Kehrtwende im Bistum Augsburg Missbrauchsbetroffener bekommt doch 150.000 Euro
Das Bistum Augsburg will einem Betroffenen sexualisierter Gewalt nun doch eine Entschädigung von 150.000 Euro zahlen. Zuvor wollte das Bistum einer Empfehlung der Unabhängigen Kommission der Bischöfe nicht folgen.
"Das Ganze hat mich wahnsinnig mitgenommen", sagt Hans-Joachim Ihrenberger. Er klingt erschöpft. "Alles, was damals geschehen ist, ist wieder da. Alle Erinnerungen. Als wenn es gestern gewesen wäre."
Der Mann, dem ein Priester in seiner Kindheit über Jahre hinweg vielfach sexualisierte Gewalt angetan hat, sitzt im Rollstuhl. Er hat zwei Herzinfarkte und drei Schlaganfälle hinter sich. Jede Aufregung ist schlecht für ihn.
Die vergangenen Monaten waren deshalb besonders anstrengend. Denn im Dezember hatte das Bistum Augsburg eine schon beschlossene Auszahlung von Entschädigungsleistungen in Höhe von 150.000 Euro verweigert. WDR und tagessschau.de berichteten exklusiv darüber. Am Dienstag teilte das Bistum Augsburg nun mit, es habe mit der Vertretern der Unabhängigen Kommission für Anerkennungszahlungen (UKA) "alle noch offenen Verfahrens- und Kommunikationsfragen" klären können - und werde nun doch zahlen.
Verfahren noch nicht abgeschlossen
Die katholischen deutschen Bischöfe haben die Kommission mit Sitz in Bonn berufen, um sie über Entschädigungen für Menschen befinden zu lassen, die von Priestern sexualisierte Gewalt erfahren haben. Das Bistum Augsburg teilte nun mit, der zuständige Berichterstatter der Kommission habe im konkreten Fall die negativen psycho-sozialen Folgen für den Betroffenen als sehr gravierend bewertet. "Damit sind für das Bistum Augsburg neue, zusätzliche Gegebenheiten in diesem Fall anzuerkennen", teilte die Pressestelle von Augsburgs Bischof Bertram Meier mit.
Hans-Joachim Ihrenberger sagt, er sei froh, dass das Ganze nun vorüber sei. Aber richtig freuen könne er sich über die 150.000 Euro nicht. Zu Beginn des Jahres habe er schon aufgeben wollen, es sei ihm sehr schlecht gegangen. Das Schlimmste sei, dass das Bistum jetzt so tue, als habe er das Nein zur Zahlung falsch verstanden.
Ein Sprecher von Bischof Meier hatte im Dezember gegenüber dem WDR gesagt, das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Das WDR-Rechercheteam "Kirche und Missbrauch" hatte zuvor als erstes über einen Brief berichtet, den Ihrenberger vom Bistum Augsburg bekommen hatte. Darin heißt es: "Nach intensiven internen Beratungen, zuletzt mit dem (…) Herrn Bischof Dr. Bertram Meier, muss mitgeteilt werden, dass das Bistum Augsburg dieser (…) Anerkennungsleistung nicht zustimmen kann."
Von der Kirche im Stich gelassen
Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz, hatte das schon damals als eindeutige Absage bewertet. Dass der Bischof nach öffentlichem Druck nun doch zahlen wolle, begrüßte Norporth im Gespräch mit dem WDR. Es sei immer klar gewesen, dass die katholischen Zahlungen steigen würden, wenn auch staatliche Gerichte Betroffenen höhere Summen zusprechen würden.
Genau das aber stellt das Bistum in Zweifel, auch nach der Ankündigung am Dienstag. In einer Pressemitteilung heißt es, dass die Dynamisierung der festgesetzten Zahlungen "auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz weiter zu diskutieren ist".
Betroffenensprecher Norpoth kritisiert: "Das zeigt doch sehr deutlich, dass das Bistum Augsburg kein Interesse an wirklicher, tätiger Reue hat, sondern sich möglichst davonstehlen möchte." Norpoth fordert, das System der Zahlungen außerhalb von Gerichtsprozessen müsse erhalten bleiben. "Es ist für die vielen kaum sprachfähigen Opfer der einzige Weg zu Anerkennungsleistungen."
Der Betroffene Ihrenberger bekommt jetzt seine Entschädigung. Der Preis, den er dafür bezahlen musste, ist hoch. Er fühlt sich ein weiteres Mal von der katholischen Kirche im Stich gelassen.