Frauenverachtende Inhalte Fragwürdige Methoden von "Dating Coaches"
Viele junge Männer wünschen sich eine Beziehung. In kurzen Videos auf TikTok und Instagram geben "Dating Coaches" vor, dabei zu helfen. Die Methoden sind fragwürdig bis gefährlich.
"Hey, kurze Frage :)", schreibt Lasse Landeck Menschen, die seinem Account auf Instagram neu folgen. Mittlerweile sind das fast 60.000 Menschen, bei TikTok mehr als 100.000. Die Frage schreibt er aber nicht. Gar nicht. Er will damit wohl eine Rückfrage wie "Was ist denn die Frage?" provozieren.
Die Accounts des 26-jährigen Landeck gehören zu den größten von selbsternannten "Dating Coaches" in Deutschland. Bei Instagram und TikTok gibt es Tausende Videos, in denen Männer wie er anderen Männern Tipps geben, mit denen sie ihre Traumfrauen erobern könnten. Scheinbar geht es um die große Liebe.
Die zu finden, wird immer schwerer. Viele Menschen lernen sich über Apps kennen. Im Durchschnitt muss einer Person dort 291 Menschen vermittelt werden, was dort "matchen" heißt, bevor sie in eine Beziehung kommt - so steht es in einem Bericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW).
Eine Krise der Begegnung nennt das die Paartherapeutin Johanna Degen: "Dating-Coaches nehmen richtiggehend wahr, dass Menschen hungrig nach Begegnung sind, aber herausgefordert sind, dieses Bedürfnis zu stillen."
"Frauen in unter 30 Minuten ins Bett"
Die Coaches bieten in kurzen Videos vermeintlich Hilfe an. Es könne alles schnell und unkompliziert funktionieren. Der Coach Charly Imsel präsentiert in einem Video, wie man "Frauen in unter 30 Minuten ins Bett" bekäme.
Lasse Landeck erklärt in anderen Videos, welche Frauen man treffen sollte und welche nicht. Frauen, die zum Beispiel nur mit Männern befreundet wären, hätten einen schlechten Charakter. Wer Frauen trifft, die oft im Club feiern, sollte diesen Frauen klar machen, dass einem das nicht gefällt. Dort würden sie nur von anderen Männern "angemacht" werden, so Landeck.
Der Coach Moritz von Känel sagt, man müsse Frauen gegenüber dominant auftreten. Er rät für Dates: "Setz oder stell dich breitbeinig hin." In anderen Videos geht es darum, wie Männer ihre Persönlichkeit weiterentwickeln können, um so attraktiver für Frauen zu werden.
Männer sollen Coachings kaufen
Sofia Rüdiger und Daria Dayter haben zur Sprache solcher Coaches geforscht. Für ein Buch haben die Sprachwissenschaftlerinnen Videos analysiert. Ziel der Coaches ist demnach, sich als Experten dazu zu inszenieren, "wie man Frauen trifft".
"Auf den ersten Blick geht es in diesen Videos darum, Frauen zu verführen, auch mit manipulativen Vorgehensweisen", so Rüdiger. Ziel der Videos sei aber vor allem, Männer dazu zu bringen, die "Beratungen" zu kaufen. Dort gebe es dann mehr Informationen. "Die Sorge der Männer soll die Geldmaschine der Coaches bedienen", sagt Dayter.
Moritz von Känel wollte sich dazu gegenüber tagesschau.de nicht äußern. Charly Imsel antwortete, dass er mit Coachings in den vergangenen vier Jahren etwa eine Million Euro Umsatz gemacht hat. Im Schnitt geben seine Kunden "eine kleine vierstellige Summe" für die Beratungen aus. In seinem Programm gehe es darum, eine Partnerin auf Augenhöhe zu finden, behauptet er.
Lasse Landeck und sein Team haben im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben mehr als 400 Männer betreut. In einem Podcast erzählt er, dass er mit seinen "Beratungen" regelmäßig mehr als 100.000 Euro Umsatz im Monat macht.
Gegenüber tagesschau.de sagt er, es liege ihm fern beizubringen, wie man Frauen manipulieren kann. Auch bei ihm gehe es darum, eine Beziehung zu finden. Gleichzeitig wirbt Landeck mit Berichten, in denen Kunden erzählen, mehrere Frauen gleichzeitig zu treffen. Einer sagt, er habe eine Frau bei einem Treffen "nach Lehrbuch geneckt und sexualisiert", was zu Sex nach dem ersten Date geführt haben soll.
