Medikamentenversorgung auf dem Land Rezept gegen Apothekensterben gesucht
Immer mehr Apotheken müssen schließen, weil sich kein Nachfolger findet. Das sorgt vor allem auf dem Land für Probleme. Eine Gemeinde hat aber eine Lösung gefunden.
Die Stadtapotheke in Schöneck: Sie ist die einzige Apotheke in der näheren Umgebung. Nun droht dem 3.000 Einwohner-Ort im Vogtland, was in immer mehr Dörfern und Gemeinden passiert: Die Apotheke muss schließen, weil sich kein Nachfolger findet. Gerade für die älteren Menschen ist das ein Problem.
"Das wäre traurig", findet Hans-Joachim Todt. Seit 1990 betreibt er die Stadtapotheke Schöneck. "Man möchte das unbedingt erhalten, dass es weitergeht." Doch bislang habe sich für den 64-Jährigen kein geeigneter Nachfolger gefunden. In zehn Kilometern Entfernung ist die nächste Apotheke. "Ich kann mit dem Fahrzeug nicht mehr so weit fahren", sagt ein älterer Anwohner. Er sei auf die Apotheke im Ort angewiesen.
Hans-Joachim Todt sucht nach einem Nachfolger - bisher vergeblich.
"Für die ältere Generation gibt es kaum die Möglichkeit, sich in den Online-Apotheken zurecht zu finden", sagt der Schönecker Bürgermeister Andy Anders (parteilos). Er ist überzeugt, die Apotheke werde im Ort gebraucht - für Einwohner und Touristen - und biete Potenzial, auch wegen des IFA-Ferienparks mit 1.200 Plätzen, "insgesamt gibt es in Schöneck 1.550 Gästeplatze. Im Verhältnis zu den Einwohnern mit 3.000 ist das natürlich ein Riesen-Fundus, was man hier wirklich auch bedienen kann." Anders ist erst frisch im Amt und will bei der Nachfolgersuche unterstützen.
3.500 Apotheken weniger in Deutschland
Ansonsten könnte sich der Ort in eine längere Liste einreihen: Im Vergleich zum Jahr 2010 gibt es heute in Deutschland gut 3.500 Apotheken weniger. Auf 100.000 Einwohner kamen 2022 rund 22 Apotheken. Zum Vergleich: EU-weit sind es im Schnitt 32 Apotheken auf 100.000 Einwohner. Deutschland hinkt hinterher.
Allerdings ist es auch gerade auf dem Land nicht mehr so lukrativ wie früher, eine Apotheke zu betreiben. Dort gibt es immer weniger Einwohner und immer weniger Ärzte. Aktuell bekommt jeder Apotheker - egal ob Stadt oder Land - für seine Beratungsleistung 8,35 Euro pro rezeptpflichtigen Medikament. "Das stagniert schon über zehn Jahre. Das kann nicht sein, dass ein Wirtschaftszweig komplett von der allgemeinen Entwicklung abgekoppelt wird", kritisiert der Schönecker Apotheker Todt.
Ökonom: Versorgung auf dem Land kostet
"Das ist nicht sinnvoll, weil es auch unterschiedliche Situationen gibt", bemängelt der Professor für Gesundheitsökonomie und -management an der Universität Bielefeld, Wolfgang Greiner. Der Kostenaufwand sei auf dem Land höher, deswegen sollten dort auch höhere Preise erhoben werden dürfen. "Das würde vor allem auf dem Land helfen, wo wir eben die Versorgung aufrechterhalten müssen - was Geld kosten wird."
Mittlerweile hat sich zudem auch noch ein Teil des Apotheken-Geschäfts ins Internet verlagert. Mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz machen die zehn größten Online-Apotheken in Deutschland jährlich. Das ist noch ein kleiner Anteil, denn bei den herkömmlichen Apotheken sind es rund 60 Milliarden - die Tendenz ist aber steigend.
"Sicherlich wird es so sein, dass zukünftig auch Generationen nachwachsen, für die es Online im Grunde genommen der normale Weg ist, wie man sich bei Standardmedikation versorgt", sagt Ökonom Greiner. Auf der anderen Seite: "Wird es aber weiterhin noch ein großer Teil, wie auch jetzt im Einzelhandel in anderen Bereichen, stationär sein. Dort, wo es auf Beratung ankommt, und dort, wo es natürlich auch Menschen gibt, die mit Online im Grunde genommen nicht so viel am Hut haben."
Doch auf genau diese Beratung haben offenbar immer weniger approbierte Pharmazeuten Lust. Fast jeder zweite will nach dem Studium keine Apotheke übernehmen, sondern arbeitet lieber in der Wirtschaft. Gleichzeitig geht, laut einer Hochrechnung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, fast jeder zweite Apothekenleiter bis 2030 in Rente.
Thüringen will Förderung für Apotheken auf dem Land
Die Folgen zeigen sich vor allem im ländlichen Raum - das ist nicht nur in Sachsen so. In Thüringen musste in den vergangenen 15 Jahren insgesamt 19 Mal die letzte Apotheke im Ort schließen. Jetzt will das Thüringer Gesundheitsministerium Apotheken im ländlichen Raum unterstützen und dafür soll eine Förderung von maximal 45.000 Euro pro Apotheke vorgesehen sein, die an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sein wird, wie das Ministerium auf Anfrage von MDR Investigativ mitteilte.
Doch für einige Ort kommt diese Hilfe zu spät. Ein Beispiel: Teichwolframsdorf. Dort - im Osten des Freistaates - hat die Apotheke bereits dichtgemacht. Als Petra Groh-Regner vor zwei Jahren in Rente ging, fand sich niemand, der ihr Haus mit Apotheke kaufen wollte.
30 Jahre lang war Groh-Regner mehr als nur eine Apothekerin: "Ich bin ja hier vom Ort. Ich bin hier aufgewachsen und ich kannte viele Menschen und die kannten mich und da hat man auch noch ein anderes Vertrauensverhältnis." Für sie sei es eine schöne Zeit gewesen.
Für Groh-Regner ist es allerdings auch kein Wunder, dass immer weniger junge Leute eine Apotheke in ihrer Region übernehmen wollen. "Gerade in einer Landapotheke, wo wirklich nicht so viel Personal da ist, wird halt oftmals übersehen, dass eine Apotheke Notdienste hat, Wochenenddienste. Ich habe Nachtdienste zu erledigen", erklärt sie.
Eine Lösung könnten Rezeptsammelstellen sein.
Apotheke geschlossen: Eine Lösung
Von Teichwolframsdorf dauert es nun zur nächsten Apotheke mit öffentlichen Verkehrsmitteln fast eine Stunde. Doch die Gemeinde hat sich etwas einfallen lassen. Apotheken aus den umliegenden Orten beliefern jetzt die Teichwolframsdorfer. An verschiedenen Rezeptsammelstellen können sie ihre Rezepte in einen Briefkasten werfen. Der wird sowohl vormittags als auch nachmittags geleert und anschließend zeitnah ausgeliefert - teils am selben Tag.
Apotheker Todt in Schöneck will sich nicht von den bisherigen Rückschlägen bei der Nachfolgersuche unterkriegen lassen. "Wir haben schon mal ein, zwei Kandidaten gehabt, die dann aber doch wieder abgesprungen sind, aus verschiedenen Gründen", erklärt er und fügt dann mit entschlossenem Lächeln hinzu: "Die Sondierungen müssen doch etwas intensiviert werden."