Repräsentative Umfrage Warum sich junge Menschen öfter krankmelden
Eine Studie zeigt: Altersgruppen gehen mit Krankmeldungen unterschiedlich um. Das Thema mentale Gesundheit spielt dabei eine große Rolle. Vorurteile gegenüber Generation Z bestätigt das aber nur bedingt.
Nicht mehr belastbar und ständig krank, so lauten Vorwürfe gegenüber jungen Menschen unter 30. Doch stimmt das? Auf den ersten Blick könnte man das meinen, sagt Wirtschaftspsychologin Patrizia Thamm.
"Die Generation der 18- bis 29-Jährigen wächst in volatilen Zeiten, sozusagen im Dauerkrisenmodus auf", sagt Thamm, die auch Referentin bei der Krankenkasse Pronova BKK ist. "Allen voran hat die Corona-Pandemie uns alle, aber auch diese junge Generation gelehrt, dass sich Lebensbedingungen schlagartig ändern können und es keine Garantie für dauerhafte Sicherheit und Stabilität gibt."
Die Pronova BKK hat dazu eine repräsentative Umfrage erstellt, um herauszufinden, wie Generationen mit Belastung und Krankheiten umgehen.
Bewusst im Hier und Jetzt
"Weil sie ihre Zukunft nicht sorgenfrei empfindet, lebt die junge Generation viel bewusster im Hier und Jetzt", sagt dazu Wirtschaftspsychologin Patrizia Thamm. Die junge Generation fordere mehr Raum für ihre Gesundheit ein als ältere Generationen, achte stärker auf ihre mentale Balance und sie hege direkt zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn Erwartungen wie eine gute Work-Life-Balance.
"Tendenziell haben die Älteren früher mehr hingenommen, als es die Jüngeren heute bereit sind zu tun. Es war üblicher, ungesunde Arbeitsbedingungen zu ertragen als auch Entscheidungen und Prozesse weniger infrage zu stellen", sagt die Wirtschaftspsychologin. Auch die BKK-Umfrage ergibt: Sechs von zehn Befragten melden sich trotz Arbeitsfähigkeit krank.
Krankmeldung trotz Arbeitsfähigkeit
Dabei verdächtigen die befragten Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer besonders häufig die Generation Z: Drei Viertel vermuten, die 18- bis 29-Jährigen melden sich krank, obwohl sie fit wären. Der Babyboomer-Generation ab 59 Jahren bescheinigen 28 Prozent der Befragten, dies nie zu tun. Je jünger, desto eher werde ihnen nachgesagt, auch gesund manchmal die Krankmeldung einzureichen.
Auch Zahlen der Techniker Krankenkasse könnten diesen Eindruck auf den ersten Blick bestätigen. Demnach hätten sich junge Menschen in 2022 im Schnitt dreimal krankgemeldet für einige Tage, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 50 nur 1,57-mal.
Doch blickt man nicht auf die Anzahl der Krankmeldungen sondern auf die Tage, die die Menschen ausfallen, zeigt sich ein spannendes Bild: Laut der Techniker Krankenkasse fehlen die Menschen unter 25 im Schnitt 16 Tage im Jahr. Die Menschen, die älter als 50 sind, haben sich durchschnittlich im Jahr für 23 Tage krankgemeldet.
Mentale Gesundheit ist wichtig
Alexander Spermann ist Arbeitsmarktforscher und Volkswirt. "Es ist ein Trend, den wir sehen, dass eine junge Generation sich vermehrt um die Gesundheit bemüht", sagt Alexander Spermann. "Das Thema mentale Gesundheit spielt bei den Menschen unter 30 eine große Rolle."
Auch wenn wir in einer Zeit nach Corona leben würden, seien die Folgewirkungen auf dem Arbeitsmarkt sehr präsent. "Das sieht man bei Studierenden aber auch bei der Generation, die in der Zeit von Corona auf den Arbeitsmarkt kam. Die waren zwei Jahre im Homeoffice und das bleibt nicht folgenlos." Die Generation der Babyboomer sei in ihrer Karriere weiter fortgeschritten und gehe mit Krankheit und psychischer Belastung einfach anders um.
Keine fehlende Leistungsbereitschaft
"Das hat aber nichts mit fehlender Leistungsbereitschaft zu tun. Das sind objektive Folgen für die jungen Menschen", sagt der Arbeitsmarktforscher. Wenn die junge Generation Arbeitsmodelle verlangt und erwirkt, eine bessere Balance zwischen Arbeit und Freiheit zu erreichen, hätten alle etwas davon.
Spermann hat sich ausführlich mit der Vier-Tage-Woche beschäftigt. "Auch bei dem Blick auf die Vier-Tage-Woche haben wir deutlich weniger Krankenstände. Da gibt es am Ende weniger Kosten für Arbeitgeber", sagt Spermann. "Das führt zu einer gesünderen und motivierten Belegschaft."
Mentale Gesundheit mehr in den Fokus rücken
In Sachen Präsentismus, also Arbeiten trotz Erkrankung, findet offenbar in allen Altersgruppen ein Umdenken statt: Laut der Umfrage der Pronova BKK gehen heute deutlich weniger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit leichten Infekten zur Arbeit als vor Corona. Während dies 2018 noch 50 Prozent gemacht haben, waren es 2023 nur 34 Prozent.
Ein guter Trend, sagt Patrizia Thamm. "Es ist erkennbar, dass sich die junge Generation durch ein sensibleres Frühwarnsystem für die eigenen Bedürfnisse auszeichnet", sagt die Psychologin. "Sie schreibt also ihrer Selbstfürsorge und eigenen Gesundheit eine hohe Priorität zu und zieht nicht um jeden Preis das Arbeitspensum durch, wenn sie gesundheitlich angeschlagen ist."
Die Generation Z reagiere achtsamer und reflektierter auf Arbeitsbedingungen, die nicht mit der Erhaltung ihrer Gesundheit vereinbar sind. Das sei auch richtig, damit die Gefahr für psychische Probleme minimiert wird. Sie fordert von Unternehmen und Führungskräften in Deutschland, betriebliches Gesundheitsmanagement und mentale Gesundheit mehr in den Fokus zu rücken. Egal ob für junge oder ältere Arbeitnehmer.