Wegen Blockaden von Landwirten Grüne müssen Politischen Aschermittwoch absagen
Aufgeheizte Stimmung, Blockaden mit Misthaufen: Wegen massiver Proteste unter anderem von Landwirten haben die Grünen ihre Veranstaltung zum Politischen Aschermittwoch in Biberach absagen müssen. Laut Polizei wurden Beamte verletzt.
Die Grünen haben ihre Veranstaltung zum Politischen Aschermittwoch im baden-württembergischen Biberach abgesagt. Als Grund nannte der Vorsitzende des Kreisverbands Biberach, Michael Gross, aggressive Stimmungen bei Demonstrationen im Umfeld.
Ein Sprecher der zuständigen Polizei in Ulm bestätigte, dass es von Teilen der Demonstranten zu "aggressiven Protestaktionen" gekommen sei. Polizisten und Polizeifahrzeuge seien mit Gegenständen beworfen worden. Dabei seien drei Polizisten leicht verletzt und ein Polizeiwagen beschädigt worden.
Wie der Polizeisprecher sagte, setzten die Polizisten Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Ein Tatverdächtiger wurde demnach festgenommen.
Stadthalle nicht zu erreichen
Protestierende hatten die Straße zuvor mit Pflastersteinen und Sandsäcken blockiert. Der Vorstand des Kreisbauernverbandes, Karl Endriß, sagte, an die Stadthalle sei kein Herankommen, da überall drumherum Demonstrierende stünden.
Im Vorfeld der Veranstaltung hatte es massive Proteste und Blockaden unter anderem von Landwirten gegeben. Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg hat nach eigener Auskunft nicht zu den Protesten aufgerufen oder diese im Vorfeld unterstützt.
Dutzende Traktoren auf Zufahrtsstraßen
Seit dem Morgen hatten Bauern in Biberach protestiert und Straßen blockiert. Auf den Zufahrtsstraßen zur Stadthalle standen Dutzende Traktoren. Vor der Halle wurde ein großer Misthaufen abgeladen. Zu hören waren lautes Gehupe und Musik.
Zu den Protesten hatten laut Endriß verschiedene Gruppierungen aufgerufen. Unter den Demonstrierenden seien hauptsächlich Bauern, aber auch Fuhrunternehmer seien beteiligt.
Die Bühne in Biberach bleibt leer: Die Grünen mussten ihre Veranstaltung absagen, weil der Protest vor der Halle zu groß war.
Özdemir: "Das waren Einzelne"
Bundesagrarminister Cem Özdemir kritisierte die Vorgänge in Biberach, nahm das Gros der Bauern aber ausdrücklich in Schutz: "Die, die da jetzt über die Stränge geschlagen haben, das ist nicht die deutsche Landwirtschaft. Das waren Einzelne, die sich da so benommen haben", sagte der Grünen-Politiker. Die Demonstrantinnen und Demonstranten hätten der Landwirtschaft und den Anliegen der Landwirtschaft so keinen Gefallen getan.
Özdemir hatte sich bei einer nahegelegenen angemeldeten Demonstration den Landwirtinnen und Landwirten gestellt und mit ihnen über ihre Anliegen diskutiert. Dort habe er den Umgang als sehr fair und anständig wahrgenommen. Die Ampel ist seit Wochen das Ziel scharfer Kritik von Bauernverbänden. Entzündet hatte diese sich an den Beschlüssen der Bundesregierung, im Zuge von Sparmaßnahmen Steuervorteile für Bauern abzuschaffen. Özdemir selbst hatte Teile dieser Beschlüsse kritisiert.
Faeser verurteilt "Gepöbel und Gewalt"
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kritisierte die Tumulte in Biberach. "Wenn eine politische Veranstaltung wegen Gepöbel und Gewalt abgesagt werden muss, dann ist eine rote Linie überschritten", sagte die Ministerin. Legitimer Protest ende dann, wenn Menschen eingeschüchtert und bedroht würden.
Die Gewalt gegen Einsatzkräfte der Polizei müsse deutliche strafrechtliche Konsequenzen für die Täter haben, sagte Faeser. Sie warnte davor, das Geschehen zu verharmlosen und forderte: "Die zunehmende Vergiftung von Debatten und die Hetze gegenüber demokratisch gewählten Politikerinnen und Politikern muss ein Ende haben." Dazu gehöre zuerst, "verbal abzurüsten", denn politische Aggression komme nicht aus dem Nichts, sondern fange mit der Sprache an.
Grüne treffen sich seit Jahren in Biberach
Die Grünen treffen sich seit Jahren in Biberach, wo in diesem Jahr wieder viel Bundesprominenz erwartet wurde. Neben Özdemir, der als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gilt, sollten die Bundesvorsitzende Ricarda Lang und Grünen-Urgestein Jürgen Trittin ans Rednerpult treten. Auch Kretschmann sollte dabei sein.
Der Vorfall in Biberach reiht sich ein in mehrere massiv kritisierten Aktionen. Zuletzt hatten Bauern durch Blockaden die Auslieferungen von Zeitungen verhindert. Am Donnerstag vergangener Woche hatten diese etwa mit Traktoren in Bremerhaven aus "Unzufriedenheit der Teilnehmenden mit der Berichterstattung über die zurückliegenden Protestaktionen" eine Druckerei blockiert. Protestierende einer Blockade in Hamburg rechnete die Polizei laut Hamburger Abendblatt der "Querdenker"-Szene zu.
Anfang Januar waren Proteste in Nordfriesland eskaliert, als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von einer erzürnten Menge daran gehindert wurde, eine Fähre zu verlassen - und wieder auf die Hallig Hooge zurückkehren musste.