Gesetzentwurf Weniger Haft für nicht gezahlte Geldstrafen
Wer eine Geldstrafe nicht bezahlt, muss dafür in Haft: Viele finden diese sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe ungerecht. Die Ampelkoalition will die Regeln deshalb reformieren. Was hat es mit dem Gesetzentwurf auf sich?
Die Ausgangslage
Wenn verurteilte Straftäter eine Geldstrafe nicht zahlen und das Geld auch nicht eingetrieben werden kann, sieht das Strafgesetzbuch eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe vor. Allerdings gibt es daran Kritik. Denn die Gefängnisaufenthalte kosten den Staat viel Geld. Vor allem aber empfinden viele die Ersatzfreiheitsstrafe als sozial ungerecht, weil sie in erster Linie ärmere Menschen treffe. Deshalb will die Ampelkoalition das sogenannte Sanktionenrecht des Strafgesetzbuchs überarbeiten. Heute wird der Gesetzentwurf dazu zum ersten Mal im Bundestag besprochen.
Wie funktioniert die Ersatzfreiheitsstrafe?
Geldstrafen werden immer in Tagessätzen ausgesprochen. Für jeden Tag nicht gezahlte Geldstrafe muss ein Täter ersatzweise einen Tag ins Gefängnis. Ist er also zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden und zahlt nicht, muss er 30 Tage in Haft.
Um welche Geldstrafen geht es?
Bei vielen Straftaten sieht das Strafgesetzbuch die Geldstrafe als eine mögliche Sanktion vor. Sie ist bei einer Verurteilung im Gegensatz zur Haftstrafe die mildere Strafe und wird in Tagessätzen ausgeurteilt. Das Gesetz sieht eine Spanne zwischen fünf und 360 Tagessätzen vor, je nach Schwere der Schuld.
Vor allem kurze Freiheitsstrafen sollen verhindert werden, wenn auch eine Geldstrafe in Betracht kommt. Die Geldstrafe ist auch deshalb die am häufigsten ausgesprochene Sanktion an deutschen Strafgerichten. 2020 zum Beispiel lauteten 86 Prozent aller Strafurteile auf Geldstrafe.
Die Höhe des Tagessatzes einer Geldstrafe hat nichts mit der Schuld zu tun. Sie richtet sich rein nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Täter. Dabei wird in der Regel das jeweilige Netto-Einkommen nach gewissen Abzügen durch dreißig geteilt, um einen Tagessatz zu errechnen. Ein Beispiel: Zwei Täter bekommen beide eine schuldangemessene Strafe von 60 Tagessätzen. Dann sind sie beide zu der gleichen Strafe verurteilt worden, auch wenn der eine mit einem Netto-Einkommen von 900 Euro im Monat 1800 Euro zahlen muss (60 mal 30 Euro), und der andere mit einem Nettoeinkommen von 3000 Euro im Monat am Ende 6000 Euro (60 mal 100 Euro) zahlen muss. Die Strafe trifft beide gleich schwer.
Wo liegt das Problem bei der Ersatzfreiheitsstrafe?
Die Ersatzfreiheitsstrafe wird seit Langem von vielen als ungerecht empfunden. Das Gericht ist im Urteil ja gerade zu der Auffassung gekommen, dass eine Geldstrafe schuldangemessen ist - es hat sich also bewusst gegen eine Haftstrafe entschieden. In der meist kurzen Zeit im Gefängnis sei es zudem nicht möglich, die Täter zu resozialisieren: Die Möglichkeiten der Resozialisierung im Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe seien beschränkt, heißt es im Gesetzentwurf. Deshalb möchte das Gesetz gerade kurze Freiheitsstrafen vermeiden.
Die Geldstrafe treffe darüber hinaus vor allem oft Menschen, die schlicht kein Geld hätten, sie sei also auch sozial ungerecht, so die Kritiker. Wer zum Beispiel eine Geldstrafe bekommt, weil er kleine Diebstähle begeht oder beim Fahren ohne Fahrschein erwischt wird, hat vielleicht auch kein Geld, um die Geldstrafe zu bezahlen. Solche Täter würden dann häufig durch die Ersatzfreiheitstrafe auch noch die Wohnung und den Gelegenheitsjob verlieren und dadurch in eine Art Teufelskreislauf geraten, der dazu führe, dass sie immer wieder diese Art von Straftaten begingen.
Außerdem kostet die Ersatzfreiheitsstrafe den Staat viel Geld. 4326 Personen saßen in den Jahren von 2011 bis 2019 im Durchschnitt jeden Tag im Gefängnis, nur weil sie ihre Geldstrafe nicht zahlen konnten. Ein Tag im Gefängnis kostet den Staat etwa 120 Euro.
Was spricht für die Ersatzfreiheitsstrafe?
Andere argumentieren, die Ersatzfreiheitsstrafe sei als Druckmittel besonders wichtig. Ohne sie würden noch mehr verurteilte Straftäter ihre Geldstrafe nicht zahlen und auch dafür sorgen, dass diese nicht vollstreckt werden kann. Dadurch würden einige Täter am Ende ohne Sanktion davonkommen, obwohl sie rechtskräftig wegen Straftaten verurteilt wurden. Die Strafe würde dann ihren Zweck, Menschen von Straftaten abzuhalten, verfehlen.
Außerdem gebe es schon jetzt viele Möglichkeiten, die Ersatzfreiheitsstrafe anderweitig abzuwenden. So könne man für die Geldstrafe kleine Ratenzahlungen vereinbaren oder sie mit gemeinnütziger Arbeit abarbeiten. Die Höhe der Geldstrafe richte sich zudem gerade nach dem Einkommen des Täters, sodass sie nicht sozial ungerecht sei.
Welche Lösung sieht der Gesetzentwurf vor?
Der aktuelle Gesetzentwurf will die Ersatzfreiheitsstrafe nicht komplett abschaffen. Er sieht vor, dass es künftig für zwei Tage Geldstrafe nur noch einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe gibt.
Was soll noch im Sanktionenrecht geändert werden?
Der Gesetzentwurf sieht noch eine Reihe weiterer Änderungen vor. So sollen zum Beispiel "geschlechtsspezifische" oder "gegen die sexuelle Orientierung gerichtete" Tatmotive als Beispiele für menschenverachtende Beweggründe im Strafgesetzbuch aufgeführt werden, damit sie bei der Strafzumessung der Gerichte, also der Frage, wie hoch eine Strafe ist, eine größere Rolle spielen.
Auch heute können solche Motive schon negativ ins Gewicht fallen. Nach der Auffassung der Ampelkoalition sei das aber noch zu selten der Fall, deshalb sei die Klarstellung wichtig. Besonders, weil die Straftaten, die durch das Geschlecht des Opfers oder dessen sexuelle Orientierung motiviert seien, also zum Beispiel Partnerschaftsgewalt, aber auch Hasskriminalität, in Deutschland eine zunehmende Rolle spielen würden.