Personalmangel in Kliniken Notbetrieb in der Charité
Viele Patienten und zugleich ein hoher Krankenstand unter den Mitarbeitern: Die Lage in vielen Kliniken ist angespannt. Operationen müssen verschoben oder sogar ganz abgesagt werden. Die Berliner Charité zieht die Notbremse.
Am Klinikum "Carl Thiem" in Brandenburg sind schon vergangene Woche alle planbaren Operationen und Behandlungen abgesagt worden. Nun zwingt die steigende Zahl an Influenza- und RS-Infektionen auch Europas größte Uniklinik zu drastischen Maßnahmen. In der Berliner Charité werden von heute an alle planbaren Eingriffe verschoben.
Nicht nur bei den Patienten, sondern auch bei den Mitarbeitenden sorgt das für Unruhe. Man werde alle sogenannten elektiven Eingriffe absagen, schreibt die Klinik in einer Pressemitteilung. Dringliche Behandlungen, wie zeitkritische Tumoroperationen, Transplantationen oder die Versorgung von Patientinnen und Patienten nach Schlaganfall, Herzinfarkt oder andere Notfälle seien davon nicht betroffen.
Als Begründung schreibt die Charité: "Der anhaltende und sich verstärkende krankheitsbedingte Ausfall von Ärzten und Pflegepersonal." Insbesondere wegen des Mangels von Ärzten auf den Kinderstationen sei die Einschränkung nötig. Damit soll das Personal Kapazitäten bekommen, auf Stationen wie der Kinderstation auszuhelfen.
"Kinder sind keine kleinen Erwachsenen"
Eine Idee, die bei Medizinern für Unmut sorgt. Jakob Maske, der Bundessprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, mahnt zur Vorsicht: "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen." Es sei illusorisch, "dass Ärzte auf Kinderintensivstationen arbeiten und Erwachsenenpflegepersonal auf einmal Frühgeborene versorgen". Insofern könne dies nur eine Notlösung sein. Es habe schließlich Gründe, dass eine Facharztausbildung zum Kinderarzt fünf Jahre dauere, so der Mediziner.
Aktuell werden sehr viele Kinder mit der RS-Infektion oder Grippe aufgenommen, doch die Plätze sind knapp. "Im Moment ist es so, dass in den Kliniken die schwerkranken Kinder nicht unterzubringen sind", sagt Verbandschef Maske. Die Zahl der klinischen Betten sei von der Politik heruntergespart worden, da sich die Kinder und Jugendmedizin durch die Fallpauschalen nicht lohne. "Die Geschäftsführer der einzelnen Kliniken haben sie so reduziert, dass nicht genug Betten für die akute Versorgung da sind."
Bis zu 40 Prozent mehr Krankheitszeiten
Auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sieht die Kliniken in Deutschland in einer sehr angespannten Situation: "Wir haben bundesweit große Probleme aufgrund der Infektionswelle in der Allgemeinbevölkerung." Rund zehn Millionen Menschen seien an Atemwegsinfekten erkrankt.
"Das schlägt sich auch bei den Beschäftigten der Krankenhäuser nieder. Wir haben im Durchschnitt 30 bis 40 Prozent mehr Krankheitszeiten als normalerweise um diese Zeit - und deswegen die hohen Personalausfälle." Das führe zu den Engpässen, sodass geplante Operationen verschoben werden müssten, wie jetzt in Berlin.
Viel medizinisches Personal in Teilzeit
Das Personal in den Krankenhäusern sei schon lange auf Kante genäht, betont die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna. Zumal häufig nur auf die Zahl der Mitarbeitenden geschaut werde, nicht aber ob sie Voll- oder Teilzeit arbeiten.
"Wir wissen aber, dass Ärztinnen und Ärzte mittlerweile zu 30 Prozent in Teilzeit arbeiten, in der Pflege sind es sogar weit über 60 Prozent." Viel Personal habe man auch im Zuge der Pandemie verloren, da die Stationen ständig am Limit gearbeitet hätten und nach solch einer langen Überlastung ausgelaugt seien.
Etliche Krankenhäuser in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bremen berichten ebenfalls von einer angespannten personellen Situation. Vielerorts kann es zu Verschiebungen von Operationen und Behandlungen kommen. Eine pauschale Absage von planbaren Eingriffen, wie während der Corona-Pandemie, gibt es bislang jedoch kaum.
Die Berliner Charité rechnet damit, im neuen Jahr wieder zum Normalbetrieb zurückkehren zu können.