Messerattacke in Solingen Tatverdächtiger sollte abgeschoben werden
Nach dem Angriff von Solingen hat die Polizei einen Syrer als Tatverdächtigen festgenommen. Er sollte offenbar schon 2023 abgeschoben werden. Gegen ihn wird wegen Terrorverdachts ermittelt. Solingen steht unter Schock.
Der mutmaßliche Messerangreifer von Solingen sollte offenbar im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden. Die Behörden bestätigten der Nachrichtenagentur dpa entsprechende Medienberichte.
Laut den Berichten reiste er 2022 über Bulgarien in die Europäische Union ein und stellte in Bielefeld einen Asylantrag. Weil laut Dublin-Abkommen aber Bulgarien für ihn zuständig gewesen wäre, hätten die deutschen Behörden dort beantragt, dass das südosteuropäische Land ihn zurücknimmt - dieses habe zugestimmt.
Verdächtiger stellte sich 24 Stunden nach der Tat
Doch der Verdächtige sei in Deutschland untergetaucht und nicht zu Fahndung ausgeschrieben worden - laut Spiegel unter anderem, weil er als unauffällig galt. Die sechsmonatige Überstellfrist lief laut den Berichten im August 2023 ab. Daraufhin habe er in Deutschland subsidiären Schutz erhalten und sei der Stadt Solingen zur Unterbringung zugeteilt worden.
Der Verdächtige hatte sich etwa 24 Stunden nach der Tat mit drei Toten und mehreren Schwerverletzten der Polizei gestellt. Der 26-Jährige habe angegeben, für den Anschlag verantwortlich zu sein, so die Behörden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa soll er blutverschmierte Kleidung getragen haben.
Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen
Inzwischen verdichten sich die Hinweise auf ein Terrormotiv. Die Bundesanwaltschaft hat den Fall am Morgen an sich gezogen. Wie eine Sprecherin der obersten deutschen Anklagebehörde mitteilte, werde gegen den Syrer wegen Mordes und des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) ermittelt. Den Sicherheitsbehörden war er bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt.
In den tagesthemen hatte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) von der Festnahme des Mannes berichtet. Er sprach von einem "wirklich Verdächtigen", den man den ganzen Tag gesucht habe.
Beweisstücke bei Verdächtigem gefunden
Der Anschlag hatte sich am Freitagabend ereignet - auf einem Jubiläumsfest zum 650. Gründungstag der Stadt Solingen. Der Verdächtige soll willkürlich auf Menschen eingestochen haben. Anschließend entkam er im Tumult und in der anfänglichen Panik.
Zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren sowie eine 56 Jahre alte Frau starben. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Nach Angaben der behandelnden Klinik befindet sich inzwischen keiner mehr von ihnen in Lebensgefahr.
IS reklamiert Tat für sich
Am Samstagabend hatte die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) dann die Tat für sich reklamiert. In einer Mitteilung auf seinem Propaganda-Kanal Amak behauptete der IS, der Angreifer sei Mitglied gewesen und habe die Attacke aus "Rache für Muslime in Palästina und anderswo" verübt. Der Angriff habe einer "Gruppe von Christen" gegolten. Auch die Düsseldorfer Polizei erhielt nach eigenen Angaben ein angebliches Bekennerschreiben des IS. Jetzt müsse geprüft werden, ob dieses Schreiben echt sei, sagte ein Polizeisprecher.
Nach Einschätzung des ARD-Terrorismusexperten Michael Götschenberg ist es trotz der IS-Erklärung nicht sicher, dass es einen Zusammenhang zwischen der Terrormiliz und der Tat gibt. In der Vergangenheit seien manche solcher IS-Stellungnahmen sehr zweifelhaft gewesen. Auch im aktuellen Fall habe der IS weder den Namen des mutmaßlichen Täters genannt noch Täterwissen veröffentlicht. Zudem gebe es aktuell noch kein Bekennervideo des mutmaßlichen Täters selbst.
Die Gefahren durch Terrorismus und Radikalisierung in der islamischen Welt sind den Sicherheitsbehörden zufolge durch den monatelangen Krieg in Gaza gestiegen. Deutschland ist neben den USA einer der wichtigsten Verbündeten Israels und auch einer der wichtigsten Waffenlieferanten.
Solingen in Trauer
Nach der Tat steht Solingen weiter unter Schock. Am Morgen kamen Hunderte Menschen zu einem Gedenkgottesdienst in eine Kirche unweit des Tatorts. Der Andrang war groß - Helfer schoben zeitweise zusätzliche Stühle in den Kirchenraum.
"Wir spüren in diesen Tagen unsere Hilflosigkeit und unsere Ohnmacht", sagte Pfarrerin Friederike Höroldt. "Wir suchen aber Gemeinschaft. Wir suchen Beistand. Und deswegen kommen wir hier zusammen." Eigentlich hätte es einen Festgottesdienst anlässlich der 650-Jahr-Feier von Solingen geben sollen.