Fragen und Antworten Worum streitet die Koalition bei der Erbschaftssteuer?
Eigentlich sollte die Erbschaftssteuerreform längst vom Bundestag verabschiedet werden - doch die CSU stellte sich quer. Sie will Änderungen an den geplanten Regelungen durchsetzen. Doch wie sehen die Regierungspläne genau aus? Und worum dreht sich der Streit im Einzelnen?
Von Thomas Dressel für tagesschau.de
Wie hoch sollen die neuen Erbschaftssteuersätze sein?
Die Erbschaftssteuersätze waren zuletzt gestaffelt nach Verwandschaftsgrad des Erben und Wert des weitergegebenen Vermögens; sie lagen zwischen sieben und 50 Prozent. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollen diese drei Steuerklassen generell bestehen bleiben. Die Vorlage nennt die Steuerklasse I für Ehegatten, Kinder und Enkel (Steuersätze von sieben bis maximal 30 Prozent, abzüglich der Freibeträge); die Steuerklasse II für Geschwister und entfernte Verwandte sowie die Steuerklasse III für alle übrigen Erben wie Freunde und Bekannte (in beiden Steuerklassen Steuersätze von 30 bis maximal 50 Prozent, jedoch steigen die Sätze in Steuerklasse III schneller an, abzüglich der Freibeträge).
Welche Neuerungen ergeben sich für die Erben von Wohnimmobilien?
Aus Sicht dieser Erbengruppe ist die Gesetzesnovelle wenig vorteilhaft, da der Immobilienwert zukünftig voll besteuert werden soll - im Gegensatz zu der bisherigen Praxis. Zuletzt wurde bei Mietshäusern, Eigentumswohnungen oder Eigenheimen nicht der tatsächliche Verkehrswert als Steuergrundlage herangezogen, sondern der reale Marktwert einer Immobilie oft nur zu 50 Prozent für die Berechnung der Erbschaftssteuer berücksichtigt. An diesem Punkt will die Bundesregierung ansetzen: Bei Vererbung von Eigentumsimmobilien soll nach Plänen des Bundesfinanzministeriums künftig zu 100 Prozent deren tatsächlicher Verkehrswert zu Grunde gelegt werden, bei Mietwohnungen zu 90 Prozent. Das kleine Einfamilienhaus soll jedoch auch in Zukunft erbschaftssteuerfrei bleiben: Der Gesetzentwurf nennt für Wohnimmobilien einen Freibetrag von 500.000 Euro.
Der CSU geht dieses Zugeständnis unterdessen nicht weit genug: Sie fordert eine regional-spezifische Regelung der Freibeträge für privat genutzte Wohnimmobilien. Nach Meinung der Christsozialen reicht der Freibetrag von einer halben Million Euro in bestimmten Regionen Deutschlands nicht aus, um als Erbe steuerfrei zu bleiben. Sie wollen verhindern, dass beispielsweise eine Witwe auf ein gemeinsam mit ihrem Mann genutztes Haus am Starnberger See nach seinem Tod Erbschaftssteuer zahlen muss.
Auf was müssen sich Erben von Barvermögen einstellen?
Bei dieser Form von Erbschaft fallen die vom Bundesfinanzministerium beabsichtigten Änderungen vergleichsweise gering aus. So soll der Wert eines Barvermögens weiterhin zu 100 Prozent bei der Berechnung des jeweiligen Erbschaftssteuersatzes berücksichtigt werden. Erfreulich für Erben: Die Bundesregierung plant, die Freibeträge für enge Verwandte generell heraufzusetzen. Der Freibetrag für Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner soll demnach von 307.000 auf 500.000 Euro steigen, der für Kinder von 205.000 auf 400.000 Euro.
Wer eine Erbschaft aus dem weiteren Familienumfeld antritt, profitiert von den Neuregelungen indes nicht: Für entfernt verwandte Erben - zum Beispiel Neffen oder Vetter - sollen höhere Erbschaftssteuersätze gelten als für enge Verwandte.
