Hunderttausende bei Demos Vereint im Kampf gegen Rechtsextremismus
Dichtes Gedränge allerorten: Zu Demonstrationen für Toleranz und gegen Rechtsextremismus sind viel mehr Menschen gekommen als von Veranstaltern erwartet. Bundesweit gingen etwa 250.0000 Teilnehmer auf die Straße.
Vom hohen Norden bis in den tiefen Süden, ganz im Westen oder tief im Osten: In zahlreichen deutschen Städten haben insgesamt mehr als 250.000 Menschen für Demokratie und gegen Ausgrenzung und Rechtsextremismus demonstriert. Vielerorts kamen deutlich mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer als angemeldet, so dass Demonstrationsareale erweitert und Routen verlegt werden mussten.
Eine der größten Kundgebungen fand in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover statt. Die Polizei nannte die Zahl von 35.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Dort sprachen unter anderem der frühere Bundespräsidenten Christian Wulff und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Der SPD-Politiker Weil zeigte sich begeistert von der Menschenmenge. "Das, was ihr hier zeigt, ist gelebter Verfassungsschutz", rief er den Protestierenden zu.
"Gemeinsam gegen Menschenfeinde"
Ebenfalls etwa 35.000 Menschen versammelten sich auf und rund um dem Römerberg in Frankfurt. Die Stimmung sei friedlich gewesen, sagte ein Polizeisprecher. Nach der Kundgebung gab es einen Demonstrationszug zur Alten Oper. Die Demonstration stand unter dem Motto "Demokratie verteidigen - Frankfurt gegen AfD und Rechtsruck". Aufgerufen hatte das "Koala-Kollektiv", ein breites Bündnis aus Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und weiteren Nichtregierungsorganisationen.
Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) sagte, er sei "überwältigt" vom Anblick der vielen Menschen auf dem Römerberg. "Wir stehen als Demokraten gemeinsam auf gegen die Menschenfeinde dieses Landes, hier bei uns in Frankfurt und in der Bundesrepublik. Das machen wir zusammen, das machen wir entschlossen - egal wo wir herkommen und woran wir glauben." Frankfurt vertreibe keine Menschen, sondern heiße sie willkommen, sagte Josef. "Frankfurt ist ein starker Teil der Freiheits- und Demokratiebewegung, die sich in diesen Wochen formiert."
20.000 Menschen vor dem Verfassungsgericht
1.000 Teilnehmer hatten die Veranstalter in Karlsruhe angemeldet - es kamen nach Angaben der Polizei etwa 20.000 Menschen, die Initiatoren sprachen sogar von 25.000. Der Einsatzleiter der Polizei sagte, die Demonstration sei friedlich verlaufen, es sei ein "bemerkenswertes Zeichen gesetzt" worden. Der Demonstrationszug zog an symbolträchtigen Orten wie dem Platz der Grundrechte und dem Bundesverfassungsgericht vorbei.
Etwa 20.000 Menschen beteiligten sich nach Veranstalterangaben auch in Braunschweig an einer Demonstration unter dem Motto "Alle zusammen gegen Faschismus". Vielerorts waren die Versammlungsbereiche überlaufen, so dass zahlreiche Menschen nicht mehr teilnehmen konnten.
Großer Andrang auch in Halle
Im sachsen-anhaltischen Halle waren mehr als 16.000 Menschen auf der Straße, um ein Zeichen gegen die AfD und gegen Rechtsextremismus zu setzen. Das Bündnis "Halle gegen Rechts" hat nach Angaben der Polizei 1.000 Demonstrierende angemeldet. Da der Protestumzug zu groß für die geplante Strecke war, änderten die Organisatoren die Route.
In Erfurt versammelten sich ab mittags ungefähr 9.000 Menschen auf dem Domplatz. Der Demonstrationszug zog unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt - Antifaschismus muss man selber machen" durch die Innenstadt der thüringischen Hauptstadt.
Auf dem Erfurter Domplatz versammelten sich etwa 9.000 Menschen, die anschließend durch die Innenstadt gingen.
"Antisemiten müssen ausgebürgert werden"
Vor dem Rathaus in Gießen kamen am Nachmittag nach Schätzungen der Polizei mehr als 12.000 Demonstrantinnen und Demonstranten zusammen. Da ursprünglich nur 250 Teilnehmer angemeldet worden waren, wurde die Demonstrationsfläche erweitert. Zur Kundgebung rief das Bündnis "Gießen bleibt bunt" auf, das von 50 kleineren und größeren Organisationen unterstützt wird - darunter die Stadtverwaltung, politische Parteien, Kirchengemeinden und Omas gegen Rechts.
