"Reporter ohne Grenzen" Mehr als 40 Übergriffe auf Journalisten
Tritte, Schläge und Zerstörung: Im vergangenen Jahr gab es allein in Deutschland 41 Angriffe auf Journalisten. Das sei zwar deutlich weniger als zuvor, so "Reporter ohne Grenzen", die Stimmung sei aber weiterhin aggressiv.
Die Zahl der Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten in Deutschland ist im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen - dennoch besteht nach Einschätzung der Organisation "Reporter ohne Grenzen" (RSF) kein Grund zur Entwarnung.
Für 2023 dokumentierte RSF hierzulande 41 Angriffe auf Medienschaffende. Im Jahr 2022 waren es noch 103 Attacken gewesen. Zum Vergleich: 2019, vor der Corona-Pandemie, waren 13 erfasst worden.
Pressefeindliche Stimmung breitet sich aus
"Während der Pandemie schnellte die Zahl der Übergriffe auf Berichterstattende in die Höhe. Auch unser Rückblick auf das vergangene Jahr zeigt: Diese Tendenz ist noch nicht vollständig zurückgegangen", steht im RSF-Bericht "Nahaufnahme Deutschland".
Insgesamt sei die Stimmung aggressiv. "In Deutschland hat sich in den letzten Jahren eine immer pressefeindlichere Stimmung ausgebreitet", ist das Fazit der Menschenrechtsorganisation. "Im vergangenen Jahr wurden Reporter wieder verprügelt, ihre Ausrüstung wurde zerstört und ihnen wurde im Internet massiv gedroht."
Traktoren blockieren Medienhäuser
Auch das neue Jahr habe nicht gut begonnen. Am Rande einer Demonstration in Leipzig sei ein Journalist Opfer einer brutalen Körperverletzung geworden. Ein neues aggressives Phänomen seien Traktor-Blockaden gegen deutsche Medienhäuser. "Landwirte haben kürzlich mit Trecker-Blockaden und Misthaufen die Auslieferung von Zeitungen in mehreren Bundesländern verhindert", erläutert RSF-Vorstandsmitglied Michael Rediske.
"Das zeigt, dass die Freiheit, unabhängig zu berichten, hierzulande nicht nur durch Übergriffe gegen einzelne Medienschaffende bedroht ist. Unzufriedenheit mit einer angeblich zu geringen Berichterstattung über Bauernproteste reicht offenbar aus, um bei Angriffen gegen die Pressefreiheit die Hemmschwelle weiter zu senken", so Rediske.
Tritte, Faustschläge, Fäkalien
"Reporter ohne Grenzen" erfasste auch, auf welche Weise Journalisten angegriffen wurden: "Am häufigsten waren im Jahr 2023 Tritte und Faustschläge oder Schläge mit Gegenständen wie Fackeln oder Trommel-Schlegeln", so der Bericht. Sie wurden als Angriff gewertet, wenn sie Körper oder Ausrüstung von Journalistinnen und Journalisten tatsächlich getroffen haben.
"Medienschaffenden wurde auch Ausrüstung entrissen, sie wurden zu Boden gerissen, mit Sand und Steinen beworfen". In einem Fall wurden sie sogar mit Fäkalien beschmiert", schreibt die Organisation.
Besonders viele Angriffe in Sachsen
Die meisten der 41 für das Jahr 2023 verifizierten Angriffe - zwei Hacker-Angriffe können nicht geografisch zugeordnet werden - ereigneten sich in Sachsen mit zwölf Übergriffen, gefolgt von Bayern mit sechs, Berlin und Nordrhein-Westfalen mit jeweils fünf, Niedersachsen mit vier, Hamburg und Hessen mit je zwei sowie Rheinland-Pfalz, Thüringen und Schleswig-Holstein mit je einem Angriff.
Der gefährlichste Ort für Medienschaffende waren auch 2023 politische Versammlungen wie Partei-Veranstaltungen, Demonstrationen oder Protestaktionen. Hier wurden 32 der 41 Fälle gezählt. Besonders pressefeindlich ging es erneut bei der Berichterstattung im Umfeld von verschwörungsideologischen oder rechtsextremen Versammlungen zu: Hier fand 2023 mit 18 Fällen ein Großteil der Angriffe statt, wie "Reporter ohne Grenzen" dokumentierte.