Intensivbettenregister Zahl der freien Betten sinkt auf Tiefstand
Die Zahl der freien Intensivbetten ist so gering wie noch nie seit Beginn der Registrierung. Mehr als die Hälfte der Intensivstationen klagt über Personalmangel - und kann nach eigenen Angaben nur sehr eingeschränkt arbeiten.
In deutschen Krankenhäusern sind laut dem Intensivbettenregister so wenig Betten frei wie noch nie seit Beginn der Registrierung im Jahr 2020. 1870 Betten standen am 9. Dezember noch auf den Intensivstationen zur Verfügung, zeigen die Daten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).
Die Gesamtzahl an Intensivbetten liegt derzeit bei 20.450. Somit unterschreiten die freien Kapazitäten der Intensivstationen die kritische Marke von zehn Prozent deutlich. Diese Marke wird laut DIVI, dem Robert Koch-Institut (RKI) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) als das Minimum für eine gesicherte Versorgung in Notfällen betrachtet.
Weniger als zehn Prozent frei
Intensivstationen haben im Schnitt zwischen zehn und zwölf Betten. Sind also weniger als zehn Prozent frei, heißt das: In vielen Kliniken ist gar kein Bett mehr frei.
Zum Vergleich: Heute vor zwei Jahren, im ersten Pandemiewinter, lag die gesamte Kapazität an Intensivbetten bei 24.387. Vor einem Jahr noch bei 22.279 - und heute bei 20.450. Das bedeutet binnen zwei Jahren 16 Prozent weniger Intensivbetten auf deutschen Intensivstationen.
Jede zweite Intensivstation arbeitet eingeschränkt
Mehr als die Hälfte der rund 1300 Intensivstationen geben derzeit laut DIVI an, aufgrund von Personalmangel nur eingeschränkt arbeiten zu können. Weitere 270 geben an, zumindest teilweise eingeschränkt arbeiten zu müssen. Lediglich 319 sagen demnach, bei ihnen sei aktuell regulärer Betrieb möglich. Der bisherige Höchststand bei eingeschränkt arbeitenden Intensivstationen war Ende 2021 erreicht worden, als 950 von 1300 angaben, nur teilweise oder sehr eingeschränkt einsatzfähig zu sein.
Für Gerald Gaß, Präsident der DKG, ist die Situation der Krankenhäuser derzeit insgesamt angespannt, aber noch zu bewältigen. "Wir sind schon mit einer schlechten Personalsituation in den Winter gestartet. Nun ist zum Teil auch das Personal von den Atemwegsinfekten betroffen."
Die Zahl der in der Pflege beschäftigten Menschen ist zwar zuletzt gestiegen - von 2019 bis 2020 nahm die Zahl der Pflegekräfte in den Krankenhäusern laut Statistischem Bundesamt um 30.000 auf 486.000 zu. Allerdings hat sich um die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern auch der Betreuungsschlüssel geändert. Eine Pflegekraft darf auf der Intensivstation seit Anfang 2021 tagsüber noch zwei, nachts drei Menschen betreuen. Vorher war es jeweils rechnerisch eine halbe Person mehr. Außerdem arbeiten zwei Drittel der Menschen in der Pflege mittlerweile in Teilzeit.
Mehr Krankschreibungen
Bis zu 40 Prozent mehr Krankschreibungen beim Personal als normalerweise um diese Jahreszeit müssten die Krankenhäuser laut Gaß aktuell verkraften. Noch, so betont er, seien für Notfälle nötige Betten frei. "Wenn es nicht unmittelbar im nächsten Krankenhaus ist, dann aber in erreichbarer Nähe", so Gaß im tagesschau-Interview.
Viele erinnern sich noch an die Verlegung von Corona-Infizierten über weite Strecken vor einem Jahr. Schaut man sich die Belegung der Intensivbetten in den verschiedenen Landkreisen und Städten genauer an, fällt vor allem auf, dass der Anteil an mit Covid19 auf den Intensivstationen behandelten Patientinnen und Patienten vielerorts unter zehn Prozent liegt.
Mediziner hofft auf Entspannung im Frühjahr
Das RKI schätzt, dass derzeit rund zehn Millionen Menschen in Deutschland an Atemwegserkrankungen leiden. Es zeigten sich vor allem drei Krankheitsbilder, bestätigt Christian Karagiannidis im Gespräch mit tagesschau.de. Er ist medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des Intensivbettenregisters und praktiziert an der Lungenklinik in Köln.
"Was wir aktuell sehen, ist ein deutlicher und sehr früher Anstieg der Influenza- und RS-Virus-Infektionen, zusätzlich zu denen mit SARS-CoV-2. Das führt zu mehr Einweisungen in die Kliniken", sagt er. "Was mich verhalten optimistisch stimmt, ist, dass wir vor allem die weniger gefährlichen Grippevarianten sehen."
Zudem geht Karagiannidis davon aus, dass das Infektionsgeschehen bei dem RS-Virus und der Grippe ähnlich schnell abflachen dürfte, wie es momentan ansteigt. "Diese Entwicklung haben wir in Australien gesehen, wo die Ausgangslage ganz ähnlich war, wie jetzt bei uns."
Wann der Höhepunkt der beiden Infektionswellen erreicht sei, bleibe aber abzuwarten. Um genaue Aussagen zu treffen, wer wo mit welchem Atemwegsinfekt krank ist, wünscht Karagiannidis sich außerdem eine genauere Erfassung von an Grippe und dem RS-Virus erkrankten Menschen "ähnlich wie wir es jetzt auch schon bei Covid19 machen". Nur so könne ein wirklich effektives Überwachen der Intensivbettkapazitäten auch nach der Corona-Pandemie sichergestellt werden.