Aufnahme von Flüchtlingen Druck auf Bundesregierung wächst
Der Antrag auf Aufnahme von 5000 besonders Schutzbedürftigen aus griechischen Lagern ist im Bundestag zwar gescheitert, doch die Debatte ist nicht vom Tisch. Aus Kirchen, Sozialverbänden, aber auch der Politik selbst wächst der Druck.
Angesichts der Lage von Flüchtlingen an der türkisch-griechischen Grenze sowie auf den griechischen Inseln pochen Kirchen und Hilfsorganisationen auf die Einhaltung von Rechten und die Aufnahme von besonders Schutzbedürftigen.
Die evangelische Kirche forderte Deutschland und weitere europäische Staaten auf, minderjährige Flüchtlinge aus den überfüllten Lagern in Griechenland aufzunehmen. "Es gibt ja einige Staaten, die dazu bereit sind. Und Deutschland müsste es eben auch sein", sagte der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bei Bundesregierung und EU, Martin Dutzmann, im NDR. Die Verhältnisse in den Flüchtlingslagern seien katastrophal und hätten sich in den vergangenen Tagen weiter verschlechtert, begründete er seine Forderung.
Auch appellierte er an die Europäische Union, geltendes Recht nicht einzuschränken. Zwar habe die EU das Recht, ihre Außengrenzen zu sichern, aber "auf der anderen Seite muss sie dabei die Menschenrechte beachten und europäisches Recht durchsetzen". So dürften nicht "Hilfsbedürftige daran gehindert werden, einen Asylantrag zu stellen. Das muss möglich sein", betonte der EKD-Bevollmächtigte.
"Not der Flüchtlinge lässt sich nicht ausblenden"
Der Flüchtlingsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Hamburgs Erzbischof Stefan Heße, sprach von einem "Weckruf": "Der Bürgerkrieg in Syrien und die Not der Flüchtlinge lassen sich nicht einfach ausblenden." Die EU und die Türkei rief Heße auf, eine humanitäre Krise in der Grenzregion abzuwenden. Eine "faire und solidarische Flüchtlingspolitik" sei das Gebot der Stunde. Darunter verstehe er eine gerechte Verantwortungsteilung zwischen den Erstaufnahmestaaten und den anderen Staaten Europas sowie sichere und legale Zugangswege.
Eine solidarische Lösung mahne auch der Sozialverband Arbeiterwohlfahrt (Awo) an. "Das europäische Bündnis darf sich nicht länger abschotten", verlangte Awo-Vorstandsmitglied Brigitte Döcker. Die Hilfsorganisation Care wandte sich gegen Gewalt an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei. Außerdem müssten die EU-Staaten "endlich gemeinsam Verantwortung übernehmen" und Flüchtlingen sicheres Asyl gewähren.
Antrag der Grünen im Bundestag gescheitert
Gestern hatte der Bundestag mehrheitlich einen Antrag der Grünen abgelehnt, die darin unter anderem gefordert hatten, 5000 besonders schutzbedürftige Menschen, unter ihnen unbegleitete Minderjährige, aus den griechischen Lagern nach Deutschland zu holen. 117 Parlamentarier hatten dafür, 495 dagegen votiert. Auch die SPD stimmte dagegen, obwohl eine Vielzahl ihrer Abgeordneten inhaltlich dafür war. Sie bezeichneten den Alleingang Deutschlands als kontraproduktiv im Hinblick auf eine europäische Lösung.
Auch zahlreiche Unionsabgeordnete hatten eine persönliche Erklärung unterschrieben, in der sie sich für humanitäre Hilfe vor Ort aussprechen. "Außerdem sollte eine europäische Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus den überfüllten griechischen Flüchtlingslagern, gegebenenfalls mit einer 'Koalition der Willigen', von EU-Mitgliedstaaten, zur Entlastung Griechenlands ermöglicht werden", hieß es in der Erklärung der 48 Parlamentarier. "Die dramatische Lage gerade in den griechischen Hotspots lassen uns und können uns alle nicht unberührt lassen", schrieben die Abgeordneten.
Mützenich pocht auf Entscheidung bis Ende der Woche
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich baut in der Koalition deshalb trotz der gestrigen Entscheidung in der Sache Druck auf. "Ich erwarte, dass wir für Deutschland noch bis zum Ende der Woche eine Regelung zugunsten der Kinder erreichen", erklärte er. Er begrüßte, dass sich Luxemburg, Finnland, Frankreich und andere in einer humanitären Geste bereit erklärt hätten, schutzbedürftige Kinder aufzunehmen.
"Es war gut, dass der deutsche Innenminister in diesem Zusammenhang eine ähnliche Haltung eingenommen hat", sagte Mützenich mit Blick auf Bundesinnenminister Horst Seehofer. Dieser hatte zuvor dafür geworben, minderjährige unbegleitete Flüchtlinge von den griechischen Ägäis-Inseln auf aufnahmewillige EU-Staaten zu verteilen. Wichtig bei der Aufnahme der Kinder und Jugendlichen sei eine europäische Lösung: "Es müssen möglichst viele mitmachen", sagte Seehofer.
Auch Bundesaußenminister Heiko Maas setzte sich für eine "europäische Antwort" auf die Lage an der türkisch-griechischen Grenze ein. "Den höchsten Preis für die jetzige Lage zahlen wie immer die Schwächsten", sagte Maas vor seinem Abflug zum informellen EU-Außenministertreffen in Kroatien. Aus diesem Grund müsse Deutschland alle Möglichkeiten nutzen, um insbesondere "schutzlosen" Kindern schnell zu helfen. Zudem will der SPD-Politiker aber auch die Türkei als das größte Aufnahmeland von Flüchtlingen stärker unterstützen. Ebenso klar sei jedoch auch Deutschlands Erwartung, dass die Türkei sich im Gegenzug an das EU-Türkei-Abkommen halte.