Treffen der Umweltminister Wie umgehen mit Wölfen wie Gloria?
Wölfin Gloria reißt am Niederrhein immer wieder Nutztiere. Das Land NRW will nun einen Abschuss genehmigen. Der Fall dürfte auch die Herbstkonferenz der Umweltminister beschäftigen.
Benedikt Hüttemann hat viel Geld investiert, um seine Schafherde zu schützen: 1,20 Meter ist der neue Zaun hoch, mit 4.000 Volt Spannung gesichert. 4.500 Euro hat er gekostet, gebracht hat er nicht viel. Wenig später waren vier Schafe tot. "Der Anblick der toten Tiere, also die Bilder habe ich noch vor Augen. Das wird man nicht so schnell los", berichtet er. "Den Zaun habe ich Anfang Oktober aufgebaut. Er ist gefördert worden vom Land NRW. Ich habe mich vorher beraten lassen, welche Maßnahmen am effektivsten sind. Und es waren genau drei Wochen, in denen er Schutz geboten hat. Und dann waren die ersten Risse da."
Ein DNA-Nachweis brachte Gewissheit: Es war Wölfin Gloria. Ihr amtlicher Name ist GW954f. Rund um die Gemeinde Uedem-Keppeln treibt sie ihr Unwesen. Zahlreiche Schafe, Rotwild und ein Pony haben die Wölfin und ihr Nachwuchs schon gerissen. Sechsmal innerhalb von vier Wochen hat Gloria solche Zäune überwunden, bilanziert das nordrhein-westfälische Umweltministerium und will nun Konsequenzen ziehen. "Vor diesem Hintergrund sind von diesem Tier weitere erhebliche wirtschaftliche Schäden zu erwarten", heißt es in einer Mitteilung. Gemeinsam mit dem Kreis Wesel überlege man jetzt, die Wölfin zu töten.
Die Ministerinnen und Minister der Länder treffen sich zweimal jährlich zu Umweltministerkonferenz (UMK). Die Herbst-UMK findet vom 29. November bis 1. Dezember 2023 in Münster statt. Nordrhein-Westfalen hat seit Anfang des Jahres turnusmäßig den Vorsitz des Gremiums übernommen. Neben Klimaschutz geht es dabei auch um Themen wie den richtigen Umgang mit dem Wolf.
Abschuss von "Problem-Wölfen" soll erleichtert werden
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte Mitte Oktober Vorschläge vorgelegt, um den Abschuss von sogenannten Problem-Wölfen zu erleichtern. Die Genehmigung soll schneller vorliegen, die Ergebnisse eines DNA-Tests spielen dafür dann keine Rolle mehr. Es gebe in Deutschland große Herausforderungen und Probleme mit Wölfen, sagte Lemke. Die Wolfspopulation wachse, mehr Wölfe rissen auch mehr Weidetiere. Wölfe könnten nach einem Genehmigungsverfahren zwar getötet werden. Das Verfahren bis zur Genehmigung sei aber zu lang und bürokratisch, das führe zu Frustration bei Menschen, die Weidetiere halten.
Grundsätzlich sind Wölfe streng geschützt. Im Fall von Gloria ist die Kreisverwaltung Wesel für eine Ausnahmegenehmigung nach dem Bundesnaturschutzgesetz zuständig. Eine schnelle Entscheidung werde es nicht geben - vielmehr soll eine sogenannte Entnahme der Wölfin aus dem Rudel genau geprüft werden. "Dies wird mit der gebotenen Gründlichkeit erfolgen, da der Kreis Wesel sich der Tragweite der Prüfung ebenso bewusst ist wie der hohen Wahrscheinlichkeit, dass eine mögliche Entscheidung gerichtlich überprüft wird", schreibt Kreissprecherin Anja Schulte. Der Kreis rechnet also mit Klagen von Naturschützern, sollte der Abschuss von Gloria genehmigt werden.
Tierschützer protestieren
Diese mobilisieren bereits. Fast 40.000 Menschen haben im Internet eine Petition gegen die "Entnahme" unterschrieben. Die Begründung: Die Wölfin spiele eine wichtige Rolle bei der Vielfalt und Fortpflanzung ihres Rudels.
Genau darin sieht Martin Tiemann das Problem. Tiemann ist zweiter Vorsitzender der Kreisschäfer im Kreis Kleve und im Bezirk Niederrhein des Schafzuchtverbands NRW für den Umgang mit Wölfen zuständig. Er befürchtet, dass Gloria ihr Wissen an ihren Nachwuchs weitergibt und sich das Problem damit noch verschärft. "Kein Schäfer sagt, wir müssen alle Wölfe ausrotten. Aber die Problemtiere müssen entnommen werden", fordert Tiemann. Gegen das Rudel sei man chancenlos. "Wenn wir von den etwa 3.000 Wölfen in Deutschland 20 Probleme entnehmen würden, hätten wir immer noch 2.980 Wölfe, aber deutlich weniger Probleme", rechnet er vor.
Abschuss wird Problem nicht lösen
Das Problem mit Gloria ist nicht neu. Seit gut fünf Jahren streift die Wölfin durch die Gegend. Bislang haben sich Tierschützer erfolgreich gegen einen Abschuss gewehrt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) weisen in einer gemeinsamen Erklärung auf den strengen Artenschutz hin. "Europa wie Deutschland und hier auch NRW müssen ihren Teil dazu beitragen, dass die Wolfspopulation einen günstigen Erhaltungszustand erreicht", heißt es in der Mitteilung.
"Zudem suggeriert ein Abschuss eine Lösung, die nicht von Dauer sein wird. Einmal besetzte Wolfsreviere werden von anderen Wölfen wieder besetzt werden. Auch diese werden bei unzureichendem Herdenschutz ebenfalls lernen, Weidetiere als Beute zu sehen. Hier sind die Tierhalter in der Pflicht, die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel zu nutzen und ihre Tiere wolfsicher zu schützen", so die Tierschützer.
Birgit Königs vom NABU befürchtet, dass bei einer Jagd auf Gloria auch andere Wölfe zu Schaden kommen könnten. Ähnliche Fälle aus Niedersachsen hätten das bereits gezeigt. "Es wird vermutet, dass es Gloria ist, geschossen. Und dann stellt man hinterher genetisch fest: 'Oh schade, war der falsche Wolf.' In Niedersachsen ist das jetzt siebenmal passiert, und den eigentlichen Wolf, den man töten wollte, hat man immer noch nicht erwischt", so Königs. So könne das gesamte Rudel am Niederrhein in Gefahr geraten.
Ganzes Rudel macht Probleme
Schäfer Martin Tiemann entgegnet, in dem Wolfsgebiet Schermbeck gebe es keine unschuldigen Wölfe. Denn das ganze Rudel sorge für Probleme. Der Vorwurf, die Schäfer würden nicht genug zum Schutz der eigenen Tiere unternehmen, will er nicht gelten lassen. "Die können alle gerne zu mir kommen und die toten Tiere von der Wiese holen. Dann werden sie sehen, dass man die Tiere nicht schützen kann", so Tiemann. "Wir können die Weide nicht zum Hochsicherheitsgebiet umbauen."
Martin Tiemann glaubt aber erst einmal nicht an einen Abschuss der Wölfin. Die Gegenwehr sei einfach zu groß: "Die Wölfin ist seit 2018 da, seit dem ersten Tag ist sie auffällig. Jetzt haben wir 2023, und nichts ist passiert." Der Schäfer ist sicher, bevor die Entscheidung für einen Abschuss getroffen werde, sei Gloria bereits eines natürlichen Todes gestorben.