Urteil des Bundesarbeitsgerichts Bei Hetze in WhatsApp-Chat droht fristlose Kündigung
Wie vertraulich ist die Kommunikation in privaten WhatsApp-Gruppen? Beleidigungen und Hetze gegen Arbeitskollegen und Vorgesetzte können den Job kosten, wenn die Chats öffentlich werden. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Wer sich in privaten WhatsApp-Gruppen beleidigend, rassistisch oder sexistisch über Arbeitskollegen oder Vorgesetzte äußert, kann fristlos gekündigt werden. Der Schutz der vertraulichen Kommunikation gilt nicht in jedem Fall. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt entschieden. Die Richter verhandelten den Fall einer WhatsApp-Gruppe befreundeter Arbeitskollegen, die in Hannover-Langenhagen bei der Fluggesellschaft TUIfly beschäftigt waren.
Arbeitgeber kündigte Mitarbeiter nach Hetze im Chat
Einer der früher angestellten Kläger gehörte seit 2014 einer privaten WhatsApp-Chatgruppe mit fünf weiteren Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein weiterer, ehemaliger Kollege mit in die Gruppe aufgenommen. Zwei der Chatgruppen-Mitglieder waren Brüder. Als es zu Konflikten am Arbeitsplatz kam, zogen die Mitglieder der WhatsApp-Gruppe über Kollegen und Vorgesetzte her und machten rassistische und sexistische Aussagen. Die Chats enthielten auch menschenverachtende Äußerungen sowie Aufrufe zu Gewalt.
So wurde etwa geschrieben, dass die "Covidioten" "vergast" werden sollten. Auch mit einem Anschlag wurde geliebäugelt. Als der Chatverlauf dem Arbeitgeber zugespielt wurde, kündigte er den Mitarbeitern fristlos. Sie hätten sich in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und Kollegen geäußert, hieß es zur Begründung. Die Betroffenen zogen vor Gericht - bis in die letzte Instanz in Erfurt. Sie beriefen sich auf die im Grundgesetz geschützte vertrauliche Kommunikation. Der Chat habe allein dem privaten Austausch gedient. Der Arbeitgeber hätte diesen daher nicht als Grund für die Kündigung verwenden dürfen.
Anwältin: "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum"
"Ist eine Chatgruppe eine Art Festung, ein Bollwerk, in dem alles erlaubt war und nicht befürchtet werden musste, dass es arbeitsrechtliche Sanktionen geben kann?" fragte der Richter die Anwälte der Streitparteien. "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, auch kein Bollwerk gegen die Außenwelt," sagte die Anwältin der TUIfly GmbH. Das BAG urteilte, dass bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen in einem privaten WhatsApp-Chat über Vorgesetzte und Kollegen Arbeitnehmer mit einer fristlosen Kündigung rechnen müssen.
Nur ausnahmsweise, wenn der Arbeitnehmer sicher davon ausgehen konnte, dass der Chatverlauf vertraulich bleibt, sei eine Kündigung nicht gerechtfertigt, so das Gericht. Im Zweifelsfall müssten ihre Mitglieder nachweisen, warum sie einander vertrauen durften. Die Erfurter Richter hoben damit Entscheidungen der Vorinstanzen in Niedersachsen auf, die eine "berechtigte Vertraulichkeitserwartung" der Mitglieder von geschlossenen Chats angenommen hatten - also Verschwiegenheit.
Das Verfahren wurde zurück ans Landesgericht Niedersachsen verwiesen. Es muss nun prüfen, ob der Kläger tatsächlich erwarten konnte, dass bei der möglichen schnellen Weiterleitung von WhatsApp-Chats die Vertraulichkeit gewahrt wird. Auch müsse geklärt werden, ob der Kläger angesichts des Chatverlaufs und der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung und der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats nicht mit einer Weitergabe der Äußerungen an Dritte rechnen konnte.
AZ: 2 AZR 17/23