Auch in diesem Punkt will die CSU eine Erben-freundlichere Regelung finden. Sie fordert Freibeträge von bis zu zwei Millionen Euro für Ehegatten. Davon würden Erben von Immobilien, Barvermögen und Wertpapieren gleichermaßen profitieren.
Was soll sich bei Unternehmens-Erbschaften ändern?
Bei der Weitergabe von Firmenvermögen zeigt sich Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) betont großzügig. Bei diesen Erbschaften soll der Staat zukünftig auf 85 Prozent der Erbschaftssteuer verzichten. Die Regelung ist an zwei Bedingungen geknüpft: Zum einen muss das Betriebsvermögen bis zu 15 Jahre lang von den Erben erhalten bleiben - ein Weiterverkauf der Firma käme somit für Erben nicht infrage. Bedingung Nummer zwei: Das betriebliche Lohnniveau darf zehn Jahre lang nur um maximal 30 Prozent sinken. Werden diese Voraussetzungen seitens der Nachfolger nicht erfüllt, muss Erbschaftssteuer nachgezahlt werden. Dafür vorgesehen ist ein mehrstufiges Modell, das die Zeitspanne zwischen Erbschaftsantritt und Verkauf ebenso berücksichtigt wie Zeitpunkt und Höhe der Lohnausfälle. Das überarbeitete Erbschaftssteuergesetz sieht nach den Plänen der Großen Koalition jedoch auch Härtefall-Regelungen vor, etwa für Pleiten in Krisenzeiten.
Im Vergleich zum alten Erbschaftssteuerrecht ist insbesondere die mehrjährige Haltefrist für Firmen-Erben ein Novum. Bislang galt für Unternehmens-Nachfolgen die Regelung, dass der Realwert eines Betriebes nur zu 65 Prozent in der Steuerberechnung berücksichtigt wurde. Darüber hinaus konnten Erben einen Freibetrag von bis zu 225.000 Euro geltend machen.
Auch hier wollen die Christsozialen nachbessern. Aus ihrer Sicht sollen vor allem die Erben mittelständischer Betriebe stärker geschont werden, etwa durch besondere Härtefallregelungen. Die CSU-Pläne sehen neben einer unternehmerfreundlicheren Regelung der Lohn-Garantien auch eine Herabsetzung der Verkaufsfrist von 15 auf zehn Jahre vor.
Wann tritt das reformierte Erbschaftssteuergesetz in Kraft?
Nachdem die Bundestags-Abstimmung angesichts der Streitigkeiten mit der CSU mehrmals verschoben wurde, ist noch unklar, wann und in welcher Form das reformierte Erbschaftssteuergesetz in Kraft treten wird. Als sicher gilt dagegen, dass Bürger, die in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes eine Erbschaft angetreten haben, zwischen alter und neuer Regelung wählen können.
Weshalb wird die Erbschaftssteuer überhaupt neu geregelt?
Das alte Erbschaftssteuergesetz muss überarbeitet werden, weil es gegen das Grundgesetz verstößt. Im November 2006 erklärte das Bundesverfassungsgericht die bisherige Regelung als gesetzeswidrig, da sie die Weitergabe verschiedener Vermögenswerte - Bargeld, Immobilien oder Aktien - unterschiedlich hoch besteuert. Gleichzeitig ordneten die Karlsruher Richter eine Neuregelung des Erbschaftssteuergesetzes bis Ende 2008 an.
Wie viel wird in Deutschland vererbt und was verdient der Staat daran?
Medienberichten zufolge werden in Deutschland jährlich Vermögenswerte in Höhe von etwa 200 Milliarden Euro durch Erbschaft weitergegeben. Bei einer Bevölkerungszahl von rund 82,3 Millionen bedeutet dies aus statistischer Sicht, dass jeder Einwohner Deutschlands durchschnittlich 2430,13 Euro pro Jahr erbt.
Gemessen daran sind die staatlichen Einkünfte durch die Erbschaftssteuer eher gering. Im vergangenen Jahr nahm die öffentliche Hand 4,2 Milliarden Euro durch entsprechende Steuerzahlungen ein. Zum Vergleich: Die Gesamt-Steuereinnahmen des Bundes beliefen sich 2007 auf eine Summe von 538,2 Milliarden Euro.