"Machtgefälle zwischen Männern und Frauen"
Die Wissenschaftlerinnen Dayter und Rüdiger vermuten, dass die Coaches eher daran interessiert sind, dass deren Kunden keine Beziehung eingehen. Denn dann würden sie kein Geld mehr für die "Beratungen" ausgeben.
Sie bezweifeln, dass die Tipps aus den Videos überhaupt zu gesunden Beziehungen mit Frauen führen. Die Coaches würden zwar auch harmlose Ratschläge geben, zum Beispiel wie Treffen Emotionen auslösen können. Das mische sich aber mit Videos, die Beziehungen auf gegenseitige Manipulation reduzieren und frauenfeindlich seien.
Die Coaches würden Strategien empfehlen, die ein Machtgefälle zwischen Männern und Frauen aufbauen. "Generell vermitteln die Coaches ein konservativ-traditionelles Männerbild, das auf der Dominanz des Mannes beruht", so Rüdiger. Und über solche Videos fänden die Männer bei TikTok und Instagram noch radikalere Videos, die frauenverachtend sind, zum Beispiel Videos von sogenannten "Incels".
Männer müssen stark sein
Charly Imsel glaubt, dass es unterschiedliche Energien zwischen den Geschlechtern gibt. Männer sollten deswegen nicht zu viel Zeit mit Frauen verbringen. Feminine Energien würden Männer verweichlichen. Stattdessen sollten Männer mit anderen Männern zusammen auch mal "rumrülpsen".Traditionelle Geschlechterbilder kreiere er aber nicht aktiv, behauptet Imsel auf Anfrage von tagesschau.de.
In einem Video bedient Lasse Landeck das Stereotyp, dass Frauen nur auf Geld aus sind, und erklärt, wie man solche Frauen entlarven könne. In einem anderen Video in seinem Instagramkanal sagt er, dass Männer, die jammern, ihre Emotionen nicht im Griff haben und daran arbeiten müssen. Gegenüber tagesschau.de sagt Landeck, er verbreite keine traditionellen Geschlechterbilder, sondern beschäftige sich nur mit dem Thema Dating.
"Männer sollen laut diesen Coaches gesund, stark zielorientiert, aktiv, wenig emotional, reich und potent sein", sagt die Psychologin Johanna Degen. Das baue Druck auf und verletze die männlichen Zuschauer selbst.
Solche Ideen von Männlichkeit seien der Grund dafür, dass Männer seltener in Therapie gehen, sich weniger um ihre Gesundheit sorgen. Außerdem wirke sich dieses Bild von Männlichkeit auch auf Beziehungen aus: Männer vernachlässigen Beziehungen oder vereinsamen öfter in Beziehungen.
Fehler bei Frauen suchen
Auf Plattformen wie Instagram und TikTok sind vor allem junge Menschen aktiv, auch junge Männer. Die Geschlechterbilder der Coaches kommen dort gut an. Für Degen hängt das auch damit zusammen, dass Dating viele Menschen frustriert. Da sei es einfacher, den Fehler beim anderen Geschlecht zu suchen. Für den Einzelnen könne das erst einmal erleichternd sein. Auf Dauer entwickele sich dadurch aber eine Dating-Kultur, die wenig fröhlich oder anerkennend sei.
Das ist das, womit die Coaches werben. Lasse Landeck begründet seine Methoden mit Statistiken, die zeigen sollen, wonach Männer und Frauen suchen. Gegenüber tagesschau.de erkennt er auch an: Nicht jedes Treffen ist gleich. In seinen Videos vereinfacht er Dates trotzdem regelmäßig als Situationen, in denen Frauen Männer angeblich gezielt testen. Er gibt vor, mit welchen Sätzen Männer diese Tests kontern sollen.
Es könnte viel leichter sein
Eine psychologische Ausbildung hat Landeck nicht. Der angebliche Erfolg seiner Kunden gebe ihm recht, sagt er. Gleiches sagt auch Charly Imsel. Ihre vermeintlich Expertise haben die beiden von anderen Coachings gelernt.
Die Paartherapeutin Johanna Degen erklärt, dass für schöne Treffen mit potenziellen Partnern und Partnerinnen keine sogenannten "Methoden" und vorgefertigten Antworten der "Dating Coaches" nötig sind. "Eigentlich brauchen wir nur unsere Intuition und ein wenig Mut. Alle können sich sicher sein, die anderen wollen auch Kontakt. Niemand genießt digitale Vereinsamung."