Gegen den Willen der Union Freitag wird über Ehe für alle abgestimmt
Am Freitag wird über die Ehe für alle im Bundestag abgestimmt - und das nicht anonym, sondern mit Namen. SPD, Linke und Grüne setzten sich damit im Rechtsausschuss durch. Die Union war dagegen, viele ihrer Abgeordneten wollen auch im Bundestag dagegen stimmen.
Der Bundestag wird noch in dieser Woche über die Ehe für alle entscheiden - gegen den Willen der Unionsspitze. SPD, Linke und Grüne setzten im Rechtsausschuss des Bundestages mit ihren Stimmen durch, dass das Thema der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Paare kurzfristig auf die Tagesordnung des Parlaments kommt. Nach übereinstimmenden Äußerungen mehrerer Bundespolitiker auf Twitter soll die Abstimmung am Freitag stattfinden.
Namentliche Abstimmung
Die Abstimmung findet - wie von der SPD gewünscht - auch nicht anonym, sondern mit namentlicher Nennung statt. Das teilte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht, mit. Sie sprach von einem "Meilenstein in Bezug auf Gleichberechtigung".
Auch die Grünen freuen sich über den Erfolg: "Der Weg ist frei für Gleichheit", twitterte die Vorsitzende des Rechtsausschusses, Renate Künast.
Union spricht von Vertrauensbruch
Bundeskanzlerin Angela Merkel war am Montag öffentlich vom bisherigen Nein ihrer Partei zur Ehe für alle abgerückt und hatte die Frage zu einer individuellen Gewissensentscheidung erklärt. Die SPD kündigte daraufhin an, noch in dieser Woche im Bundestag abstimmen zu wollen. Sie setzt dafür auf eine Mehrheit zusammen mit den Oppositionsparteien Grüne und Linke.
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD war die Ehe für alle nicht vereinbart. Das nun erfolgte rot-rot-grüne Votum gegen die Union ist ein bemerkenswerter Vorgang und bedeutet eine offene Konfrontation zwischen den Koalitionspartnern.
In Deutschland gibt es für schwule und lesbische Paare seit 2001 die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Diese ist inzwischen in vielen Bereichen der Ehe gleichgestellt - im Erbrecht, der Unterhaltspflicht und seit 2013 auch beim Ehegattensplitting, also im Steuerrecht.
Doch manche Unterschiede bleiben, vor allem fehlt das uneingeschränkte Adoptionsrecht. Nach einer Entscheidung der Bundesverfassungsrichter von 2013 dürfen Homosexuelle in einer Lebenspartnerschaft zwar Adoptivkinder des Partners adoptieren. Die gemeinsame Adoption eines Kindes ist aber nach wie vor nicht möglich.
Neben dem Adoptionsrecht geht es vielen Befürwortern der Ehe für alle aber auch um das Symbol einer wirklichen Gleichstellung.
SPD argumentiert mit Unterstützung der Kanzlerin
Auch wegen dieses aus Unionssicht "unseriösen Verhaltens" der SPD werden die Abgeordneten von CDU und CSU nach Einschätzung von Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer mit großer Mehrheit gegen die Einführung der Ehe für alle stimmen. "Das Signal von CDU/CSU am Freitag wird ganz, ganz deutlich sein", sagte Kretschmer im Deutschlandfunk. Zudem sei vielen in der Union "der Schutz von Ehe und Familie ein wichtiges Thema". Einzelne Abgeordnete wie zum Beispiel Jens Spahn hatten sich zwar kritisch im Hinblick auf das Vorgehen der SPD, jedoch positiv im Hinblick auf die Ehe für alle geäußert.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD, Johannes Fechner, hält den von der Union erhobenen Vorwurf, die SPD beginge einen Vertrauensbruch, für "Unsinn": "Wir unterstützen ja die Position der Kanzlerin."
Kinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern entwickeln sich genauso wie Kinder mit gemischt-geschlechtlichen Eltern. Das belegen nach Angaben der Psychologin Ina Bovenschen vom Expertise- und Forschungszentrum Adoption (EFZA) internationale und nationale Studien. Demnach sei nicht die Familienform für das Kindeswohl entscheidend, sondern die Art und Weise, wie Familie gelebt werde, sagte sie tagesschau24. "Dementsprechend ist es auch so, dass in vielen Ländern gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren dürfen."
Laut EFZA erfolgt derzeit jede achte Adoptionsbewerbung in Deutschland durch ein gleichgeschlechtliches Paar oder eine Einzelperson.
In der deutschen Studie habe sich sogar gezeigt, dass sich gleichgeschlechtliche Paare im Gegensatz zu gemischt-geschlechtlichen durch größere Wärme in ihrem Elternverhalten auszeichneten. Festgestellt wurde aber auch, "dass es Hinweise gibt, dass Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Familien aufwachsen, zum Teil mehr Diskriminierungen durch Gleichaltrige ausgesetzt sein können". Durch positives Elternverhalten könne dies jedoch ausgeglichen werden.
Keine üppige Mehrheit
Ganz sicher können sich SPD, Grüne und Linkspartei ihrer Mehrheit bei der namentlichen Abstimmung aber noch nicht sein: Zwar haben die drei Parteien insgesamt 320 Abgeordnete, die Union dagegen 309 Sitze im Bundestag. Doch nicht immer nehmen alle Abgeordneten an allen Sitzungen teil, gerade vor dem Wochenende. Selbst wenn einzelne Unionsparlamentarier nun auch dafür stimmen sollten, bleibt es eine knappe Mehrheit.