Long Covid Wenn Corona nicht wieder aufhört
Viele Betroffene von Spätfolgen einer Covid-Erkrankung sind nach wie vor auf sich allein gestellt. Eine sichere Therapie gibt es noch nicht. In einer Hamburger Spezial-Ambulanz wird es versucht.
Der Husten blieb. Tage, Wochen, Monate nach der Infektion. Dann wurde er schlimmer. Sabrina Harbig erzählt, dass sie nachts vom Schmerz beim Atmen wach wurde. Alles war auf einmal zu anstrengend, sogar das Einkaufen im benachbarten Supermarkt. Für die 37-Jährige, die sonst regelmäßig joggen geht und Hockey spielt, ist das eine völlig neue Erfahrung. Seit letztem Oktober streikt ihr Körper.
Nun sitzt Harbig auf einer Arztliege. Der Internist Benjamin Krause misst, wie sich ihre Lungenfunktion entwickelt hat. Seine Praxis gehört zum sogenannten Covid-Kompetenzteam in Hamburg, einem Netzwerk von Therapeuten und Fachärzten verschiedener Disziplinen, das sich auf Long und Post Covid spezialisiert hat und die Patienten gemeinsam behandelt. Vielen, die hier in Therapie sind, geht es wie Harbig. Sie fühlen sich, als sei ihnen sprichwörtlich der Stecker gezogen worden.
Unterschiedlichste Krankheitszeichen
Häufige Symptome von Long Covid, schildert der Arzt, seien Konzentrationsstörungen, Erschöpfung und bleierne Müdigkeit. Außerdem Herzrasen, Schmerzen und Luftnot. In schweren Fällen erkranken Betroffene an ME/CFS, dem Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronischen Fatigue-Syndrom. Die Erschöpfungskrankheit kann durch Corona- und andere Virusinfektionen ausgelöst werden. Die genauen Ursachen sind noch nicht erforscht.
Was die Diagnose von Covid-Langzeitfolgen schwierig macht, da sind sich Mediziner einig, ist die Vielfalt der Symptome. "Es handelt sich um ein komplexes Krankheitsbild, das nicht schnell mit einem Laborwert diagnostiziert werden kann", betont auch der Internist Krause. Dafür brauche es Zeit. Hinzu komme, dass die Krankenkassen bislang nur einen Teil der Behandlungskosten übernähmen. Die Therapie belaste die Patienten also auch finanziell.
Long-Covid-Patientin Sabrina Harbig
Betroffene benötigen medizinische Versorgung
Etwa jeder zehnte Corona-Infizierte erkrankt Studien zufolge an Long Covid. Das bedeutet, dass Hunderttausende in Deutschland derzeit Zugang zu einer Behandlung brauchen. Noch ist dieser nicht gesichert, denn es gibt bundesweit zu wenige Long Covid-Ambulanzen.
Betroffeneninitiativen haben eine Liste im Internet zusammengestellt. Sie fordern eine bessere medizinische Versorgung. Rheinland-Pfalz etwa besitzt derzeit nur eine einzige Anlaufstelle in Koblenz, im Sommer sollen weitere hinzukommen.
Die wenigen vorhandenen Spezial-Ambulanzen sind in vielen Städten überlaufen. Wer Hilfe braucht, muss auch in Hamburg mehrere Monate auf einen Termin warten - und ist bis dahin auf sich allein gestellt.
Bundestag berät
Wie den Betroffenen besser geholfen werden kann, damit beschäftigen sich heute erneut die Abgeordneten des Bundestages. Auf der Tagesordnung steht ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, der unter anderem einen flächendeckenden Ausbau der interdisziplinären Long-Covid-Ambulanzen wie in Hamburg und eine zentrale Koordinierungsstelle vorsieht. Diese solle sich auch um Schäden durch die Corona-Impfung, wie das Post-Vac-Syndrom kümmern.
Sabrina Harbig in Hamburg ist auf einem guten Weg. Die gezielte Behandlung ihrer Symptome - Luftnot, Erschöpfung und Schmerzen -, die im Winter begonnen hat, hilft ihr. Mit einer Physiotherapie stärkt sie ihren Oberkörper, eine Schmerz- und Atemtherapie sowie ein Cortison-Spray entlasten ihre Atmung. Ihr Husten geht zurück. In diesem Sommer könnte sie die Krankheit endlich los sein - das hofft sie zumindest.