Wegen Fachkräftemangel Spahn will "Rente mit 63" sofort abschaffen
In Deutschland fehlen Fachkräfte - um gegenzusteuern, will Unionsfraktionsvize Spahn die "Rente mit 63" sofort abschaffen. Sie koste Wohlstand und belaste künftige Generationen, sagte Spahn der "Bild am Sonntag". Grüne und Linke reagierten entsetzt.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) hat angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland ein sofortiges Ende der "Rente mit 63" gefordert. "Die 'Rente mit 63' kostet Wohlstand, belastet künftige Generationen und setzt die falschen Anreize", sagte Spahn der "Bild am Sonntag". "Sie sollte sofort abgeschafft und durch eine bessere Erwerbsminderungsrente ersetzt werden. "Die Fachkräfte, die früher in Rente gegangen seien, fehlten nun 'bitterlich'."
2021: Fast jeder Dritte in "Rente mit 63"
Seit 2014 gibt es die Möglichkeit der "Rente mit 63" - ein früherer Rentenbezug ohne Abschläge für langjährig Versicherte. Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hatte im Dezember mitgeteilt, dass die Menschen in Deutschland immer häufiger früh in Rente gingen. Viele scheiden demnach bereits mit 63 oder 64 Jahren aus dem Arbeitsmarkt aus - deutlich vor der Regelaltersgrenze. 2021 erfolgte nach Angaben des Instituts fast jeder dritte Zugang zur Altersrente über den Weg der "Rente mit 63". Die Berechnungen basierten auf den Mikrozensus-Daten zur Entwicklung der Erwerbsbeteiligung.
Arbeitgeber: Frühere Rente schwächt die Unternehmen
Auch aus der Wirtschaft kommen seit längerem Rufe nach einer Abkehr von früheren Job-Ausstiegen, Gewerkschaften, Grüne und Linke verteidigen die Regelung dagegen.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hatte Ende des Jahres eine Abkehr von der Rente ab 63 Jahren in der heutigen Form gefordert. "Die Rente ab 63 hat zu einem Braindrain geführt", sagte Dulger damals. Viele hoch qualifizierte Arbeitskräfte stünden wegen der Rente ab 63 Jahren nicht mehr zur Verfügung - das habe die Unternehmen geschwächt.
Auch CDU-Chef Friedrich Merz sieht die "Rente mit 63" kritisch. Er sagte der "Süddeutschen Zeitung", wahrscheinlich komme man nicht umhin, bei einer immer längeren Lebenserwartung auch mehr zu arbeiten. "Sonst ist unser Rentensystem perspektivisch nicht mehr finanzierbar."
Grüne: Für viele Menschen hätte ein Ende fatale Folgen
Der Grünen-Arbeitsmarktexperte Frank Bsirske warnte hingegen in der "Bild am Sonntag": "Die Abschaffung der 'Rente mit 63' hätte zur Folge, dass Millionen Menschen mit Abschlägen und gekürzten Renten in den Ruhestand gehen." Viele Berufsgruppen wie Beschäftigte in der Pflege und in Kitas könnten aber schlicht nicht bis 67 Jahre arbeiten. "Für diese Menschen hätte ein Ende der 'Rente mit 63' fatale Folgen."
Linke: Respektlosigkeit gegenüber hart arbeitenden Menschen
Die Linke wies Spahns Vorstoß zurück. Dieser sei "eine Respektlosigkeit gegenüber Lebensleistungen hart arbeitender Menschen und eine Rentenkürzung durch die Hintertür", sagte Parteichefin Janine Wissler. Den Mangel an Fachkräften bekämpfe man nicht durch ein höheres Renteneintrittsalter. "Das macht viele Berufe unattraktiver." Nötig seien gute Arbeitsbedingungen, mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung, die Stärkung von Tarifverträgen und mehr Ausbildungsplätze.
Wissler kritisierte: "Für Jens Spahn und die CDU sind Renten offenbar Almosen, die man nach Belieben kürzen kann. Dabei haben sich die Beschäftigten ihre Renten hart erarbeitet." Wer auf dem Bau oder in der Pflege arbeite, erreiche meist nicht einmal diese Altersgrenze und müsse mit Abschlägen früher in Rente, weil der Körper nicht mehr mitmache. Die Forderung nach Abschaffung der "Rente mit 63" richte sich gegen Menschen, die körperlich hart und im Schichtdienst arbeiteten.
FDP: Jeder soll Renteneintritt selbst entscheiden
FDP-Vize Johannes Vogel forderte in der "Bild am Sonntag" ein "selbstbestimmtes, flexibles Rentenalter". Jeder solle selbst entscheiden können, wann er in Rente geht. "Wer länger arbeitet, kriegt dann auch mehr Rente", sagte er.