Monat gibt es allerdings kaum Veränderungen zu Anfang April.
Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD von Bundeskanzler Olaf Scholz derzeit unverändert auf 15 Prozent. Die Union verbessert sich in der Sonntagsfrage leicht um einen Punkt und käme auf 31 Prozent. Die Grünen lägen unverändert bei 15 Prozent. Die FDP klettert über die Mandatsschwelle und käme aktuell auf fünf Prozent (plus einen Punkt). Die AfD bleibt stabil bei 18 Prozent. BSW bleibt in der Sonntagsfrage bei fünf Prozent. Auf alle anderen Parteien würden elf Prozent entfallen (minus zwei Punkte).
AfD-Anhänger finden Umgang mit Krah übertrieben
Damit bliebe die AfD weiter zweitstärkste Kraft. Ohne Auswirkungen in der Sonntagsfrage sind die Vorwürfe gegen den AfD-Spitzenkandidaten für die anstehende Europawahl, Maximilian Krah, Geld aus Russland und China angenommen zu haben - und die Verhaftung eines seiner Mitarbeiter wegen möglicher Spionage für China.
Die AfD-Anhänger nehmen ihren Europawahl-Spitzenkandidaten mehrheitlich in Schutz: 77 Prozent halten es für übertrieben, wie die Öffentlichkeit wegen der aktuellen Vorwürfe mit Krah umgeht. 15 Prozent der AfD-Anhänger finden das nicht übertrieben. Anders der Blick auf alle Wahlberechtigten: Sechs von zehn Deutschen (61 Prozent) halten den Umgang mit Krah nicht für übertrieben, jeder Vierte (25 Prozent) für übertrieben.
Zugleich denken jeweils sieben von zehn Deutschen, die AfD sollte ihre Nähe zu Russland (71 Prozent) beziehungsweise China (70 Prozent) überdenken. Bei den AfD-Anhängern finden 37 Prozent, die Partei sollte ihre Nähe zu China überdenken; knapp jeder Zweite (48 Prozent) findet das nicht. 31 Prozent der AfD-Anhänger sind der Ansicht, die Partei sollte ihre Nähe zu Russland überdenken; eine Mehrheit der AfD-Anhänger (57 Prozent) sieht das anders.
Wählerpotenzial der AfD fast unverändert
Die AfD hat in den vergangenen Monaten nur leicht an Wählerpotenzial verloren. Im September 2023 kam es für jeden vierten Wahlberechtigten (24 Prozent) grundsätzlich infrage, die AfD zu wählen. Aktuell gilt das für 23 Prozent - ein Minus von nur einem Prozentpunkt seit September.
Für sieben von zehn Wahlberechtigten (71 Prozent) kommt die Wahl der AfD aktuell nach eigener Aussage grundsätzlich nicht infrage (minus ein Punkt im Vergleich zu September 2023).
Bei den anderen Parteien sind es am ehesten die Anhänger des BSW, unter denen die Wahl der AfD grundsätzlich infrage kommt: 19 Prozent der BSW-Anhänger sagen das von sich; für knapp zwei Drittel der BSW-Anhänger (64 Prozent) aber kommt die Wahl der AfD nach eigener Aussage nicht infrage.
Asylpolitik wichtigstes Thema bei Europawahl
Am 9. Juni wird in Europa ein neues Parlament gewählt. Fünfeinhalb Wochen vor der Wahl ist nur knapp jeder dritte Wahlberechtigte (31 Prozent) mit der Politik der EU zufrieden. Knapp zwei Drittel dagegen sind damit unzufrieden.
Dabei sehen die Bürgerinnen und Bürger die Flucht-, Asyl- und Integrationspolitik als das wichtigste Problem, um das sich die Europäischen Union besonders dringend kümmern muss. 41 Prozent nennen diesen Komplex bei offener Abfrage als eines der zwei wichtigsten Probleme.
Auf den weiteren Plätzen folgen hier internationale Konflikte und Bedrohungen, etwa im Verhältnis zu Russland und China (34 Prozent), der Umwelt- und Klimaschutz (21 Prozent) sowie Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit (20 Prozent).
Eine konkrete Maßnahme, mit der die EU Flüchtlingszahlen begrenzen will sind Abkommen mit Drittstaaten. Das Prinzip ist: Die EU stellt den Ländern finanzielle Hilfen in Aussicht, wenn diese im Gegenzug Flüchtlinge von der Weiterreise in die EU abhalten. Nach der Türkei, Ägypten und Tunesien schloss die EU an diesem Donnerstag ein weiteres Flüchtlingsabkommen mit dem Libanon ab. Jeder zweite Wahlberechtigte in Deutschland (51 Prozent) spricht sich für diese Abkommen aus, vier von zehn (38 Prozent) finden das falsch.
Sonntagsfrage zur Europawahl: Union auf Platz eins
Gut fünf Wochen vor der Europawahl liegt die Union in der Sonntagsfrage deutlich vorn. Wenn schon am Sonntag Europawahl wäre, käme die Union auf 30 Prozent (Europawahl 2019: 28,9 Prozent). Die Grünen kämen auf 15 Prozent (2019: 20,5 Prozent). Die SPD läge aktuell bei 14 Prozent (2019: 15,8 Prozent). Die AfD würde sich auf 15 Prozent verbessern (2019: 11 Prozent). Die FDP läge bei vier Prozent (2019: 5,4 Prozent).
Das BSW, das bislang noch nicht an einer Europawahl teilgenommen hat, käme aktuell auf sieben Prozent. Auf alle anderen Parteien würden 15 Prozent entfallen (2019: 18,4 Prozent).
Bei dieser Umfrage handelt es sich ausdrücklich um keine Prognose, sondern um die politische Stimmung in der laufenden Woche. Die Sonntagsfrage misst aktuelle Wahlneigungen und nicht tatsächliches Wahlverhalten. Sie ermittelt einen Zwischenstand im Meinungsbildungsprozess der Wahlbevölkerung, der erst am Wahlsonntag abgeschlossen ist.
Rückschlüsse auf den Wahlausgang sind damit nur bedingt möglich. Viele Wähler legen sich kurzfristig vor einer Wahl fest. Eine große Bedeutung hat zudem die letzte Phase des Wahlkampfs mit der gezielten Ansprache von unentschlossenen und taktischen Wählern.
Fünfeinhalb Wochen vor dem Wahltag interessiert sich jeder zweite Wahlberechtigte in Deutschland (49 Prozent) sehr stark beziehungsweise stark für die Europawahl - das sind vier Prozentpunkte weniger als vor der Europawahl 2019; allerdings fand die Befragung damals nur dreieinhalb Wochen vor der Wahl statt. 48 Prozent interessieren sich aktuell weniger beziehungsweise gar nicht für die Europawahl (plus ein Punkt).
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte zur Bundestagswahl ab 18 Jahren in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 29. bis 30. April 2024
Fallzahl: 1.280 Befragte (768 Telefoninterviews und 512 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte zur Europawahl ab 16 Jahren in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 29. bis 30. April 2024
Fallzahl: 1.323 Befragte (789 Telefoninterviews und 534 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.