Ein Jahr danach Die Polizistenmorde von Kusel wirken nach
Bei einer Verkehrskontrolle bei Kusel in Rheinland-Pfalz wurden vor einem Jahr zwei junge Polizisten ermordet. Die Tat wirkt bis heute nach. Hätte sie verhindert werden können? Vermutlich nicht.
Es ist der 31. Januar 2022 - eine kalte, neblige Nacht auf der Kreisstraße 22 nahe Kusel in Rheinland-Pfalz. Der damals 29-jährige Polizeioberkommissar Alexander K. und die 24-jährige Polizeianwärterin Yasmin B. sind auf einer Routinestreife. Es sollte ihre letzte Fahrzeugkontrolle sein. Sie wurden kaltblütig getötet - mit Kopfschüssen regelrecht hingerichtet, wie es der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung Ende November schilderte. Der Täter, Andreas S., habe damit unter anderem seine gewerbsmäßige Jagdwilderei verdecken wollen, so das Gericht.
Die psychischen Folgen wirken bei Kollegen und Nahestehenden bis heute nach. Seit der Tatnacht vor einem Jahr haben das Kriseninterventionsteam der Polizei und zahlreiche Psychologen und Seelsorger den Betroffenen zur Seite gestanden. Das Angebot werde noch immer von Ermittlern, den Beamten der Polizei in Kusel und den Studierenden der Hochschule der Polizei genutzt, sagt Sabrina Kunz von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Rheinland-Pfalz. "Posttraumatische Belastungsstörungen sind gesundheitsgefährdend. Meistens treten sie erst Jahre später auf", sagt Kunz. Es sei wichtig, sich in einem "Schonraum" offen über Gefühle auszutauschen und Sorgen, Nöte und Ängste anzusprechen. "Das wird uns noch viele Jahrzehnte beschäftigen."
Die Ausbildung abbrechen?
In der Studiengruppe der getöteten Yasmin B. habe direkt nach der Tat der eine oder andere Kollege mit dem Gedanken gespielt, die Ausbildung abzubrechen, sagt René Vroomen von der Jungen Gruppe der Gewerkschaft der Polizei in Rheinland-Pfalz. Es seien nicht nur einmal Fragen gestellt worden, wie zum Beispiel: "Will ich mich diesem Risiko aussetzen und wie Yasmin in Ausübung dieses wichtigen Berufs mein Leben verlieren?"
Seit dem 31. Januar 2022 gehen Polizisten deshalb deutlich sensibler an eine vermeintlich ungefährliche Verkehrskontrolle heran, wie Vroomen schildert. Das werde auch in der Ausbildung viel trainiert. Hätte die Tat durch eine andere Ausbildung oder bessere Ausstattung verhindert werden können?
Vermutlich nicht. Zu dieser Einschätzung kommen die Hochschule der Polizei, die GdP und auch das rheinland-pfälzische Innenministerium unisono. Gegen eine "Hinrichtung" wie vor einem Jahr hätte auch die beste Schutzausstattung und eine Spezialausbildung wohl nicht schützen können. Dennoch sei es wichtig, die Sicherheitsausrüstung der Polizeibeamten regelmäßig zu kontrollieren und auf dem aktuellen Stand zu halten, sagt Landesinnenminister Michael Ebling. Hierzu zählten auch Bodycams, Waffen und Schutzwesten.
Training von nächtlichen Verkehrskontrollen
Um Polizeibeamte auf ihren Alltag auf Streife bis hin zu lebensbedrohlichen Einsatzlagen vorzubereiten, werden sie im Schieß- und Einsatztrainingszentrum der Hochschule der Polizei in Rheinland-Pfalz regelmäßig trainiert. Ziel sei es, die Kollegen so gut wie möglich auf gefährliche Einsätze vorzubereiten, sie "stressresistent" zu machen, sagt der Leiter des Trainingszentrums Michael Schneider. Doch Gewalt unter Realbedingungen wie in der Tatnacht bei Kusel zu trainieren, sei schlichtweg unmöglich.
Die Hochschule der Polizei habe nach dem Tod ihrer beiden jungen Kollegen aber einige Ausbildungsinhalte auf den Prüfstand gestellt. Es habe auch die Bitte von jungen Anwärtern gegeben, gerade Kontrollen bei Nacht, in ländlichen Bereichen oder im Wald zu trainieren. So wurden innerhalb des vergangenen Jahres vermehrt Verkehrs- und Personenkontrollen bei ungünstigen Lichtverhältnissen ins Ausbildungsangebot aufgenommen.
Anfeindungen und mangelnder Respekt
Auch verbale Deeskalation üben die Polizistinnen und Polizisten regelmäßig. Gerade der Umgang mit den Beamten sei in den vergangenen Jahren schlimmer geworden, sagt Sabrina Kunz von der GdP. Das sieht auch René Vroomen von der Jungen Gruppe so. Ihm sei im Dienst etwa ins Gesicht gespuckt worden, erzählt er. Solche Demütigungen - "das macht was mit einem".
Es brauche insgesamt in der Gesellschaft mehr Respekt vor dem Gewaltmonopol, fordert Gewerkschafterin Kunz. Der Rechtsstaat habe sich als schwach präsentiert: Personal sei knapp, Dienstgebäude veraltet. "Dass dies dann dazu führt, dass Menschen den Respekt vor dem Staat, vor staatlichen Amtsträgerinnen und Amtsträgern, Rettenden und Helfenden verlieren, solange sie sie selbst nicht benötigen, wundert nicht." Das seien Probleme unabhängig von den Polizistenmorden bei Kusel. Der Vorfall vor einem Jahr werde der Polizei allerdings noch sehr lange im Gedächtnis bleiben. "Dieses Ereignis ist unser Geschichtsbuch geschrieben", sagt sie.