Nach Justizniederlagen AfD will weitermachen wie bisher
Die Urteile gegen die AfD und Björn Höcke fallen wenige Monate vor den drei wichtigen Landtagswahlen. Doch die Partei wird im Osten an ihrem radikalen Kurs festhalten, auch weil sie keinen Effekt auf die Wahlergebnisse erwartet.
Der Zeitpunkt könnte kaum schlechter sein. Wenige Wochen vor der Europawahl und vier Monate vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen unterliegt die AfD bereits in zweiter Instanz gegen den Verfassungsschutz. Dieser führt die Partei als extremistischen Verdachtsfall - zu Recht, wie das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden hat. Nun stehen ein Parteiverbotsverfahren und die nächste Hochstufung im Raum.
"Keinen Millimeter weichen"
Dennoch will die AfD weitermachen wie bisher. "Für uns gibt es überhaupt keinen Grund, sich nach diesen ungerechtfertigten Einstufungen zu richten", sagt etwa Bundesschriftführer Dennis Hohloch, Parlamentarischer Geschäftsführer in Brandenburg, im Gespräch mit tagesschau.de. Das Programm bleibe unverändert, der Auftritt "inhaltlich gut aufbereitet, manchmal scharf im Ton", wie Hohloch es nennt.
René Springer, Bundestagsabgeordneter und Parteichef in Brandenburg, äußerte sich ähnlich. "Wir werden keinen Millimeter weichen", so Springer auf der Plattform X.
Stattdessen sucht die Partei den Gegenangriff. Die Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla vermieden am Montag zwar, den Prozess gegen die AfD als gesteuert darzustellen, viele Funktionäre zeichnen aber genau dieses Bild. Hans-Christoph Bernd, Spitzenkandidat in Brandenburg, sprach von einem "politischen Gefälligkeitsurteil". Das Gericht in Münster sei damit "genauso wenig politisch unabhängig wie der Verfassungsschutz". Letzterer sei zu einem "Anhängsel der Regierung" verkommen.
Torben Braga, Landesvize in Thüringen, schlug gar vor, die kostspielige juristische Gegenwehr einzustellen. Schließlich lege die Gegenseite die Spielregeln fest und "kann sie auch jederzeit verändern", so Braga auf X.
Zahlreiche Verfahren auf Landesebene
In Thüringen allerdings, wo der Landesverband seit 2021 vom dortigen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde, geht die Partei mitten im Wahlkampf gerichtlich gegen einzelne Aussagen im Verfassungsschutzbericht vor. In Sachsen und Sachsen-Anhalt strengt die AfD ebenfalls Prozesse an: Die Landesverbände wurden beide Ende 2023 hochgestuft.
In Brandenburg bleibt die AfD zwar ein Verdachtsfall, die Landtagsfraktion prüft aber eine Klage, weil der Verfassungsschutz aktuell sechs Abgeordnete als Rechtsextremisten führt, darunter auch Fraktionschef Hans-Christoph Berndt und Hohloch.
Aus Hohlochs Sicht reiht sich das Urteil ein in eine "Kampagne", mit der die AfD überzogen werde. Dazu zählt er unter anderem die Berichte über Vertreibungspläne - er nennt diese eine "Deportationslüge" - und die Vorwürfe gegen die beiden Europawahlkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron. Diese seien "unbewiesen".
Einen Einbruch der AfD, die in Brandenburg, Sachsen und Thüringen aktuell in Umfragen führt, hält Hohloch jedoch für ausgeschlossen. Kurzfristig möge es die Partei Stimmen kosten, im Osten aber "hat man aus der DDR-Erfahrung gelernt". Hohloch rückt damit nicht als erster AfD-Politiker die Bundesrepublik in die Nähe des Unrechtsstaates.
Gesamte Partei "auf Rechtsaußenkurs gezogen"
Laut dem Soziologen David Begrich vom Magdeburger Verein "Miteinander" gehören Aussagen wie diese zur strategischen Kommunikation der AfD. Begrich beobachtet die AfD in Ostdeutschland seit ihrer Gründung. Die Partei stelle den Verfassungsschutz regelmäßig als "Stasi von heute" dar.
