Zwei Polizisten sind von hinten zu sehen, sie stehen vor einem Streifenwagen.

Polizeistudie MEGAVO Jeder Dritte berichtet über rassistische Äußerungen

Stand: 19.09.2024 17:26 Uhr

Rassistische Äußerungen sind in den Reihen der Polizei kein Einzelfall. Auch Probleme wie Muslimfeindlichkeit und eine ablehnende Haltung gegenüber Asylsuchenden nehmen laut der Polizeistudie MEGAVO zu.

Ein Großteil der Polizeibeamtinnen und -beamten in Deutschland besitzt der eigenen Aussage nach ein von Toleranz geprägtes und die Demokratie befürwortendes Weltbild. Allerdings gaben auch etwa ein Drittel der Beschäftigten an, Zeuge von rassistischen oder sexistischen Äußerungen von Kolleginnen oder Kollegen geworden zu sein. Das geht aus der von der Bundesregierung beauftragten und von der Deutschen Hochschule der Polizei durchgeführten Polizeistudie hervor.

An den zeitlich versetzen Online-Befragungen beteiligten sich Zehntausende Beschäftigte der Polizei. Das Ergebnis: In beiden Befragungen gaben etwa 30 Prozent der Teilnehmenden an, binnen eines Jahres rassistische Aussagen im Kollegenkreis erlebt zu haben. Bei sexistischen Äußerungen liegt der Anteil noch höher - hier gaben jeweils etwa 40 Prozent der Befragten an, solche Vorfälle innerhalb des beim Zeitpunkt der Befragung zurückliegenden Jahres erlebt zu haben.

Die Studie lässt jedoch keine Rückschlüsse auf konkrete Fallzahlen zu, da es bei der Befragung mehrere Rückmeldungen zu ein und demselben Vorfall gegeben haben kann. Von den Teilnehmenden der Studie, die rassistische oder sexistische Äußerungen erlebt haben, gaben jeweils mehr als 30 Prozent an, auf diese Vorfälle nicht reagiert zu haben. "Dies sind die Bereiche, bei denen die Vorfälle am häufigsten als unbedeutend angesehen werden oder aus anderen Gründen keine persönliche Reaktion erfolgte", heißt es in der Studie.

Zunahme bei muslimfeindlicher Einstellung

Die Studie beinhaltete auch Fragen hinsichtlich der Einstellung der Polizistinnen und Polizisten in Bezug auf Minderheiten und Autoritarismus. In der Studie selbst heißt es, es gebe "wenige Hinweise auf radikale Positionen, aber einige Eindrücke, die auf Verunsicherungen und uneindeutige Positionen schließen lassen". Im Vergleich der beiden Befragungen zeichnet sich aber sowohl bei zwei Punkten eine Zunahme ab: bei der Muslimfeindlichkeit, wie es in der Studie selbst formuliert ist, und bei der "Ablehnung von Asylsuchenden".

In der ersten Befragung stimmten elf Prozent der Teilnehmenden zu, eine muslimfeindliche Haltung zu besitzen. 28 Prozent gaben ihre Einstellung als ambivalent an. Mit 60 Prozent widersprach ein Großteil der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei dieser Aussage jedoch. In der zweiten Befragungsrunde stieg der Anteil derjenigen, die einer muslimfeindlichen Einstellung zustimmten auf 17 Prozent an. 31 Prozent sprachen von einer ambivalenten Haltung.

Der Aussage, asylsuchenden Personen gegenüber eine ablehnende Haltung zu besitzen, hatten in der ersten Befragung 30 Prozent der Teilnehmenden zugestimmt. 41 Prozent bezeichneten ihre Einstellung als ambivaltend, 29 Prozent widersprachen einer ablehnenden Haltung. In der zweiten Befragung stimmten 42 Prozent der Befragten der Aussage zu, Asylsuchenden gegenüber ablehnend eingestellt zu sein. Von einer ambivalenten Haltung sprachen 37 Prozent der Befragten und nur 21 Prozent wiesen eine ablehnende Haltung von sich.

Für die MEGAVO-Studie gab es zwei bundesweite Befragungen, bei der jeweils mehr als 40.000 Fragebögen ausgefüllt wurden. An der ersten Erhebung nahmen zwischen November 2021 und Oktober 2022 Beschäftigte aus 14 Landespolizeien sowie von der Bundespolizei und vom Bundeskriminalamt (BKA) teil. Die zweite Befragung fand im Zeitraum von November 2023 bis zum März dieses Jahres statt. An ihr beteiligten sich wiederum Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zwölf Landespolizeien sowie erneut Beschäftigte der Bundespolizei und des BKA. Die Abkürzung MEGAVO ergibt sich aus dem vollständigen Titel der Studie: "Motivation, Einstellung und Gewalt im Alltag von Polizeivollzugsbeamten - MEGAVO".

Faeser mahnt "null Toleranz" gegenüber Extremismus und Rassismus an

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hob in einer Reaktion auf die Ergebnisse der MEGAVO-Studie den Einsatz der Polizistinnen und Polizisten bundesweit hervor. Sie seien "Tag und Nacht unter schwierigen, manchmal lebensgefährlichen Bedingungen im Einsatz", um den "Rechtsstaat und Demokratie" zu verteidigen. "Dafür verdienen sie unseren größten Respekt und unsere Wertschätzung", so die SPD-Ministerin. Allerdings mahnte sie auch:

Es gibt null Toleranz gegenüber Rechtsextremismus, Rassismus und anderen Formen von Menschenfeindlichkeit. Jeder derartige Vorfall muss deutliche Konsequenzen haben. Das schulden wir der überwältigenden Mehrheit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die für unsere vielfältige Gesellschaft einstehen.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) prangerte auf Basis der Studienergebnisse auch die wachsende Belastung für Polizistinnen und Polizisten an, etwa durch zunehmende Bürokratie, aber allem voran durch zu großen Personalmangel. In beiden Befragungen nannten etwa 60 Prozent der Teilnehmenden zu viele personelle Lücken als größte Belastung im Alltag, gefolgt von bürokratischem Verwaltungsaufwand und fehlender Wertschätzung der eigenen Arbeit. Der Personalmangel in der Polizei sei "keine gewerkschaftliche Erfindung", mahnte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. Stattdessen führe er zu steigenden Belastungen und erhöhten Krankenständen. Darum sei dringend "eine Stärkung der gesamten Rechtsstaatskette" notwendig.