Projekt in Brandenburg Wie Lehrkräfte fit gegen Extremismus werden
Immer wieder kommt es in Brandenburg zu rechtsextremen Vorfällen an Schulen. Was können Lehrkräfte tun? Und wie können sie gestärkt werden, um gegenhalten zu können? Ein Modellprojekt hat nach Antworten gesucht.
Julia Maaß steht vor einer zwölften Klasse des Oberstufenzentrums im brandenburgischen Ludwigsfelde. An diesem Tag gibt sie Biologieunterricht - politisch harmlos. Doch die junge Lehrerin unterrichtet an dem Oberstufenzentrum auch Politik. Und da ist sie manchmal mit Aussagen ihrer Schülerinnen und Schüler konfrontiert, bei denen sie nicht immer gleich weiß, wie sie reagieren soll: Verharmlosung der AfD zum Beispiel.
Rassistische oder antisemitische Äußerungen hat sie selbst noch nicht zu hören bekommen. Doch Maaß weiß von solchen Vorfällen von Kolleginnen und Kollegen. Die junge Frau ist eine der Lehrerinnen, die an dem Modellprojekt "Starke Lehrer - starke Schüler" gegen antidemokratische Tendenzen teilgenommen haben.
Modellprojekt "Starke Lehrer - starke Schüler"
"Im Projekt wurde deutlich, dass antidemokratische Positionen und Einstellungen durchgehend zum Schulalltag gehören", so die Bilanz des Projektleiters Udo Dannemann. Er lehrt politische Bildung an der Universität Potsdam und begleitete über drei Jahre lang an sechs Oberstufenzentren in Brandenburg 19 Lehrkräfte und einen Schulsozialarbeiter. Kernfrage des Modellprojekts war: Wie können die pädagogischen Kompetenzen von Lehrkräften in der Auseinandersetzung mit antidemokratischen Tendenzen gestärkt werden?
Lehrerinnen und Lehrer fühlten sich da oft unsicher, vor allem, wenn rassistische oder sexistische Einstellungen geäußert würden oder Verschwörungstheorien. Im Modellprojekt der Uni Potsdam, des brandenburgischen Bildungsministeriums, der Bundeszentrale für politische Bildung und der Robert Bosch Stiftung bekamen die Lehrkräfte Supervision, Beratung und Fortbildungen. Ein ähnliches Projekt gab es von 2015 bis 2018 schon in Sachsen, erzählt Projektleiter Dannemann.
Lehrer stärken für starke Schüler
Insbesondere in Zeiten vielfacher Krisen werde eine "kritische Handlungs- und Urteilskompetenz" für die Lehrkräfte immer wichtiger, so Dannemann. Denn Lehrkräfte sollen den Schülerinnen und Schülern auch helfen, mündige Bürgerinnen und Bürger zu werden - die "Demokratie kennen und leben", heißt es von der Robert Bosch Stiftung. Das Modellprojekt vermittelte deshalb Wissen über rechtsextreme Jugendkultur etwa, aber auch ganz individuelle Strategien, wie man rechtsextremen und anderen antidemokratischen Äußerungen begegnen kann.
Einige Schulen hätten auch schon Handlungsstrategien entwickelt, so Projektleiter Dannemann. Hausordnungen seien angepasst oder Konfliktlöseteams gegründet worden. "Konfliktlöseteams sind für uns das i-Tüpfelchen, was rauskommen könnte", so Dannemann - eine Plattform an der Schule, die kollegiale Erfahrungen und Ratschläge sammelt und weitergibt und Lehrkräfte untereinander, aber auch mit externen Experten vernetzt.
Anfeindungen nach Warnung vor Rechtsextremismus
Wie schlimm es für Lehrerinnen und Lehrer werden kann, wenn sie sich gegen Rassismus und rechtsextreme Hetze stemmen, zeigte dieses Frühjahr der Fall einer Oberschule in Burg im Spreewald. Die Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel hatten, nachdem sie intern gewarnt, aber nichts erreicht hatten, in einem öffentlichen Brief auf die Zustände an ihrer Schule aufmerksam gemacht: Schüler, die den Hitlergruß zeigten, Hakenkreuze auf Schultischen, rechtsextreme, rassistische und homophobe Sprüche.
Nach dem Brief erlebten die beiden massive Anfeindungen. "´pisst Euch nach Berlin", hieß unter einem Foto der beiden auf Aufklebern im gesamten Ort. Auf Instagram wurde sogar zur Jagd auf die beiden aufgerufen. Nickel und Teske haben ihre Schule und Burg im Sommer verlassen.
2024 soll es weitergehen
Julia Maaß vom Oberstufenzentrum in Ludwigsfelde hat viel mitgenommen aus dem Modellprojekt "Starke Lehrer - starke Schüler". Es habe gut getan, zu hören, vor welchen Schwierigkeiten die anderen stehen und wie sie damit umgehen. Ein Oberstufenzentrum habe zum Beispiel schon vor langem ein Kriseninterventionsteam eingerichtet, erzählt die junge Bio- und Politiklehrerin aus Ludwigsfelde.
Mit dem Modellprojekt soll nun aber nicht alles vorbei sein. Es habe gezeigt, dass gegen antidemokratische Tendenzen nachhaltige Angebote und eine "schulinterne strukturelle Verankerung notwendig" seien, sagt Projektleiter Udo Dannemann. Ab 2024 soll es eine Fachstelle geben, die für alle Schulformen im ganzen Land ansprechbar sein soll. Das Ziel: Kontakt zu entsprechenden Experten-Organisationen herstellen, wie der Fachstelle Antisemitismus Brandenburg etwa. Auch die Fortbildung der Lehrkräfte soll weitergehen. Das Bildungsministerium sichert dafür finanzielle Unterstützung zu.