In Kassel sprach die Polizei ebenfalls von 12.000 Teilnehmern - die Veranstalter von etwa 15.000. Die Menschen trugen Plakate mit Aufschriften wie "Nazis und Antisemiten müssen ausgebürgert werden" und "Zusammen gegen Extremisten für Demokratie". "Wir erheben die Stimme für unser Land und für das, was unser Gemeinwesen im Kern vereint: die Werte der Demokratie und die Unantastbarkeit der menschlichen Würde", sagte Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne).
Auch in Nordrhein-Westfalen gab es mehrere Großveranstaltungen. In Dortmund zählte die Polizei 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, in Recklinghausen sprach sie von 12.000 und in Aachen von 10.000 Menschen.
AfD-Verbotsverfahren gefordert
Im bayerischen Nürnberg sammelte sich die Menschenmenge auf dem Willy-Brandt-Platz - in der Nähe liegt ein Büro der AfD. Weil etwa 15.000 Menschen kamen, sperrte die Polizei zeitweise die Marienstraße und die Gleisbühlstraße. Angemeldet waren lediglich 1.000 Demonstrantinnen und Demonstranten gewesen.
Unter dem Applaus von Demonstrierenden forderte der Leiter des Nürnberger Bündnis Nazi-Stopp, Ulrich Schneeweiß, ein Verbotsverfahren gegen die AfD.
In Ulm kamen laut Polizei zwischen 8.000 und 10.000 Menschen zu einer Kundgebung. "Der Münsterplatz ist bis oben hin voll", sagte ein Sprecher. Unter dem Motto "Gegen Hass und Hetze der AfD. Für unsere Demokratie" hatte der Ring politischer Jugend Ulm dazu aufgerufen.
Großdemo statt Menschenkette
In Freiburg nahmen etwa 5.000 Menschen teil. Die Demo sei friedlich über die Bühne gegangen, sagte ein Polizeisprecher. Unter dem Motto "Gegen den Hass" wurde die Demo von den "Omas gegen Rechts" organisiert. Eine geplante Menschenkette war den Angaben zufolge nicht wirklich sichtbar, weil sich so viele Menschen auf dem Platz der Alten Synagoge versammelt hatten.
In Rheinland-Pfalz fand unter anderem in Koblenz eine Kundgebung statt, zu der etwa 5.000 Menschen kamen. Das Motto lautet "Für die Demokratie - Gegen den Faschismus". Ein Bündnis mehrerer Parteien hatte zu dem Protest aufgerufen. Weil darunter auch die Linkspartei ist, verweigerten CDU und FDP eine Beteiligung.
Von Ansbach über Buxtehude bis Sylt
Kundgebungen gegen rechts gab es auch in kleineren Städten. In Limburg demonstrierten nach Schätzungen der Polizei 2.800 Teilnehmer auf dem Bahnhofsvorplatz, in Ansbach waren es ungefähr 1.800 Menschen. Dort sprach unter anderem die Ansbach-Würzburger Regionalbischöfin Gisela Bornowski.
In Buxtehude kamen statt der angemeldeten 100 Teilnehmenden nach Schätzung der Polizei 2.000 Menschen zusammen und in Syke (Landkreis Diepholz) nahmen an einem "Antifaschistischen und antirassistischen Spaziergang" 500 Menschen teil.
Auf Sylt demonstrierten nach Angaben der Polizei rund 600 Menschen gegen Rechtsextremismus. Der Veranstalter, die Initiative Sylt gegen Rechts, sprach von 1.000 Teilnehmern. Auf einer Kundgebung vor dem Rathaus in Westerland sprachen der stellvertretende Bürgervorsteher Peter Marnitz (SPD), die Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Sylt, Andrea Dunker, Lokalpolitiker sowie Sylter und Hamburger Journalisten. Bei teilweise sonnigem und windigem Wetter mit Temperaturen um fünf Grad zogen die Demonstranten nach der Kundgebung durch die Straßen von Westerland.
Entsetzen über Geheimtreffen im November
Seit Tagen wird in Deutschland gegen das Erstarken rechter Kräfte demonstriert. Am Freitagnachmittag wurde in Hamburg eine Demonstration von den Veranstaltern wegen der unerwartet hohen Teilnehmerzahl abgebrochen. Die Polizei hatte 50.000 Demonstranten gezählt, die Veranstalter sprachen von 80.000 Menschen.
Wichtiger Auslöser der Protestwelle war eine "Correctiv"-Recherche über ein Treffen von AfD-Vertretern mit Neonazis und Unternehmern Ende November, bei dem über die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen wurde.