Landtagswahl in Brandenburg 40 Jahre in der SPD - jetzt BSW-Spitzenkandidat
40 Jahre war der Arbeitsrichter Crumbach SPD-Mitglied. Doch zu Jahresbeginn kontaktierte er das neu gegründete BSW - und wurde prompt Landeschef und Spitzenkandidat in Brandenburg. Was treibt ihn an?
In der ersten Reihe des Wahlkampfes für das BSW steht Sahra Wagenknecht, die hier gar nicht gewählt werden kann. Sie spricht im TV-Wahlspot, lächelt von den meisten Wahlplakaten. Und wer ist nun der Spitzenkandidat?
Robert Crumbach trägt das alles mit Gelassenheit. Der 61-jährige Arbeitsrichter steht voll hinter seiner Parteichefin - im doppelten Sinn. Er weiß, dass sie die Attraktion für die Wähler und vor allem Wählerinnen ist.
Sie ist bekannt und beliebt bei vielen. Da tritt er schon mal zurück - im Dienste der Sache. Und diese Sache teilt er mit Wagenknecht, die bundespolitischen Inhalte des Bündnis Sahra Wagenknecht sind auch seine Themen. Auch dafür ist er der Spitzenkandidat der Partei bei der Landtagswahl.
Crumbach plädiert für Frieden in der Ukraine und für mehr Engagement der Bundesregierung, um den zu erreichen. Die Stationierung von NATO-Mittelstreckenraketen in Deutschland lehnt er ab. "Ich war schon als junger Mann Kriegsdienstverweigerer", sagt er. "Friedenspolitik ist mir ein Herzensanliegen".
Er wünscht sich eine bessere Migrationspolitik, die denen hilft, die das brauchen, und denen, die wir brauchen. Ihn ärgere, dass die Falschen abgeschoben würden. Nämlich die, die arbeiten oder eine Ausbildung machen, weil die Ausländerbehörde bei denen immer weiß, wo sie sie finden kann. Aber genau die sollten doch besser hier bleiben, findet er. Ein Problem wären doch die anderen, die sich nicht integrieren und verstecken.
Austritt aus der SPD nach 40 Jahren
Am wichtigsten aber sind Crumbach die Themen soziale Gerechtigkeit und Arbeitnehmerrechte. Die führten auch dazu, dass er die SPD, seine erste politische Heimat, nach 40 Jahren Mitgliedschaft verließ. Da sah er keine Zukunft mehr für sich.
"Die SPD hat sich immer mehr von ihrer früheren Politik für Arbeitnehmerrechte verabschiedet", sagt er. Für ihn war die Entfremdung von der Partei ein langer Prozess, über viele Jahre hinweg. Aber irgendwann blieb nur noch der Austritt.
Politik aber war und ist ein großer Teil seines Lebens. Er wolle die Gesellschaft ein bisschen besser machen, sagt er. Und er möchte "der Gesellschaft etwas zurückgeben". Die habe es ihm als "Kind kleiner Leute" ermöglicht, Jura zu studieren und Arbeitsrichter zu werden. "Der schönste Beruf der Welt", wie er findet.
Die Regierungen der vergangenen Jahre hätten aber nicht professionell gearbeitet im Dienste der Allgemeinheit. Sie hätten keine Ideen für eine bessere Zukunft gehabt. Mit dem BSW solle das jetzt anders werden.
"Das BSW tritt nicht an, um unbedingt in die Regierung zu kommen, sondern um die Politik zu verändern", betont er. Doch was heißt das?
Politik für Brandenburg, aber die Leute wollen Frieden
In Brandenburg geht es inhaltlich vor allem um Bildungspolitik. Das Land schneide seit Jahren schlecht ab bei Vergleichsstudien. Es fehlten Lehrkräfte und Studienplätze für den pädagogischen Nachwuchs. Da wolle das BSW Abhilfe schaffen, kündigt Crumbach an. Und der Unterricht solle frei von ideologischen Vorgaben vor allem der Stoffvermittlung und der Erziehung dienen.
Auch die Gesundheitspolitik müsse besser werden. Vor allem will das BSW verhindern, dass Krankenhäuser auf dem Land geschlossen werden. Das würde viele Menschen verunsichern.
Für die Brandenburger Wirtschaft hat sich das BSW ebenfalls etwas vorgenommen. Es befürwortet Industrieansiedlungen wie Tesla, will aber auch kleinere Unternehmen besser fördern. Energiepolitik, Verkehr und Wohnen stehen dazu noch auf dem Programm. Aber haben das die potenziellen Wählerinnen und Wähler überhaupt gelesen?
Beim Straßenwahlkampf ist Frieden das Thema Nummer eins bei den meisten, die mit Robert Crumbach ins Gespräch kommen. Die Sorge, dass Deutschland in den Krieg in der Ukraine hineingezogen werden könnte. Die Menschen fordern, dass sich die "Politik" mehr um diplomatische Lösungen bemüht. Dem BSW trauen sie das wohl zu. Da spielt es keine Rolle, dass eine Landesregierung da wenig Einfluss hat.
Regieren ja - aber nicht um jeden Preis
Von der Bundesspitze des BSW war in den vergangenen Wochen immer wieder zu hören, dass ein Bekenntnis zum Frieden in der Ukraine und eine Ablehnung von neuen NATO-Mittelstreckenraketen in Deutschland zur Bedingung für eine mögliche Regierungsbeteiligung gemacht werde.
So weit würde Robert Crumbach nicht direkt gehen. Die Forderungen seien sehr wichtig, sagt er. Was seine Partei in Brandenburg aber im Fall der Fälle zur Bedingung machen würde, will er erst entscheiden, wenn es so weit ist. Eine Regierungsbeteiligung sei denkbar, aber "ein billiger Mehrheitsbeschaffer" werde das BSW auf gar keinen Fall.
Übrigens müsse niemand Angst haben, dass bei Koalitionsverhandlungen dann stets der heiße Draht nach Berlin zu Sahra Wagenknecht glühen würde. "Das machen wir schon selbst", sagt er. Allerdings sei sich der Brandenburger Landesverband mit der Bundesspitze ohnehin in den allermeisten Punkten einig.
Für Koalitionen mit SPD und CDU ist das BSW prinzipiell offen. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließt Crumbach aus. Und auch mit den Grünen möchte er eigentlich nicht koalieren.
Im hypothetischen Fall, dass das BSW stärkste Kraft bei den Wahlen würde oder wenigstens Zweiter hinter der AfD, kann sich Crumbach auch vorstellen, dass seine Partei eine Regierung bilden würde. Ein Ministerpräsident Crumbach wäre dann ebenfalls denkbar. Allerdings schränkt er ein: "Ich schlafe gut und in meinen Träumen kommt das Amt des Ministerpräsidenten nicht vor."
Schließlich habe er auch noch ein Leben außerhalb der Politik. Der Vater zweier erwachsener Kinder wandert gern, fährt Fahrrad und liebt es, an alten Motorrädern "rumzuschrauben". Arbeiten mit den Händen mache den Kopf so wunderbar frei, schwärmt er.
Zum Glück habe er sein letztes Motorrad so gut zusammengebaut, dass es jetzt problemlos laufe. Denn der Wahlkampf ließe im Moment wirklich kaum Zeit für Schraubenzieher und Ölkännchen. Und wenn die Wahlen so ausgehen, wie Umfragen es nahelegen, ist er auch danach sehr beschäftigt.