Kampf gegen Hitze Hotspot Stadt
Die zunehmende Hitze ist ein Problem. Bundesgesundheitsminister Lauterbach will heute einen nationalen Hitzeschutzplan vorstellen. Wenn Städte lebenswert bleiben sollen, müssen aber auch Stadtplaner umdenken.
Speyer zählt zu den heißesten Städten in Deutschland. Echte Hotspots sind vor allem Bereiche der Innenstadt. Schon vor einigen Jahren hat sich die Stadt daher zum Ziel gesetzt, mit einem Klimaschutzkonzept zum Abmildern des Klimawandels beizutragen.
Aber auch kurzfristig muss die Stadt für Abkühlung sorgen. Darum soll mehr Grün und Schatten geschaffen werden, zum Beispiel mit einem so genannten "mobilen grünen Zimmer". Das ist ein Anhänger mit begrünten Wänden, der an wechselnden Orten in der Innenstadt aufgestellt wird. Außerdem hat die Stadtverwaltung in der City an mehreren Plätzen neue Sitzgelegenheiten geschaffen, teils unter Bäumen oder Sonnenschirmen.
"So werden kleine Oasen zur Abkühlung geboten. Zudem haben wir Tipps für den Umgang mit Hitze veröffentlicht", sagt die Klimaschutzmanagerin der Stadt, Katrin Berlinghoff. Trinkwasserspender gibt es schon seit längerem in Speyer. Außerdem verweist die Stadt auf kostenfreie Badeseen am Stadtrand.
Das "mobile grüne Zimmer" soll in Speyer Abkühlung bringen.
Bebaute Flächen speichern Wärme
Dass gerade in Städten hohe Temperaturen zur Belastung werden, liegt an fehlenden Kühlungseffekten. Bebaute Flächen und Fassaden speichern Wärme, es gibt zu wenig Grün und zu wenig Wasser, es entstehen Hitzeinseln. Ein aktuelles Diskussionspapier des Deutschen Städtetags verweist auf Temperaturunterschiede zwischen Innenstädten und Umland von mehr als zehn Grad Celsius an heißen Tagen.
Um die Stadt Speyer gegen Hitze, aber auch Starkregen künftig besser zu rüsten, müssen Stadtklimasimulationen und Gefahrenkarten erstellt werden. Erforderliche Anpassungsmaßnahmen festzulegen sei ein umfangreicher Prozess, der Stück für Stück angegangen werde, erklärt die Stadtverwaltung. Die Stadt will nach eigenen Angaben auch Flächen entsiegeln. Dafür müssten aber zunächst Stellen identifiziert werden, die dafür in Frage kämen.
Schutz und Verhaltenstipps
In Leipzig arbeiten die Verantwortlichen der Stadt aktuell an einem Hitzeaktionsplan. Dabei geht es um den Schutz und Verhaltenstipps für ältere Menschen, Kranke und Kleinkinder. Außerdem hat die Stadt ein Straßenbaumkonzept, das das Pflanzen von 1000 zusätzlichen Bäumen jedes Jahr vorsieht. Für Dach- und Fassadenbegrünungen gibt es städtische Förderprogramme.
Ganz aktuell plant die Leipziger Stadtverwaltung, eine Karte online zu stellen, die auf kühle Orte im Stadtgebiet verweist, wie Einkaufszentren oder Bibliotheken mit Klimaanlage. Auch bislang abgeschlossene Kirchen sollen zur Abkühlung nutzbar gemacht werden, so lautet zumindest der Plan.
Zusätzliche Bäume sollen in Leipzig die Stadt kühler halten.
Auch wenn viele Kommunen sich bereits mit Fragen des Hitzeschutzes befassen, sieht der Städtetag sie vor großen Herausforderungen: "In die versiegelte und autogerechte Stadt der 1970er-Jahre passten keine breiten Grünstreifen, Baumgruppen oder kleine Wasserläufe", sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.
