Anklage wegen Straßenblockade Aktivist und Jesuitenpater
Seine Themen sind Klimawandel, Armut und Lebensmittelverschwendung. Er schrieb ein Buch über die "Letzte Generation" und steht nun vor Gericht - wegen einer Straßenblockade. Wer ist der Ordenspriester Jörg Alt?
Mit dem Megafon in der Hand hält Jesuitenpater Jörg Alt am 28. Oktober 2022 auf einer Fahrbahn am Münchener Karlsplatz eine Rede und richtet den Lautsprecher immer wieder in Richtung bayerisches Justizministerium. Ob seine Botschaft dort ankommt, darf bezweifelt werden. Jörg Alt ist gekommen, um zu unterstützen und zu blockieren.
Unterstützen will er die Gruppe "Scientist Rebellion", die auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam macht. Blockieren will er die vierspurige Straße, um den Verkehr zu stoppen und auch ihnen seine Message zu überbringen: "Jesuiten aus dem Globalen Süden alarmieren uns seit Jahren, dass die Klimakatastrophe dort bereits in vollem Gang ist, Menschen sterben, leiden und heimatlos werden. Diese Entwicklungen werden mit 99,9-prozentiger Sicherheit dramatisch zunehmen."
Protest als strafbare Nötigung
Jörg Alt ist 61 Jahre alt und wohnt in Nürnberg. Als Migrationssoziologe und Priester hält er es für seine Pflicht, auf das aufmerksam zu machen, was er als "Katastrophen unvorstellbaren Ausmaßes" bezeichnet. "Wir blockieren Straßen, weil uns die politischen Blockaden beim Klimaschutz dazu nötigen", dröhnt seine mahnende Stimme aus dem Megafon.
Kurz darauf setzen sich Alt und einige Mitstreiter auf die vierspurige Fahrbahn des Altstadtrings, dicht vor die zum Halten gezwungenen Autos. Keiner kommt mehr an ihnen vorbei, zumindest in Richtung Süden ist alles dicht, ein Stau bildet sich.
Die Staatsanwaltschaft München beschuldigt den Pater, Menschen rechtswidrig mit Gewalt zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt zu haben. Das nennt man Nötigung und diese ist strafbar.
"Wir müssen ins Handeln kommen"
Als die Polizei die Blockade nach 50 Minuten auflösen möchte, greift Alt zum Klebstoff. Kurz darauf klebt seine linke Hand auf der Fahrbahn. Aktionen wie diese seien "alternativlos", sagt Alt, denn es sei ihm mit herkömmlichen Mitteln nicht gelungen, Wissen um Handlungsnotwendigkeit und Dringlichkeit in Gesellschaft und Politik zu verankern. "Wir müssen ins Handeln kommen", überschreibt er auch den Begrüßungstext auf seiner persönlichen Website.
"Widerstand" heißt das Buch, das er über die "Letzte Generation" verfasst hat. Allerdings: Friedlich und gewaltfrei müssen alle Aktionen bleiben, an denen er sich beteiligt. Trotzdem sollen, ja müssen sie in seinen Augen Aufmerksamkeit erregen, denn zu lange habe niemand zugehört. Als "alternativlos" bezeichnet der Jesuitenpater seine Teilnahme an angekündigten und friedlichen, aber nicht ignorierbaren Aktionen zivilen Ungehorsams und Widerstands. Auch die Stachusblockade in München sei moralisch geboten und gerechtfertigt gewesen, schreibt er kurz vor Prozessbeginn den Medien.
Selbstanzeige wegen Containerns
Dieses Leitmotiv mag Jörg Alt auch zu seiner ersten Aktion zivilen Ungehorsams getrieben haben. Am 21. Dezember 2021 fischt er noch brauchbare Lebensmittel aus Mülltonnen vor Supermärkten. Dieses "Containern" ist nicht erlaubt - wer sich am Abfall bedient, macht sich bislang strafbar. Alt wird nicht erwischt, zeigt sich aber selbst an. Im Brief der Staatsanwaltschaft wird ihm "besonders schwerer Diebstahl" vorgeworfen, strafbar nach Paragraf 243 StGB. Mit mindestens drei Monaten Gefängnis muss der Ordenspriester rechnen.
Doch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth lässt das Verfahren einstellen. Die Begründung: Es bestehe kein öffentliches Interesse an dem Fall. "Eine politische Entscheidung, um den hochnotpeinlichen Fall loszuwerden", ist sich Alt sicher.
Noch mehr Aufmerksamkeit im Falle einer Verurteilung
In München am 28. Oktober 2022 will man ihn auch loswerden, zumindest von der Fahrbahn. Er wird davongetragen und in Gewahrsam genommen, nachdem seine Hand mit viel Schaum von der Fahrbahn gelöst wurde. Heute muss er sich gemeinsam mit der Wissenschaftlerin Dr. Cornelia Huth und dem Studenten Luca Thomas, beide kommen wie er aus Franken, vor dem Münchner Amtsgericht verantworten.
Eine Verurteilung wird man sich dort gut überlegen. Denn ein Jesuitenpater im Gefängnis, wo er ja auch eine Geldstrafe absitzen könnte, würde viel Aufmerksamkeit für Alt und die "Scientist Rebellion" bedeuten - und die gönnt dem unbequemen Mann mit dem römischen Kragen nicht jeder.