AfD-Wahlkampfauftakt Der versteckte Spitzenkandidat
Die AfD hat den Europawahlkampf eingeläutet - ohne Maximilian Krah. Während einer seiner Mitarbeiter wegen Spionageverdachts in U-Haft sitzt, stellt sich die Frage: Wie nah steht der Spitzenkandidat China?
"Was glauben sie, was für einen Hals ich habe", ruft AfD-Chefin Alice Weidel von der Bühne. Immer wieder bricht ihre Stimme, sie ist erkältet, aber sie schont sich nicht. Niemand im Land würde mehr die Verantwortung übernehmen, so lautet ihre Analyse. Sie meint damit nicht den AfD-Spitzenkandidaten. Maximilian Krah erwähnt sie mit keinem Wort.
Wahlkampfauftakt ohne den Spitzenkandidaten: Maximilian Krah blieb der AfD-Veranstaltung in Donaueschingen fern
Weidel spricht von "Karlchen Chaos", dann äfft sie den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach und verzieht das Gesicht. Sie witzelt über die Versprecher von Annalena Baerbock. Als sie den Namen der FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann erwähnt, johlt der Saal. Die solle sich doch selbst auf einen "Taurus"-Marschflugkörper setzen und dahingeschossen werden. Weidel ist der Meinung, "diese Leute" würden in einem mittelständischen Unternehmen "nicht einmal mit der Kneifzange angefasst" oder "achtkantig vom Hof gejagt".
Beim Wahlkampfauftakt versteckt
Man wüsste gern, was Weidel über Krah denkt, den die AfD zwar nicht vom Hof gejagt hat, aber beim Wahlkampfauftakt versteckt. Sein Mitarbeiter im europäischen Parlament wurde in dieser Woche festgenommen. Jian G. sitzt jetzt in Untersuchungshaft. Noch vor Kurzem saß er Tür an Tür mit Krah im Europaparlament.
Die Parteispitze hat Krah in dieser Woche kühl nach Berlin zitiert. Gerade einmal 30 Minuten dauerte das Gespräch mit den Parteivorsitzenden. Dann wurde Krah allein vor die Kameras geschickt. Fast so, als wollte niemand mit ihm auf ein Foto. Krah erklärte trotzig: "Ich bin und bleibe Spitzenkandidat. Es geht jetzt darum, dass wir wegkommen von dieser unangenehmen Angelegenheit."
Eine unangenehme Angelegenheit, sagen die Einen. "Ziemlich desaströs", sagt Politikwissenschaftler Thomas Biebricher von der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Gespräch mit dem ARD Bericht aus Berlin. Desaströs "für die Partei, die für sich in Anspruch nimmt, Deutschland über alles zu stellen. Und eben auch gleichzeitig behauptet, dass das ganze politische System korrupt ist."
"Risiko verwirklicht, vor dem wir immer gewarnt hatten"
Maximilian Krah und China - dass der AfD-Politiker wenig Berührungsängste mit der Volksrepublik hat, ist lange bekannt. 2019 reist Krah nach China. Er habe dort ja viele Freunde, witzelt Krah im YouTube-Interview von "Jung & Naiv". Unrechtsbewusstsein hat er nicht - auch nicht, wenn er sich Teile der Reise bezahlen lässt. "Ne Bahnfahrkarte und dreimal Business Hotel. So what? Was sind das? 400 Euro, 500 Euro?"
Zurück in Deutschland setzt sich Krah für Huawei ein. Der Konzern will auf den deutschen Mobilfunkmarkt, aber das ist umstritten. Krah schreibt an die AfD-Bundestagsfraktion. Er erlaube sich, seine Argumente vorzustellen. Und immer, wenn es um China geht, klingen seine Argumente so, als könnten sie der Führung in Peking gut gefallen.
Er hält "Gruselgeschichten" über die Uiguren aus Xinjiang für fragwürdig. Und zum Konflikt um Taiwan hat er auch eine ganz eigene Meinung. In einem Podcast eines AfD-Parteifreundes im Februar 2022 sagt Krah: "Taiwan ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Aber völkerrechtlich ist halt Taiwan kein Staat. Taiwan ist ein De-facto-Regime."
Dass Krah so redet überrascht wenige, auch nicht Nicolaus Fest. Fest sitzt auch im Parlament, er hat sich mit Krah überworfen und die AfD will ihn aus der Partei werfen. Über Jian G. sagt Fest im Gespräch mit dem Bericht aus Berlin, den habe er eigentlich nie gesehen. Aber er habe immer gewarnt - schon vor einem Jahr. Fest sagt: "Auch das Abstimmungsverhalten von Herrn Krah war ja immer sehr China-nah. Um nicht zu sagen allzu China-freundlich. Und jetzt hat sich genau das Risiko verwirklicht, vor dem wir immer gewarnt hatten."
Auch Bystron taucht nicht auf in Donaueschingen
Landesverräter in der AfD. Der Verdacht steht im Raum. Und es geht nicht nur um China. Auch nach Moskau scheinen die Kontakte eng. Der Spiegel schreibt von einem Manifest - eine Strategie für die AfD. Entworfen im Kreml. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie gegen Krah ermittelt. Ebenso gegen Petr Bystron, der steht auf Platz zwei der Europawahlliste. Bystron soll Bargeld aus dem russischen Umfeld erhalten haben und sich sogar beschwert haben über die Stückelung der Scheine. Bystron bestreitet das. Die Partei hält zu ihm - versteckt ihn aber, wie Krah, beim Wahlkampfauftakt.
Ein "schweres Handicap für den Wahlkampf, wenn man den Spitzenkandidaten ein Stück weit unter Verschluss halten muss", sagt Politikwissenschaftler Biebricher. So etwas habe es seiner Ansicht nach noch nie gegeben. "Das spricht dafür, dass die Parteiführung versucht, ein Stück Distanz zwischen sich und Herrn Krah zu bringen."
Immerhin Co-Parteichef Tino Chrupalla erwähnt "den lieben Max". Er bedankt sich und verspricht, dass niemand in der AfD käuflich sei. Krah habe gewollt, dass über das Programm geredet werde. Doch das, was die AfD im EU-Parlament will, ist kaum Thema beim 90-minütigen Wahlkampfauftakt. Es geht vor allem um die Fehler der anderen.
Mehr zum Thema sehen Sie am Sonntag im Bericht aus Berlin - um 18.00 Uhr im Ersten.