Haushaltskrise Debatte über Bürgergeld nimmt Fahrt auf
Angesichts der Haushaltskrise ist die Debatte über die geplante Bürgergelderhöhung neu entbrannt. Die CSU fordert eine Generalüberholung. Bundestagspräsidentin Bas warnt davor, gesellschaftliche Gruppen gegeneinander auszuspielen.
Seit das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Haushaltsplanung der Bundesregierung über den Haufen geworfen hat, stellt sich die Frage, wie das Finanzloch von etwa 17 Milliarden Euro gestopft werden kann. Das hat nun erneut auch eine Diskussion über die anstehende Bürgergelderhöhung auf den Plan gerufen.
CSU: Initiative im Bundesrat zur Generalüberholung des Bürgergelds
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kündigte an, über eine Bundesratsinitiative das Bürgergeld grundsätzlich überarbeiten lassen zu wollen - und fordert zudem eine Verschiebung der Leistungserhöhung. "Die Ampel muss die für Januar vorgesehene Erhöhung um ein Jahr verschieben und noch einmal völlig neu ansetzen", sagte der CSU-Chef dem Magazin "Stern".
"Die Leistung muss getrennt werden von Flucht und Asyl. Es braucht mehr Motivation, um arbeiten zu gehen. Deshalb werden wir im Bundesrat eine Initiative zur Generalüberholung des Bürgergelds einbringen. Denn die Balance zwischen Fördern und Fordern stimmt nicht", begründete Söder den Vorstoß. Das Bürgergeld habe den Praxistest nicht bestanden, das Gesamtniveau sei zu hoch, es setze falsch Anreize, kritisierte der Ministerpräsident. "Wer arbeitet, muss erkennbar mehr bekommen als jemand, der nicht arbeitet. Deshalb brauchen wir Änderungen."
Bas: Gesellschaftliche Gruppen nicht gegeneinander ausspielen
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas warnte davor, die Debatte um Einsparungen im Bundeshaushalt auf Kosten sozial schwacher Menschen auszutragen. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP kritisierte die SPD-Politikerin die aktuellen Forderungen nach Einschnitten beim Bürgergeld. Das Bürgergeld werde dabei "verknüpft mit dem Thema Zuwanderung und mit der Aussage, dass die Leute angeblich nicht mehr arbeiten wollen", sagte die Bundestagspräsidentin. "Das ist ein Populismus, der uns in ein Klima hineinredet, in dem es dann nur darum geht: arm gegen reich, Migrationshintergrund oder nicht", kritisierte die SPD-Politikerin. "Da sollten wir demokratische Parteien nicht mitmachen."
Bas warnte davor, unter dem aktuellen Spardruck gesellschaftliche Gruppen gegeneinander auszuspielen. "Ich kenne viele Menschen, die wirklich sehr arm sind und die nicht arbeiten können oder keine Arbeitserlaubnis haben", sagte die Bundestagspräsidentin. "Die sind nicht faul oder nach Deutschland gekommen, um Sozialleistungen zu bekommen." Bas mahnte, angesichts der schwierigen Haushaltslage nun nicht durch die Forderung nach Sozialkürzungen Ressentiments zu schüren.
In der aktuellen Debatte gehe es zu oft um "Schuldzuweisungen", kritisierte Bas. "Wir dürfen die Menschen aber nicht unter Generalverdacht stellen. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht in ein fremdenfeindliches Klima reden." Denn dies sei "auch das Rezept der Populisten".
Djir-Sarai: Der arbeitenden Bevölkerung nicht zu vermitteln
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte angesichts der Haushaltsprobleme eine Rücknahme der zum 1. Januar geplanten Erhöhung des Bürgergeldes. "Es ist völlig klar, dass der Sozialstaat in Deutschland zu viel Geld kostet. Jeder dritte Euro, den die Bundesregierung ausgibt, fließt in Sozialausgaben. Das geht nicht mehr", sagte Djir-Sarai der "Bild am Sonntag". "Deshalb ist es jetzt dringend notwendig, das Bürgergeld neu zu bewerten. Die geplante Erhöhung zum 1. Januar ist nicht mehr angemessen", fügte der FDP-Politiker hinzu.
Es könne nicht sein, dass die Regierung in Zeiten knapper Kassen und mit der niedrigsten Inflation seit 2021 das Bürgergeld um zwölf Prozent anhebe. Sozialminister Hubertus Heil (SPD) müsse die geplante Erhöhung stoppen. "Alles andere ist auch der arbeitenden Bevölkerung nicht zu vermitteln", erklärte Djir-Sarai.
Ein Sprecher des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erklärte auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios, es gebe keine entsprechenden Pläne, "die gesetzlich vorgeschriebene Anpassung des Regelsatzes zum 1. Januar 2024 nicht vorzunehmen".
Söder: Kein Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge
Söder forderte zudem einen Stopp von Bürgergeld-Zahlungen an neu ankommende ukrainische Flüchtlinge. "Es wäre nicht rechtmäßig, etwas rückwirkend zu streichen. Aber für alle neuen Fälle müssen wir umsteuern", sagte der CSU-Politiker. "Und für alle anderen, die neu zu uns kommen, sollte es Sozialleistungen erst nach fünf Jahren statt nach 18 Monaten geben."
Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, hatte sich dafür ausgesprochen, die Zahlung von Bürgergeld an neu angekommene Flüchtlinge aus der Ukraine zu beenden. "Dass die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine alle sofort Bürgergeld erhalten, war damals, als es beschlossen wurde, von allen Beteiligten gut gemeint gewesen", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete der Nachrichtenagentur dpa. Die Entscheidung habe sich aber, was die Bereitschaft zur Aufnahme einer Arbeit anbelangt, als kontraproduktiv erwiesen.
Die mehr als fünf Millionen Bürgergeld-Empfänger sollen zum 1. Januar 2024 im Schnitt rund 12 Prozent mehr Geld bekommen - Alleinstehende dann 563 Euro statt bisher 502 Euro. Anders als bei früheren Anpassungen war die monatelang stark erhöhte Inflation aufgrund einer Änderung der Regeln bei der Berechnung für 2024 stärker berücksichtigt worden.