Die Städte zu klimagerechten Orten umzugestalten, werde nicht von heute auf morgen gelingen, sagt Dedy. "Das ist ein längerer Prozess, der vor Ort auch Konflikte auslösen kann. Wenn Parkplätze Grünanlagen weichen müssen, finden das nicht immer alle gut."
Mehr Grünflächen, Wasserspiele und Schatten
Die Anpassung der Städte an die zunehmende Hitze werde sicherlich dauern, betont auch Jens Hasse vom Deutschen Institut für Urbanistik, aber sie müssten ihre Anstrengungen noch deutlich verstärken. Der Wissenschaftler beschäftigt sich mit Klimaanpassung und Hitzeschutz, er und sein Team beraten Kommunen. "Immer, wenn neu gebaut wird oder Quartiere saniert werden, müssen Chancen ergriffen werden", sagt Hasse. "Nur wenn Städte kühl bleiben, bleiben sie attraktiv."
Dafür brauche es nicht nur mehr Grünflächen sowie mehr Dach- und Fassadenbegrünung in den Innenstädten, sondern auch beispielsweise mehr Wasserspiele, Teiche oder künstliche Bachläufe. "Mit Wasser kann man Verdunstungskühle erzeugen und somit Kühlungspunkte für die Bevölkerung."
Außerdem brauche es zusätzliche Verschattungselemente im öffentlichen Raum, zum Beispiel Sonnensegel, die über Straßen oder Plätze gespannt werden. Auch das Aufstellen von Pflanzenkübeln mit großen Büschen und Sträuchern kann sich Hasse für den Übergang vorstellen. "Wir müssen einfach alles im Bestand tun, damit sich Städte weniger aufheizen und attraktiv bleiben", so Hasse.
Weniger dunkle Materialien
In der Vergangenheit hätten viele Städte längst nicht alles richtig gemacht, kritisiert der Experte vom Institut für Urbanistik: "Überall dort, wo neu gebaut wurde und nicht ausreichend Grün geschaffen wurde, sind Chancen vertan worden." Das habe mit Zielkonflikten zu tun - zwischen einerseits der Vorgabe, im Stadtgebiet nachzuverdichten und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, und andererseits der Notwendigkeit, etwas für den Hitzeschutz zu tun. Hier müssten künftig in Bebauungsplänen nicht nur konkretere Vorgaben formuliert, sondern tatsächlich umgesetzt werden, sagt Hasse.
Beim Bauen selbst müsse man von dunklen Materialien und solchen, die Wärme lange speichern, wie dickem Naturstein, schwarzen Ziegeln, schwarzem Asphalt, wegkommen. "Das heißt im Umkehrschluss: Es braucht helle Farben, helle Materialien und Materialien, die nicht wie verspiegelte Glasfassaden stark zurückstrahlen und den öffentlichen Raum aufheizen", betont Hasse. Das müssten Architekten und Bauherren stärker beachten und Kommunen konsequent in ihre Bauherrenberatung einbringen.
Gemeinschaftsanstrengung und Daueraufgabe
Die Kosten, die Kommunen im Zusammenhang mit Hitzeschutz entstehen werden, kann der Städtetag nicht beziffern. Für Geschäftsführer Dedy aber steht fest: Hitzeschutz bedürfe einer Gemeinschaftsanstrengung und sei eine Daueraufgabe. Die Städte bräuchten eine langfristige Perspektive und Planungssicherheit: "Die personelle und finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern über Förderprogramme darf nicht zum Ende einer Legislatur auslaufen."
Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach einen nationalen Hitzeschutzplan entwickeln und laut Medienberichten morgen vorstellen will, hält der Städtetag für richtig: "Ein nationaler Hitzeaktionsplan kann einen sinnvollen Rahmen geben und ein übergreifendes und koordiniertes Vorgehen beim Thema Hitzevorsorge sicherstellen." Lauterbachs Plan sieht unter anderem Schutzmaßnahmen wie Kälteräume, Hitzepläne für Krankenhäuser und Kontrollanrufe bei älteren Menschen vor.