Und während die Beobachtung durch den Verfassungsschutz in Westdeutschland durchaus ein Problem für die AfD sei, sei die Behörde "für die Mehrheit der ostdeutschen AfD-Wähler keine Instanz ihrer politischen Willensbildung", so Begrich.
Für Begrich hat die AfD außerhalb der Gerichtsverfahren nichts gegen die Einstufung zum Verdachtsfall unternommen. Eine Mäßigung habe es weitestgehend nicht gegeben, so Begrich. Stattdessen sei es den ostdeutschen Landesverbänden, allen voran Thüringen, gelungen, die gesamte Partei "auf ihren Rechtsaußenkurs" zu ziehen. Die "völkisch-nationalistische Strömung" verfüge mittlerweile über die programmatische wie strukturelle Hegemonie in der AfD. Das zeige nicht zuletzt der Austritt von Georg Pazderski. Der frühere Berliner Landeschef und Bundesgeschäftsführer der Partei hatte sich schon vor Jahren mit dem völkischen "Flügel" in der AfD überworfen.
Mitglieder des offiziell aufgelösten Netzwerks besetzen heute viele wichtige Funktionen, gerade in den ostdeutschen Landesverbänden. Der Verfassungsschutz hatte den Flügel 2020 als "erwiesen extremistisch" eingestuft - auch zu Recht, wie das Oberverwaltungsgericht Münster ebenfalls am Montag entschied.
Höcke-Prozess zeigt Doppelstrategie
Mit Björn Höcke, Landeschef in Thüringen, wurde in einem weiteren Gerichtsverfahren zudem der führende Kopf des "Flügels" zu einer Geldstrafe in Höhe von insgesamt 13.000 Euro verurteilt. Das Landgericht Halle sah es erwiesen an, dass Höcke bei einer Wahlkampfveranstaltung wissentlich die verbotene SA-Losung "Alles für Deutschland" benutzt hatte. Das Urteil ist wie das aus Münster noch nicht rechtskräftig.
Schon im Vorfeld war auch dieses Urteil seitens der AfD in Zweifel gezogen worden. Daniel Haseloff, Vorstandsmitglied in Thüringen, sprach von einem "politischen Schauprozess". Höcke selbst wiederum versuchte, das Verfahren bis zum Urteil vor allem als Ablenkung darzustellen, die Zeit und Ressourcen im Landtagswahlkampf fresse.
David Begrich sagt, Höcke sei ein Meister darin, mit seiner politischen Kommunikation sowohl die AfD-Kernanhängerschaft als auch die Gesellschaft als solche anzusprechen. Begrich erinnert daran, dass Höcke bei einer Rede in Gera das Publikum animiert hatte, den Ausruf "Alles für Deutschland" zu vervollständigen. Auch für diesen Vorfall wurde er in Halle angeklagt, das Verfahren wird aber getrennt verhandelt.
Andererseits stelle Höcke sich als Opfer dar, als seriöser, bildungsbürgerlich gebildeter, rechtstreuer Familienvater und Staatsbürger, der zu Unrecht von einem vermeintlichen "politischen Gesinnungsstaat" vorgeführt werden solle. "Höcke und die AfD sind beide weiter auf diese unterschiedlichen Resonanzräume angewiesen", sagt Begrich.
Parteien sollen Kontroversen mit AfD suchen
Begrich kommt zu der Einschätzung, dass Höcke daran gelegen sei, rechtsextreme Begriffe zu normalisieren. Um nun zumindest potenzielle AfD-Wähler abzuschrecken, brauche es aber im Umgang mit der Partei "eine stärkere Kontroversität als bisher".
Andere Parteien müssten demnach "die Kontexte liefern", zu dem, was die AfD öffentlich kommuniziert, so Begrich. Sie sollten aufzeigen, worauf die Ideen der AfD hinauslaufen, ohne sich dabei dem "Agendasetting" der AfD zu unterwerfen.