G7-Gipfel in Elmau "Kein Zurück" im Verhältnis zu Russland
Schärfere Sanktionen gegen Moskau, weitere Hilfen für Kiew und ein Bekenntnis zum Klimaschutz: Der zweite Tag des G7-Gipfels war geprägt vom Kriegsgeschehen in der Ukraine. Kanzler Scholz betonte: Im Verhältnis zu Russland gebe es "kein Zurück".
Der Kontrast könnte kaum größer sein: Während im idyllischen Oberbayern die Staats- und Regierungschefs der G7 beraten, schlägt in der zentralukrainischen Stadt Krementschuk eine Rakete in ein belebtes Einkaufszentrum ein.
Wegen des russischen Angriffskriegs erwartet Bundeskanzler Olaf Scholz lang anhaltende und tiefe Einschnitte in den internationalen Beziehungen. Russland habe alle Vereinbarungen über die Zusammenarbeit von Staaten gebrochen, sagte Scholz nach Beratungen der G7 mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Scholz: Werden weiterhin Unterstützung leisten
Die G7 seien sich einig, dass das die Beziehungen lange prägen werde. "Im Verhältnis zu Russland kann es kein Zurück geben in die Zeit vor dem russischen Überfall auf die Ukraine", sagte Scholz auf Schloss Elmau. Alle G7-Staaten seien bereit, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Die Veränderung könne jedoch am besten gemeistert werden, wenn man eng und vertrauensvoll zusammenarbeite. "Wir alle werden die Ukraine in ihrer Verteidigung gegen Russland weiterhin unterstützen", so der Kanzler.
Die G7-Staaten wollen mit neuen Sanktionen den Druck auf Russland erhöhen. "Wir werden weiterhin finanzielle, humanitäre, militärische und diplomatische Unterstützung leisten und stehen an der Seite der Ukraine so lange wie nötig", hieß in einem Statement der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte. Zur G7 gehören neben Deutschland die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan. Zudem nehmen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel an dem bis diesen Dienstag dauernden Treffen teil.
Solidarität mit der Ukraine zählt zu den Hauptbotschaften dieses Gipfels. "Wir werden den Druck auf Putin weiter erhöhen. Dieser Krieg muss enden", schrieb Scholz auf Twitter.
Rüstung und Technologie im Zentrum neuer Sanktionen
Im Mittelpunkt der neuen Sanktionen gegen Russland sollen laut G7-Erklärung die Rüstungsindustrie und der Technologiesektor stehen. "Wir sind entschlossen, Russlands Einnahmen, auch aus Gold, zu reduzieren", hieß es in dem Papier. Weitere Details wurden nicht genannt.
Die US-Regierung will zudem am Dienstag ein Bündel nationaler neuer Sanktionen sowohl gegen den russischen Verteidigungssektor als auch gegen Firmen weltweit beschließen, die bestehende westliche Sanktionen gegen Russland unterlaufen. Es sollten zudem Firmen gelistet werden, die künftig keine US-Technologie mehr kaufen dürfen, teilte das Weiße Haus mit. Finanzinstitutionen sollten sich am Kampf gegen eine Umgehung von Exportkontrollen beteiligen.
Selenskyj setzt auf Preisdeckelung für Erdölexporte
Der ukrainische Präsident Selenskyj wurde in Elmau per Video zugeschaltet. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen begrüßte er die geplante Verschärfung der Sanktionen, wobei in Kiew besonders auf eine Preisdeckelung für russische Erdölexporte gesetzt wird. Selenskyj stellte demnach aber auch weitere konkrete Forderungen: reale Sicherheitsgarantien für sein Land, die Lieferung von modernen Raketenabwehrsystemen und anderen Waffen sowie Hilfe beim Wiederaufbau.
Sowohl US-Präsident Joe Biden als auch Kanzler Scholz hatten auf Schloss Elmau die Wirksamkeit der westlichen Sanktionen betont. Dass Russland jetzt nahe an der Zahlungsunfähigkeit stehe, sei die Wirkung drastischer Sanktionen, betonte ein US-Offizieller. Die russische Wirtschaftsleistung werde in diesem Jahr wahrscheinlich zweistellig sinken und die Inflation auf mehr als 20 Prozent steigen.
G7 sichern Ukraine Unterstützung bei Wiederaufbau zu
Der Ukraine sicherten die G7 Unterstützung beim Wiederaufbau zu. Man sei "bereit, einen internationalen Wiederaufbauplan zu unterstützen", der von der Ukraine in enger Abstimmung mit bilateralen und multilateralen Partnern ausgearbeitet werde. Ziele seien ein nachhaltiger und grüner wirtschaftlicher Aufschwung, starke demokratische Institutionen, Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung.
Für dieses Jahr sicherten die G7 Finanzhilfen von bis zu 29,5 Milliarden US-Dollar (rund 28 Milliarden Euro) zu. Man wolle das Land dabei unterstützen, seine Finanzierungslücke zu schließen und die Daseinsvorsorge für die Bevölkerung zu gewährleisten, hieß es in dem Papier. Offen blieb, ob es sich um Zuschüsse oder Kredite handelt. Die Mittel sollen helfen, die grundlegenden staatlichen Leistungen des kriegsgebeutelten Landes aufrechtzuerhalten und etwa Renten und die Gehälter von Staatsbediensteten zu zahlen.
Scholz warnte im ZDF vor einer Teilung der Welt im Zuge des Ukraine-Kriegs. Man dürfe nicht in die Falle tappen, die Russlands Präsident Wladimir Putin aufstelle, zu behaupten, die Welt sei geteilt in den globalen Westen und alle anderen, sagte er. Deswegen habe er fünf Gastländer zum G7-Gipfel westlicher Wirtschaftsmächte eingeladen: Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinien.
Mehr Zusammenarbeit beim Klimaschutz
Deren Staats- und Regierungschefs nahmen am Nachmittag am Gipfel teil. Die G7-Runde vereinbarte mit den Gastländern gemeinsame Anstrengungen für den Klimaschutz. Eine entsprechende Erklärung veröffentlichte die Bundesregierung. Ziel sei es, "einen sauberen und gerechten Übergang zur Klimaneutralität zu beschleunigen und gleichzeitig die Energiesicherheit zu gewährleisten", hieß es.
Als Beispiel wurde auf ein Abkommen zwischen mehreren Industriestaaten und Südafrika vom vergangenen Jahr verwiesen, das dem Land helfen soll, seine Abhängigkeit von der Kohle zu beenden und den Einsatz erneuerbarer Energien zu erhöhen. Die vorsichtige Formulierung eines "schrittweisen Ausstiegs aus der Kohle" geht zurück auf Bedenken insbesondere Indiens, das stark auf den fossilen Brennstoff angewiesen ist.