Reaktionen auf Streikankündigung Bundesregierung will sich bei Bahn-Tarifstreit heraushalten
Trotz erneuter Bahn-Streiks will sich der Bund nicht in den Konflikt einmischen. Die Ampel-Regierung appellierte lediglich an die Verantwortung beider Seiten. Eine Pflicht zur Intervention der Politik sieht hingegen der Fahrgastverband Pro Bahn.
Die Bundesregierung hat angesichts der neuen Streikankündigungen der Gewerkschaft GDL bei der Deutschen Bahn an die Verantwortung beider Tarifparteien appelliert. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) habe deutlich gemacht, dass man eine Lösung nur am Verhandlungstisch finden könne, sagte ein Sprecher. Daher gebe es die klare Erwartungshaltung, dorthin zurückzukehren. Beide Parteien hätten "eine sehr erhebliche Verantwortung" auch gegenüber Millionen Fahrgästen, deren Alltag beeinträchtigt werde. Zudem befinde sich Deutschland in einer Wachtumsschwäche.
Der Bund als Eigentümer der Bahn will sich vorerst aber weiter nicht selbst in den Konflikt einschalten. Es gebe in Deutschland Tarifautonomie, an die gelte es sich zu halten, sagte der Ministeriumssprecher.
Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner sagte, Kanzler Olaf Scholz (SPD) mische sich grundsätzlich nicht in Tarifauseinandersetzungen ein. "Wir appellieren an die Verantwortung beider Seiten und hoffen, dass das jetzt einen guten Ausgang nimmt bald."
Im Tarifstreit mit der Bahn hatte die GDL zuvor zu einem neuen, 35-stündigen Streik aufgerufen. Im Personenverkehr werde er am Donnerstag um 2 Uhr beginnen und am Freitag um 13 Uhr enden, kündigte GDL-Chef Claus Weselsky an. Im Güterverkehr der Bahn soll der Ausstand bereits am Mittwoch um 18 Uhr beginnen und bis Freitag um 5 Uhr dauern.
Außerdem will die GDL künftige Streiks nicht mehr mit einem 48-stündigen Vorlauf ankündigen, betonte Weselsky. "Wir beginnen sogenannte Wellenstreiks", sagte er. "Damit ist die Eisenbahn kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr."
"Ein Missbrauch des Streikrechts"
CSU-Generalsekretär Martin Huber warf der GDL einen Missbrauch des Streikrechts vor. "Es ist unanständig, unverantwortlich und unverschämt, in diesen Zeiten als Gewerkschaftschef offen davon zu sprechen, dass das Ziel des Streiks Chaos ist und mangelnde Planbarkeit", sagte Huber.
Deshalb sollten Streiks gerade bei kritischer Infrastruktur mit entsprechendem Vorlauf angekündigt werden müssen, sie müssten zeitlich begrenzt sein, und es müsse vorab ein - wenn auch erfolgloses - Schlichtungsverfahren stattgefunden haben. "So, wie es hier jetzt passiert, ist es offensichtlich ein Missbrauch des Streikrechts, der eher der eigenen Selbstsucht des Gewerkschaftsbosses dient und nicht der Verbesserung der Situation", so Huber.
Pro Bahn fordert Handeln vom Bund
Der Fahrgastverband Pro Bahn machte der GDL und der Bahn schwere Vorwürfe. "Die Tarifpartner machen gerade die Verkehrswende kaputt", sagte Pro-Bahn-Chef Detlef Neuß der Rheinischen Post. "Was jetzt läuft, ist den Fahrgästen nicht mehr zu vermitteln." Trotz der gesetzlichen Tarifautonomie sei es nun Zeit, dass die Politik aktiv werde. "Der Bund ist Eigentümer der Bahn. Deswegen ist er in der Pflicht zu intervenieren."
Keine Zusammenarbeit mit ver.di
Nahezu zeitgleich mit den Bahnstreiks gibt es auch an Flughäfen Arbeitsniederlegungen: Die Gewerkschaft ver.di hatte am Morgen das Bodenpersonal der Lufthansa für Donnerstag und Freitag zu Warnstreiks aufgerufen.
Nach Angaben von ver.di gab und gibt es aber keine Absprachen mit der GDL. "Das sind völlig unterschiedliche Tarifgebiete und Unternehmen. Da gibt es keinerlei Absprachen und Berührungspunkte", sagte ein Sprecher des ver.di-Bundesvorstands. "Wir stimmen uns nicht ab und wir sprechen auch nicht miteinander." Es sei reiner Zufall, wenn in diesem Frühjahr etliche Tarifkonflikte parallel verliefen.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL ist - anders als ver.di - nicht im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) organisiert. Bei zahlreichen Bahnbetrieben konkurriert die GDL mit der ver.di-Schwester Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um Mitglieder, Einfluss und Tarifabschlüsse.