Proteste gegen Rechtsextremismus Was kommt nach den Demos?
Bei den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus gehen Menschen auf die Straße, um für eine wehrhafte Demokratie einzustehen. Warum gehen sie jetzt auf die Straße? Und was kommt danach?
Die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus reißen nicht ab. Auch am vierten Wochenende trafen sich in Berlin rund 150.000 Menschen, um zu demonstrieren. In kleineren Städten wie Krefeld beteiligten sich verschiedene Vereine, Institutionen und Verbände, aber auch Tausende Bürgerinnen und Bürger.
Politikwissenschaftler Sebastian Haunss von der Universität Bremen, der Mitglied am Institut für Protest- und Bewegungsforschung ist, überrascht die anhaltende Protestbewegung - besonders in Großstädten wie Berlin. Dass Protestbewegungen in kleineren Städten etwas verzögert ankommen, sei normal. Die vielen Menschen, die in Großstädten weiterhin demonstrieren, seien überraschend ausdauernd. Menschen, die an den Demonstrationen teilnehmen, geben dafür ganz unterschiedliche Gründe an.
Georg Gottwald zum Beispiel war bei den Protesten in Krefeld dabei. Er sagt, er sei viel zu lange passiv gewesen. Nun überlege er sich sogar, in eine Partei einzutreten.
Elisabeth Völlings ist Vorsitzende des Flüchtlingsrats Krefeld. Sie erzählt, dass sie in ihrem privaten Umfeld, in Kneipen oder Restaurants mit Menschen ins Gespräch kommt. Gerade dort sei es wichtig, gegen rechtsextremistische Äußerungen anzukämpfen.
Elisabeth Völlings ist Vorsitzende des Flüchtlingsrats Krefeld. Auch im Privaten sei es wichtig, gegen Rechtsextremismus anzukämpfen.
Reden als Mittel für eine wehrhafte Demokratie
Reden ist ein wichtiges Mittel, bestätigt Achim Wölfel, Geschäftsführer des Vereins "Mehr Demokratie" aus Nordrhein-Westfalen. Sich auf die Politik zu verlassen, reiche nicht aus. Es komme auf jeden Einzelnen an. Jeder könne etwas tun. Und das Zusammengehörigkeitsgefühl könne viel bewirken. Eigenständige Recherche im Internet oder öffentliche Beratungsstellen würden dabei helfen, die eigenen Argumente zu schärfen und ein Verständnis für andere Positionen zu entwickeln.
In Vereinen oder Initiativen aktiv zu werden oder sogar selbst eine zu gründen, helfe, aus dem Ohnmachtsgefühl auszubrechen. Ein weiterer Weg für Demokratie aktiv zu werden, sei wählen zu gehen. Wer in eine Partei eintrete, könne politisch mitwirken, so Wölfel.
Achim Wölfel ist Geschäftsführer des Vereins "Mehr Demokratie". Er findet, jeder könne etwas tun.
Können Demonstrationen gegen Rechtsextremismus langfristig auch Wahlen beeinflussen? Das lässt sich noch nicht abschließend wissenschaftlich belegen. Im ARD-DeutschlandTrend konnte man jedoch erkennen, dass die AfD bereits drei Prozentpunkte einbüßen müsste, wäre am vergangenen Sonntag die Bundestagswahl gewesen.
Interessant ist auch, wie die Wahlbeteiligung im Hinblick auf die Europawahl Anfang Juni und die anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland in diesem Jahr ausfallen wird.
Kurzfristige und langfristige Effekte
Die Politikwissenschaftlerin Nina-Kathrin Wienkoop ist auch Mitglied des Instituts für Protest- und Bewegungsforschung und untersucht die Auswirkungen von Protestbewegungen. Für sie haben die Demos zwei Aspekte. Erstens entstehe durch die Proteste ein Debattenraum, der sowohl in den Medien als auch in der Gesellschaft zu Mobilisierung führe. Langfristig könne das zu einer nachhaltigen Politisierung der Menschen führen, zum Beispiel indem Nicht-Wähler motiviert würden, ihre Stimme abzugeben.
Politikwissenschaftlerin Nina-Kathrin Wienkoop beobachtet, dass durch die Proteste ein Debattenraum in Medien und Gesellschaft entsteht.
Zweitens könnte es auf politischer Ebene zu mehr Unterstützung für demokratiefördernde Projekte kommen und sich das Bewusstsein für Demokratie auf bundespolitischer Ebene verschieben. Allerdings betont Wienkoop, dass hierfür ein gesellschaftlicher Konsens über die gemeinsamen Forderungen notwendig ist.
Hohe Mobilisierung durch Wahlen
Die aktuellen Recherchen des Recherchenetzwerks Correctiv und die bevorstehenden Wahlen - die Europawahl und Landtagswahlen in Ostdeutschland - führten zu einer erhöhten Mobilisierung in der Gesellschaft: "Ich würde behaupten, wenn es die Wahltermine nicht gegeben hätte, wer weiß, ob die Recherchen die gleiche Mobilisierung hervorgerufen hätten."
Wienkoop macht deutlich, dass Organisationen, die sich schon lange gegen Rechtsextremismus einsetzen, eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung spielen würden. Im Vergleich zu vorherigen Protestbewegungen wie "We'll Come United" und "Fridays for Future" hätten die aktuellen Demonstrationen durch die bevorstehenden Wahlen einen begrenzten und konkreten Mobilisierungszeitraum.
Deswegen entwickle sich eine Dynamik, die nicht zu unterschätzen sei, so Wienkoop. Dass durch die Protestbewegungen jetzt gleichzeitig mehr Menschen wählen gehen, kann Wienkoop nicht bestätigen.