Moore als CO2-Speicher Vom Klimakiller zum Hoffnungsträger
Je nach Zustand sind sie Klimakiller oder Hoffnungsträger: Moore sind ideale CO2-Speicher, doch hierzulande meist trockengelegt und so eine Belastung für das Klima. Ein Pilotprojekt in Brandenburg zeigt einen Ausweg.
Wenn über den Klimawandel diskutiert wird, dann geht es meist um die Begrenzung des CO2-Ausstoßes, aber nicht darum, wie das klimaschädliche Gas gebunden werden kann. Eine Möglichkeit wären Moore. Doch anstatt Helfer im Klimawandel zu sein, sind mehr als 90 Prozent der Moorflächen hierzulande trockengelegt, um sie für die Land- und Forstwirtschaft zu nutzen oder um Torf zu stechen. Und so schaden sie sogar: Sie sind für sieben Prozent des CO2-Ausstoß in Deutschland verantwortlich.
Wiedervernässen heißt das Zauberwort. Auf der Rehwiese bei Oranienburg wird so wieder ein Moor entstehen. Die Fläche war bis zur Wende von einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) genutzt worden, später vereinzelt als Kuhweide. Seit 2015 wird die Wiese immer feuchter, weil die Entwässerungsgräben blockiert werden, das Wasser nicht mehr abfließen kann. In den nächsten Jahren, wenn der Prozess abgeschlossen ist, kann die Rehwiese wieder mehr CO2 binden.
Das Prinzip ist einfach: Die hier wachsenden Pflanzen brauchen CO2 zum Leben, wenn sie absterben wird das Klimagas im Boden gespeichert und ist so zunächst dem Klimakreislauf entzogen. Das heißt aber auch: Wenn Moore trockengelegt werden oder Torf verbrannt wird, gelangt dieses zum Teil Jahrtausende alte CO2 zusätzlich in die Atmosphäre. 37 Prozent der CO2-Emissionen aus der Landwirtschaft kommen von ehemaligen Moorböden, obwohl diese nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ausmachen.
Kreative Ansätze zur Finanzierung
Für die Rehwiese hat Martin Szaramowicz von der Flächenagentur Brandenburg das mal ausgerechnet: "Wenn das Moor hier jetzt nicht wiedervernässt worden wäre, dann wäre der hier vorhandene Torf über die Jahre als Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre gegangen. Das verhindern wir. Dadurch werden 6800 Tonnen Emissionen eingespart."
Und das freut nicht nur das Klima. Denn die Flächenagentur Brandenburg bietet für Menschen, die ihren CO2-Ausstoß kompensieren wollen, eine Beteiligung an dem Projekt. Sie können sogenannte "Moorfutures" erwerben. Ein Zertifikat kostet 64 Euro und entspricht einer Tonne eingespartem CO2 oder einer Autofahrt von 5000 Kilometern. Ähnliche CO2-Kompensations-Projekte gibt es bereits auch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
Die Finanzierung solcher Renaturierungsmaßnahmen ist insgesamt ein heikler Punkt für alle Beteiligten, denn die meisten infrage kommenden Flächen werden landwirtschaftlich genutzt. Theoretisch wären das deutschlandweit 1,2 Millionen Hektar. Doch die Landwirte müssten diese Wiesen und Felder mehr oder weniger abschreiben - der Boden wäre zu feucht und zu sauerstoffarm für eine normale Nutzung als Feld oder Viehweide. Deshalb befinden sich derzeit gerade mal ein paar Hundert Hektar in der Wiedervernässung.
Wasserbüffel statt Kühe
Wie sich die Flächen dennoch rechnen könnten, erprobt Sebastian Petri vom Moorhof Kremmen nördlich von Berlin. Er ist ein Pionier in der Bewirtschaftung von wiedervernässten Mooren. Statt Kühen grasen jetzt Wasserbüffel auf seinen Wiesen. "Der Gedanke war, Tiere zu finden, die für den Standort besser angepasst sind. Die mit dem Grasbestand und der Feuchtigkeit zurechtkommen, und die auch relativ einfach im Umgang sind." Da hätten sich Wasserbüffel einfach angeboten, erklärt Petri. Er möchte ihr Fleisch verwerten, sucht aber noch nach einem Schlachthof, der tiergerecht auf der Weide geschossene Tiere verarbeitet.
Auf seinen anderen Wiesen wächst Rohrglanzgras, das für die meisten Weidetiere unbekömmlich ist, von Pferden aber gut vertragen wird. Das moorliebende Gras hat besonders viele Ballaststoffe und wächst hier ganz ohne Dünger und Pestizide. Das hat sich herumgesprochen: Mittlerweile verkauft Petri sein Spezialheu noch im selben Winter an Pferdehöfe.
Und er hat technisch aufgerüstet. Für die Ernte auf den nassen Moorböden hat er eine umgebaute Pistenraupe angeschafft. Durch ihre breiten Ketten kann sie nicht einsinken. Dennoch ist er auf eine spezielle finanzielle Förderung vom Land Brandenburg angewiesen. Er betreibt ein Pilotprojekt, wie es deutschlandweit circa 20 gibt. Dem Klima zuliebe wünscht sich Petri mehr Anreize für Landwirte, die ihre Flächen wiederverwässern, damit sie auch im nassen Moor weiterhin von ihrer Arbeit leben können. Pilotprojekte könnten nur ein Anfang sein.
Papier und Pappe aus dem Moor
Deshalb wächst der Druck, mehr Nutzungsmöglichkeiten für die kargen Gräser zu finden, die in Mooren wachsen. Das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam hat da einige Ideen. Ein Projekt untersucht, ob die Biomasse der Gräser langfristig die Nutzung von Torf als Bodenveredler für Gärten und Balkonkästen überflüssig machen könnte. Dann würden nicht nur die Gräser sinnvoll genutzt, es würde auch der Abbau von Torf und damit die Zerstörung weiterer Moore unnötig.
Aber auch in ganz anderen Bereichen des Alltags könnten bald Pflanzen aus dem Moor genutzt werden. Zum Beispiel in Formen gegossen als Pappe oder Papier. Auf Verpackungen aus diesem Material setzen die Forscher des Leibniz-Instituts um Ralf Pecenka besondere Hoffnungen: "Weil immer mehr über den Versandhandel geschickt wird, wo wir statt Kunststoffverpackungen ökologische Verpackungen brauchen. Bisher werden diese aus Pappe oder Papier auf Holz-Basis hergestellt."
Ökologisches Verpackungsmaterial: Forscher untersuchen, wie sich die Moorpflanzen künftig besser nutzen lassen.
Wichtige Rolle als Wasserspeicher
Bis die Produkte aus dem Moor in die Läden kommen, dauert es aber noch. Zum einen wird noch geforscht, zum anderen fehlt es an Material, denn es gibt es nicht so viele Landwirte, die den Sprung in die Bewirtschaftung von wiedervernässten Mooren wagen. Es ist einfach noch zu unattraktiv.
Dabei hätten auch viele Landwirte Vorteile aus intakten Mooren: Die sind nämlich auch dann exzellente Wasserspeicher, wenn mal zu viel Wasser da ist. Wenn also - wie in den vergangenen Wochen - Überschwemmungen wegen Starkregens drohen. Wer also Moore schützt und wiederbelebt, leistet in vielerlei Hinsicht einen Beitrag zum Klimaschutz und hilft, die bereits heute realen Auswirkungen des Klimawandels besser beherrschen zu können.