Messerangriff auf Stadtfest Was über den Anschlag in Solingen bekannt ist
Der Generalbundesanwalt ermittelt wegen Terrorverdachts gegen den Tatverdächtigen von Solingen. Drei Menschen wurden bei der Messerattacke getötet. Was über den Stand der Ermittlungen bekannt ist.
Was ist in Solingen passiert?
Bei einem Messerangriff auf einem Stadtfest im nordrhein-westfälischen Solingen sind am späten Freitagabend drei Menschen getötet worden. Die Tat ereignete sich gegen 21.30 Uhr auf einem gut besuchten Marktplatz in der Innenstadt. Dort war für die Feier zum 650. Stadtgeburtstag eine Bühne aufgebaut. Die Tat ereignete sich direkt vor der Bühne.
Der Angreifer sei zielgerichtet vorgegangen und habe auf den Hals und Oberkörperbereich der Opfer eingestochen, hieß es von den Ermittlern. Es sei ihm gelungen, im Tumult und in der sich anfangs ausbreitenden Panik zu entkommen.
Wie Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul am Sonntagabend der Rheinischen Post mitteilte, verwendete der Täter vermutlich ein Messer mit einer 15 Zentimeter langen Klinge.
Wie viele Menschen sind getötet oder verletzt worden?
Drei Besucher des Stadtfestes wurden bei der Attacke getötet. Außerdem wurden vier Opfer lebensgefährlich verletzt, zwei weitere schwer und zwei leicht. Bei den Toten handelt es sich nach Angaben der Polizei um eine 56-jährige Frau sowie zwei Männer im Alter von 67 und 56 Jahren.
Von den Verletzten ist inzwischen niemand mehr in Lebensgefahr. Alle Verletzten seien "über den Berg", sagte der ärztliche Direktor des Städtischen Klinikums Solingen am Sonntagmittag.
Was ist über den mutmaßlichen Täter bekannt?
Der mutmaßliche Angreifer hat sich am Samstagabend der Polizei gestellt - gut 24 Stunden nach der Tat. Er gab an, für die Tat verantwortlich zu sein. Es handelt sich um einen 26-jährigen Syrer. Der Festgenommene habe in einer Flüchtlingsunterkunft in Solingen gelebt, in der es am Samstagabend eine Durchsuchungsaktion von Polizei und Spezialkräften gab, so die Behörden.
Laut übereinstimmenden Medienberichten reiste er 2022 über Bulgarien in die Europäische Union ein und stellte in Bielefeld einen Asylantrag. Weil laut Dublin-Abkommen aber Bulgarien für ihn zuständig gewesen wäre, hätten die deutschen Behörden dort beantragt, dass das südosteuropäische Land ihn zurücknimmt - dieses habe zugestimmt.
Doch der Verdächtige sei in Deutschland untergetaucht und nicht zur Fahndung ausgeschrieben worden - laut Spiegel unter anderem, weil er als unauffällig galt. Die sechsmonatige Überstellfrist lief laut den Berichten im August 2023 ab. Deswegen ging die Zuständigkeit für ihn auf Deutschland über. Hier habe er dann subsidiären Schutz erhalten und sei der Stadt Solingen zur Unterbringung zugeteilt worden. Hier sind aber noch eine Reihe von Fragen offen.
Wie verlaufen die Ermittlungen?
Der Generalbundesanwalt hat die Ermittlungen wegen Terrorverdachts übernommen. Das bestätigte eine Sprecherin der Karlsruher Behörde. Demnach werde gegen den Festgenommenen wegen des Verdachts des dreifachen Mordes ermittelt, wegen mehrfachen Mordversuchs und der Mitgliedschaft in der extremistischen Organisation "Islamischer Staat" (IS).
Der Tatverdächtige wurde in Karlsruhe einem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) vorgeführt. Dieser erließ Haftbefehl.
Zuvor hatte die Zentralstelle für Terrorismusverfolgung bei der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf die Ermittlungen geleitet. Polizeiaktionen liefen nach Angaben der Ermittler in ganz Nordrhein-Westfalen und im gesamten Bundesgebiet.
Behörden hatten gestern eine "terroristisch motivierte Tat" nicht ausgeschlossen. Der Anfangsverdacht eines terroristischen Hintergrunds habe sich laut Staatsanwaltschaft daraus ergeben, dass "kein anderes Motiv ersichtlich" sei. Die Opfer hätten "in keiner Beziehung zueinander gestanden".
Die Polizei hat für ihre Ermittlungen die Bevölkerung um Mithilfe gebeten. Über ein Hinweisportal können Zeuginnen und Zeugen Beobachtungen schildern sowie Handyfotos oder auch Videos hochladen.
Welche Rolle spielt der "Islamische Staat"?
Dem Verdächtigen wird die Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) vorgeworfen. Er teile die Ideologie des IS und habe sich der Vereinigung zu einem derzeit nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt angeschlossen, hieß es von der Bundesanwaltschaft am Sonntag. Aufgrund seiner islamistischen Überzeugungen habe er den Entschluss gefasst, am vergangenen Freitag "auf dem Solinger Stadtfest eine möglichst große Anzahl aus seiner Sicht ungläubiger Menschen zu töten".
Bereits am Samstagabend reklamierte der IS den Anschlag für sich. Ein "Soldat" des IS habe den Angriff "auf eine Versammlung von Christen in der Stadt Solingen in Deutschland" verübt, teilte das IS-Propaganda-Organ Amak im Onlinedienst Telegram mit. Der Angreifer habe damit "Rache" für Muslime in den Palästinensergebieten und anderswo auf der Welt geübt. Das Schreiben tauchte am Samstagabend auf - knapp 24 Stunden nach der Tat.
Gibt es weitere Festnahmen?
Am Samstagmorgen war ein 15 Jahre alter Jugendlicher festgenommen worden, den die Polizei aber nicht für tatbeteiligt hält. Er soll laut Information der ARD aus Kirgisistan stammen. Nach Zeugenaussagen habe eine Person kurz vor der Tat mit dem Jugendlichen über Absichten gesprochen, die zur Tatausführung passen würden, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Markus Caspers bei einer Pressekonferenz am Samstagnachmittag.
Kurz vor der Festnahme des Tatverdächtigen am Samstagabend durchsuchte die Polizei unter Beteiligung von Spezialeinheiten zudem eine kommunale Flüchtlingsunterkunft in Solingen. Von dort sei eine Person, die in Kontakt mit dem mutmaßlichen Täter gestanden haben soll, zu einer Polizeiwache gebracht worden. Nach derzeitigem Ermittlungsstand gehe man von einem Zeugen aus. Es handelt sich um das Flüchtlingsheim, in dem auch der inzwischen festgenommene Tatverdächtige gewohnt hat. Der Einsatz dort sei Teil der Fahndung gewesen.