CO2-Emissionen Gemeinden als Vorreiter für Klimaschutz?
Während die internationale Staatengemeinschaft in Ägypten um mehr Klimaschutz ringt, tut sich im Kleinen etwas. Gemeinden machen sich auf den Weg, klimaneutral zu werden. Das Potenzial für CO2-Einsparungen ist groß.
Kastl in der Oberpfalz sieht auf den ersten Blick aus wie viele Gemeinden in Deutschland: Ein historisches Zentrum mit Burganlage und Kirche, drumherum Einfamilienhäuser, die sich im Tal und die Hügel hinauf erstrecken. Und doch hat der kleine Marktflecken etwas geschafft, wovon die Weltgemeinschaft bisher nur träumen kann: In den letzten zwanzig Jahren ist es gelungen, die CO2-Emissionen im öffentlichen Bereich um zwei Drittel zu senken.
Bürgermeister Stefan Braun zeigt auf das Dach der Umkleiden am örtlichen Freibad. Es ist seit 2003 komplett mit einem dichten Netz schwarzer Plastikrohre belegt. "Das war die erste Maßnahme bei uns", erklärt Braun. Das Wasser aus dem Schwimmbecken wird hier mit Sonnenwärme aufgeheizt und zurück ins Becken geschickt. "Wir haben so bereits im Frühsommer 28 Grad im Becken", so Braun. Die ehemalige Gastherme ist überflüssig geworden. Die Gemeinde spart damit 15.000 Euro im Jahr. Die Investition für die Absorber-Anlage am Dach lag bei 45.000 Euro - sie hatte sich bereits nach drei Jahren gerechnet.
Nahwärme spart 500.000 Liter Öl
Auch andere Maßnahmen in Kastl helfen dem Klima: Solarmodule gehören inzwischen zum Standard, zumindest auf öffentlichen Gebäuden - etwa am Klärwerk, wo der Sonnenstrom direkt verwendet wird. An der Gemeindegrenze hinten im Wald dreht sich eine Bürgerwindanlage - mit drei Megawatt Leistung theoretisch so viel, wie die gesamte Gemeinde an Strom verbraucht, praktisch landet der Strom im allgemeinen Leitungsnetz.
Und: Ein Hackschnitzel-Heizwerk sorgt für Nahwärme. Es wird von Landwirten aus einem Umkreis von zehn Kilometern versorgt und schickt warmes Wasser an öffentliche Gebäude und inzwischen auch an rund fünfzig Haushalte. Derzeit wird das Leitungsnetz ausgebaut. "Früher wollte keiner die Nahwärme haben, weil sie etwas teurer war, als selbst mit Öl zu heizen", sagt Braun. "Inzwischen rennen sie uns die Bude ein." Allein mit der Nahwärme spart die Gemeinde derzeit rund 500.000 Liter Heizöl im Jahr, rechnet der Bürgermeister vor.
Die Gemeinden allein retten das Klima nicht
Carsten Warnecke vom NewClimate Institute in Köln lobt das Engagement vieler Gemeinden. Trotzdem brauche es für mehr Klimaschutz auch die große Politik, die derzeit auf der UN-Klimakonferenz in Ägypten verhandelt. "Wir brauchen den massiven Ausbau der Erneuerbaren. Das hat inzwischen, glaube ich, jeder verstanden. Aber das muss dann wirklich auch passieren", sagt Warnecke. Denn so viel die Gemeinden auch selber sparen - sie können allein zum Beispiel wenig dazu beitragen, die Energieversorgung der Industrie sicherzustellen.
Das ist vor allem in größeren Städten und Ballungsräumen ein Thema. Derzeit beobachtet der Klimaexperte mit Argwohn, dass Kohlekraftwerke reaktiviert und in Gasinfrastruktur investiert wird. Die große Gefahr sei, dass diese Entwicklung nicht nur temporär sei, sondern etwa neu erschlossene Gasvorkommen auch langfristig genutzt würden - und sich die Erde weiter erwärmt.
Emissionen auf Vor-Pandemie-Niveau
In der Tat beobachten Forschende, dass die CO2-Emissionen dieses Jahr ähnlich hoch liegen wie vor der Pandemie, mit mehr als 40 Milliarden Tonnen weltweit. Zu diesem Schluss kommt der aktuelle Bericht des internationalen Wissenschaftsprojektes Global Carbon Budget. Weil weiter viel Regenwald abgeholzt wird, geht ein wichtiger Puffer verloren, der CO2 wieder aufnehmen könnte. Geht es auf diesem Niveau nur noch neun Jahre weiter, sei die Erderwärmung nicht mehr unter 1,5-Grad zu halten. Die Klimaziele des Pariser Abkommens sind also unmittelbar in Gefahr.
Auch Gemeinden wie Kastl haben noch viel mehr Möglichkeiten. Bisher konnte die Gemeinde ihre CO2-Emissionen von 480 Tonnen im Jahr auf 200 Tonnen senken - im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Würden mehr Privathaushalte auf Erneuerbare umstellen, wären aber noch viel größere Einsparungen möglich. Im Schnitt verursacht jeder Bundesbürger derzeit knapp acht Tonnen CO2 im Jahr.
Viel mehr Potenzial
Kastls Bürgermeister Braun wünscht sich mehr Engagement seitens der Bürger. Von rund 1000 Dächern würden derzeit nur 180 für Photovoltaik oder Warmwasser genutzt, rechnet er vor. Die meisten Haushalte heizen immer noch mit Öl. Über ein Solarkataster könne jedes Gemeindemitglied online selbst ermitteln, ob sein Dach für eine Photovoltaik-Anlage in Frage kommt. "Da ist noch sehr viel Potenzial da", sagt Braun. Einige hätten aber die Zeichen der Zeit erkannt, derzeit genehmige man regelmäßig Photovoltaik-Anlagen.
Bald will die Gemeinde ein zweites Heizschnitzel-Kraftwerk errichten, um noch mehr Einfamilienhäuser mit Nahwärme versorgen zu können. Dann könnten im Jahr rund eine Million Liter Heizöl eingespart werden. Und: Manches Tabu ist am Wackeln. Die Gemeinde denkt darüber nach, denkmalgeschützte Gebäude mit Solar-Panelen zu bestücken. "Wir müssen abwägen, was uns ganz akut wichtiger ist", sagt Braun. "Alte Gebäude so zu belassen, wie sie sind. Oder den Klimawandel bekämpfen."