Bereitschaftspflege Eltern auf Zeit
Wenn ein Kind kurzfristig aus der Familie genommen werden muss, sind Bereitschaftspflegestellen oft die erste Anlaufstelle. Hier bleiben die Kinder, bis geklärt ist, wie es für sie weitergeht. Doch es gibt zu wenige Plätze.
44 Kinder hat Sabine inzwischen begleitet, manche von ihnen ein halbes Jahr, manche auch nur einen Tag. Für die 59-Jährige ist die Bereitschaftspflege inzwischen zur Lebensaufgabe geworden. "Ich möchte diesen kleinen Menschlein helfen, den Start ins Leben einigermaßen gut hinzubekommen."
Sie hat vier eigene Kinder, die alle bereits erwachsen sind und ihren eigenen Haushalt führen. Das Kinderzimmer ist dennoch immer vorbereitet, denn helfen muss Sabine meist kurzfristig.
Hilfe in akuten Krisensituationen
Die Gründe für eine Inobhutnahme sind unterschiedlich und reichen von psychischen Erkrankungen der Eltern über körperliche Misshandlungen bis hin zu Alkohol- und Drogenmissbrauch. Dass ein Kind aus der Familie genommen wird, sei immer der letzte Schritt, betont Rahma Ataie, Leiter des Fachbereichs Pflegefamilien beim St. Elisabeth Verein. Wenn die Entscheidung getroffen sei, müsse es aber oft schnell gehen.
"Es kommt vor, dass wir am Donnerstag erfahren, dass wir ab Freitag einen Platz brauchen, da sonst das Kind in der Kita sitzen wird und nicht abgeholt wird", so Ataie. Bereitschaftspflegestellen müssen deshalb sehr flexibel sein. Sie wissen weder, wann ein Kind einzieht, noch, wie lange es bleiben wird.
Wie geht es weiter?
Für Sabine spielt es keine Rolle, wie lange genau ihre Schützlinge bleiben. Sie bietet so lange ein geschütztes Umfeld, bis geklärt ist, wo das Kind dauerhaft bleiben kann. "Ich gebe ihnen so viel mit, wie es nur geht", erzählt sie. "Alles, was sie hier bekommen, nimmt ihnen niemand mehr weg."
Stabilisiert sich das familiäre Umfeld wieder, können die Kinder dorthin zurückkehren. Andernfalls wird eine dauerhafte Pflegestelle gesucht. Immer mal wieder komme es vor, dass aus der einstigen Bereitschaftspflege eine Vollzeitpflege werden, berichtet Ataie. Eine solche Dauerperspektive sei ideal, sagt Anja Weber vom Jugendamt Saarpfalzkreis. Es habe den Vorteil, dass das Kind nicht noch einmal neu beginnen müsse in einer weiteren Familie.
Zu wenig Pflegestellen
Doch egal ob Bereitschafts- oder Vollzeitpflege - es gibt zu wenige Plätze, um der Nachfrage gerecht zu werden. Laut Statistischem Bundesamt wuchsen 2022 rund 207.000 Kinder zumindest zeitweise außerhalb der eigenen Familie auf, rund 86.000 davon in einer Pflegefamilie.
Gleichzeitig ist die Zahl der Inobhutnahmen im Jahr 2023 zum dritten Mal in Folge gestiegen. Rund 74.600 Kinder und Jugendliche waren betroffen. Klammert man die Fälle von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aus, bleibt eine Zahl von rund 35.300 Kindern, für die kurz- oder langfristig eine Lösung gefunden werden muss.
Wenn eine Unterbringung in einer Pflegefamilie nicht möglich ist, müssen die Jugendämter auf eine stationäre Einrichtung zurückgreifen. "Auch da können die Kinder einen schönen Platz und Geborgenheit bekommen, aber es ist etwas anderes", berichtet Ataie. Ein familiärer Kontext mit einer festen Bezugsperson sei häufig die bessere Alternative.
Mehr Aufklärung notwendig
Um mehr Menschen für die Pflegestelle zu gewinnen, wünscht sich Ataie mehr Aufklärung. Viele Menschen hätten Angst, mit der Verantwortung für das Kind allein zu sein. Das sei aber nicht der Fall, betont Ataie. "Man steht als Pflegefamilie nie allein da, man arbeitet mit einem System zusammen."
Das Jugendamt oder die Träger der Einrichtungen seien immer in einem offenen Austausch mit den Pflegefamilien, auch wenn es Probleme gebe. Auch der Kontakt mit den leiblichen Eltern werde aufrechterhalten, wenn die Situation das zulasse.
Bewerbung als Pflegestelle
Nicht nur verheiratete Paare können Pflegestelle werden, auch Singles oder unverheiratete Paare können sich bewerben. Voraussetzung ist, dass genug Wohnraum, Zeit und finanzielle Mittel vorhanden sind, um dem Kind ein stabiles Umfeld bieten zu können.
An erster Stelle steht immer der Kontakt mit dem Jugendamt. Auch hier sei es wichtig, Hürden abzubauen, sagt Ataie. "Ein erster Kontakt kostet nichts, nur ein bisschen Zeit."