Gerichtsurteil Dienst-SMS muss in Freizeit nicht gelesen werden
Wer in seiner freien Zeit dienstliche SMS erhält, muss diese nicht lesen. Zu diesem Urteil kam das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein im Fall eines Notfallsanitäters. Das Recht auf Nichterreichbarkeit diene auch dem Gesundheitsschutz.
Ein Arbeitnehmer muss keine dienstlichen SMS in der Freizeit lesen. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschieden. Das Urteil fiel bereits im vergangenen September, wurde aber jetzt erst veröffentlicht. In dem Fall ging es um kurzfristige Dienstplanänderungen für einen Notfallsanitäter.
Im Wesentlichen ging es um die Frage, ob der Notfallsanitäter in seiner Freizeit auf eine kurzfristige Änderung im Dienstplan für den Folgetag hätte reagieren müssen. Er war in zwei Fällen telefonisch und per SMS und in einem Fall auch per E-Mail nicht zu erreichen gewesen und meldete sich jeweils wie ursprünglich geplant zu seinen Diensten. Der Arbeitgeber wertete das Verhalten seines Angestellten als unentschuldigtes Fehlen und erteilte ihm zunächst eine Ermahnung und dann eine Abmahnung. Der Notfallsanitäter zog vor das Arbeitsgericht und unterlag.
In der Berufung entschied das LAG zugunsten des Mannes. Der Arbeitgeber habe damit rechnen müssen, dass der Kläger die ihm geschickte SMS erst mit Beginn seines Dienstes zur Kenntnis nahm. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehöre auch, die in seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen.
Nichterreichbarkeit dient dem Gesundheitsschutz
Der Kläger habe sich nicht treuwidrig verhalten, urteilte das LAG. Das Recht auf Nichterreichbarkeit diene neben dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers auch dem Persönlichkeitsschutz. "Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht."
Anja Piel, Bundesvorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), lobte die Entscheidung. Arbeitgeber, die von ihren Beschäftigten in der Freizeit Arbeit und Erreichbarkeit erwarteten, seien auf dem Holzweg. "Keine Arbeitnehmerin und kein Arbeitnehmer muss in der Freizeit SMS lesen oder sonstige Anfragen beantworten. Damit erbringt man nämlich Arbeitsleistung und das ist Arbeitszeit", teilte Piel mit. Unbegrenzte Arbeitszeit und ständige Erreichbarkeit seien ungesund. "Arbeitgeber müssen Arbeit so organisieren, dass die Freizeit der Beschäftigten geschützt ist - das ist technisch ohne Weiteres möglich", erklärte die Gewerkschafterin.
Aktenzeichen: 1 Sa 39 öD/22