Ehrung der Altkanzlerin Höchster Orden für Merkel
Altbundeskanzlerin Angela Merkel wird heute mit der höchstmöglichen Auszeichnung Deutschlands geehrt. Ein Blick zurück auf ihre Verdienste und das, was sie von vielen Politikern unterschied.
Gut möglich, dass Angela Merkel den Verdienstorden mit diesen Worten entgegennehmen wird: "Das ist eine echte Freude und Überraschung." Das ist vor allem typische Merkel-Euphorie. Mehr geht nicht - jedenfalls nicht öffentlich. Freude, Wut, Empörung - jede Art von Gefühlsausbruch ist ihr fremd.
16 Jahre hat sie so unprätentiös wie möglich die Republik regiert. Das darf man durchaus als Verdienst ansehen. Nichts lag ihr ferner als Pomp und Glamour. Merkel sei anders gewesen als alle Kanzler vor ihr, meint Gregor Gysi, der sie schon lange kennt. "Sie ist materiell überhaupt nicht interessiert, das ist selten. Das ist bei Männern in der Regel anders."
Apropos Männer: Dass Merkel die erste Frau im Kanzleramt war, ist auch eine Art Verdienst. Sie dient - auch wenn sie das bestimmt nie wollte - als Role-Modell. "Das, was Männer können, kann sie auch, auch als ostdeutsche Frau, was auch nicht unwichtig ist", so Gysi.
Wenig Visionäres in 16 Jahren Kanzlerschaft
Eine Ostdeutsche im Kanzleramt - auch das ist ein Verdienst, wenngleich Merkel die Landschaften im Osten auch nicht zum Blühen brachte. Überhaupt blühte und spross nicht besonders viel Visionäres in 16 Jahren Merkel.
Im Nachhinein hat ihr Ansehen gelitten - vor allem wegen ihrer Russland-Politik. Lange hält sie fest an Nord Stream 2 - das wird ihr heute als Fehler angelastet. Merkel setzt auf billiges Gas aus Russland, statt auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Klimaschutz, aber auch Digitalisierung und Gleichstellung verkümmern in 16 Jahren Merkel. Sie regiert, ohne große Ziele. Politik passiert ihr einfach.
"Ich glaube, dass eine Führungsqualität des 21. Jahrhunderts sein muss, dass man auch mal versucht zu schweigen, dass man auch mal sagt: Bitte abwarten, ich hab noch keine abgeschlossene Meinung dazu", sagte Merkel.
Keine lauten Machtworte, kein Basta-Gebrüll
Die abgeschlossene Meinung lässt häufig auf sich warten. Es war ihr Führungsstil - nach dem Motto: In der Ruhe liegt die Kraft. Keine lauten Machtworte, kein Basta-Gebrüll. Merkel strahlt innere Gelassenheit und damit Stärke aus.
Deutlich wird das in der Bankenkrise 2008, als sie verspricht, dass das Ersparte der Deutschen sicher sei. Die Menschen vertrauen ihr. Sie steht für Stabilität. 16 Jahre Kanzlerin, vier Regierungen, zwei Koalitionspartner, 13 SPD-Vorsitzende - Merkel war die Konstante im Kanzleramt und auch in Europa.
Dort hat sie sich wohl die größten Verdienste erworben. In Brüssel wird die Kanzlerin respektvoll "Kompromissmaschine" genannt - vom niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte und anderen. "Wenn du im Europäischen Rat das Wort ergreifst, kann man eine Stecknadel fallen hören", so Rutte.
Ein Herz für Flüchtlinge
Merkels Wort hatte Gewicht. Es ist auch ihr Verdienst, dass Europa ohne größere Schrammen die Euro- und Finanzkrise einigermaßen übersteht. In Deutschland lässt Merkel die Ehe für alle zu und zeigt vor allem ein Herz für Flüchtlinge. Dafür würde ihr bei Weitem nicht jeder einen Orden verleihen. Vielleicht hat sie ihre Gäste für den Empfang im Schloss Bellevue auch danach ausgewählt. Lauter langjährige Vertraute - kein Merz, kein Söder und kein Seehofer.