Tech-Konzerne, Fitness und Medizin Das Geschäft mit den Gesundheitsdaten
Wer mit Handy oder Smartwatch im Internet unterwegs ist, hinterlässt laufend Daten - auch Gesundheitsdaten. An ihnen sind viele Unternehmen interessiert. Experten warnen vor Folgen des Trackings.
Wie viele Schritte, wie viele Kalorien und wie hoch der Puls: Das sind Daten, die sogenannte Wearables wie zum Beispiel Smartwatches aufzeichnen. All das nützt Großkonzernen wie Apple, Amazon und Google, denn die wollen seit Jahren auch die Gesundheitsbranche erobern.
"Information ist wichtige Währung"
Die großen Konzerne sind nicht nur im Bereich der Gesundheitsdaten tätig, sondern auch in anderen. Das sei ein Problem, sagt Stefan Vilsmeier, der Gründer und Chef der Brainlab AG, einem weltweit tätigen Medizintechnikunternehmen. Er wünscht sich klare Regeln, um den Einfluss global agierender Plattformen auf die Gesundheitsbranche nicht ausufern zu lassen.
"Besonders problematisch ist die Verknüpfung zwischen beiden Segmenten. Wenn Amazon und Google sich im Bereich der Gesundheitsdaten engagieren, bedarf es einer klaren Trennung der Daten." Gesundheitsdaten sollten nicht leichtfertig für Marketingzwecke im gleichen Unternehmen weitergegeben und verwendet werden dürfen, so Vilsmeier.
Amazon etwa sollte seiner Meinung nach keine Gesundheitsdaten für eigene Zwecke nutzen, um daraus maßgeschneiderte Werbung für den Kunden zu erstellen. "Generell machen Google und Amazon Profit mit Daten, denn heute ist Information eine wichtige Währung, mit der man bestimmte Angebote auf die entsprechenden Personen genaustens zuschneiden kann."
Marktmacht als Faktor
Die Daten, die Google, Amazon & Co. durch das Tracking sammeln, führten zu einem Informationsvorsprung, Vilsmeier. "Diesen Vorsprung nutzen die Monopole dann, um eigene Waren und Dienstleistungen vor denen der Konkurrenz zu platzieren." Dadurch komme es zu Wettbewerbsverzerrung, "weil sie dann ihre eigenen Produkte und Dienstleistungen bevorzugen und es damit zu keiner fairen Preisbildung im Verkauf kommt".
So könnten große Anbieter wie Amazon möglicherweise die Preise in verschiedenen Segmenten bestimmen und Konkurrenten vom Markt verdrängen. Das Problem sei auch, "dass Giganten wie Amazon und Google durch die Größe und die Marktmacht schon sehr schnell zum größten Gesundheitsanbieter weltweit werden können".
Manche Misserfolge der Tech-Konzerne
Das Tracking könnte für Patienten weitere Nachteile bringen: Beispielsweise könnten Versicherungen durch gesammelte Gesundheitsdaten besser analysieren, welche Krankheitsrisiken bei ihren Kunden bestehen - und dann entsprechend höhere Preise verlangen. "Das Problem ist dann, dass eine Lebensversicherung oder eine Krankenversicherung nicht mehr zu fairen Preisen angeboten wird, weil die Hintergrundinformationen bekannt sind. Das ist dann diskriminierend für Patienten, die eine Vorerkrankung oder eine drohende Erkrankung haben", warnt Vilsmeier.
Allerdings haben die Tech-Großkonzerne bei ihrem Vorstoß in die Gesundheitsbranche auch schon einige Misserfolg erlebt. So stellte Amazon seinen Telegesundheitsdienst Amazon Care ein. Der IBM-Konzern verkaufte seine Gesundheitssparte Watson Health an einen Finanzinvestor. Und Google scheiterte mit dem ursprünglichen Plan, aus seinem Dienst Google Health ein großes Netzwerk zum Datenaustausch zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Pharmabranche zu entwickeln.
Wenn Alexa die Demenz erkennt
Vilsmeier warnt vor Konsequenzen einer groß angelegten Datensammlung durch die Tech-Konzerne. "So lang man gesund ist, kann Tracking eine gute Möglichkeit sein, um zu wissen, wo man gesundheitlich steht. Allerdings ist es so, dass Unternehmen diese Daten aus den unterschiedlichsten Bereichen verknüpfen können."
Ortungsdienste und Positionsdaten können heute ein relativ genaues Bewegungsprofil des Patienten zeichnen. Oft kommt hinzu, dass viele Patienten ihre Krankheit vor dem Weg zum Arzt oder in die Klinik googeln. Kombiniert man die Daten, so weiß Google, an welchem Krankheitsbild der Patient leidet und dass er gerade im Krankenhaus war.
Ein anderes Beispiel: Gesundheitsdaten, die Spracherkennungssysteme wie der Amazon-Dienst Alexa liefern. "Alexa kann durch die Auswertung von Sprachprofilen sehr früh erste Anzeichen von einsetzender Demenz oder anderen kognitiven Erkrankungen erkennen", so Vilsmeier.
Werbung nach der Videosprechstunde?
Auch bei ärztlichen Videosprechstunden werden unter Umständen Daten von Drittanbietern abgegriffen. Videosprechstunden, die über Krankenkassen abgerechnet werden, müssen zuvor zwar zertifiziert werden und unterliegen strengen Vorgaben für den Datenschutz.
Allerdings: "Wenn die Zustimmung der Patienten vorliegt, dann darf dort vor und nach der Sprechstunde - aber nicht währenddessen - Werbung geschaltet werden", sagt der Leiter Gesundheit und Pflege im Verbraucherzentrale Bundesverband, Thomas Moormann.
Vorsicht vor Akzeptanz von Cookies
Es sei erhöhte Vorsicht geboten, so der Experte, besonders beim Zustimmen zu Cookies: "Wenn Sie sich auf einer Plattform eines Telemedizinportals befinden und nach einem bestimmten Facharzt suchen, dann geben Sie ja schon wichtige Daten von sich preis - etwa, dass sie ein bestimmtes gesundheitliches Problem haben."
Hier gälten dann allerdings noch nicht die strengeren Regelungen für den Videostream selber, warnt Moormann: "Das heißt, an dieser Stelle ist die Verwendung von Gesundheitsdaten für Werbezwecke erlaubt, sofern man dem zuvor zugestimmt hat."
Deshalb sollten Verbraucher genau darauf achten, welche Cookies sie akzeptieren oder ablehnen, zumal Anbieter zuweilen eine ungenügend gekennzeichnete oder sogar überhaupt keine Einwilligung vorsehen, was die Verarbeitung der Gesundheitsdaten angeht, wie aus einer kürzlichen Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbands hervorgeht.
Frage nach dem kommerziellen Interesse
Gesundheitsdaten zu sammeln und zu analysieren, kann vieles in der Forschung möglich machen. Gleichzeitig sehen Kritiker die Politik in der Pflicht, damit Großkonzerne nicht übergriffig mit Gesundheitsdaten umgehen.
In Europa gilt das europäische Datenschutzrecht, auch wenn Daten bei US-Konzernen hochgeladen werden. Verbraucher sollten sich allerdings genauer fragen, wer ihre Daten verwendet - und welches kommerzielle Interesse dahinter stecken könnte.