Israels Präsident in Deutschland Ein Besuch ohne Routine
Der Besuch des israelischen Staatspräsidenten Herzog steht im Zeichen der Erinnerung an das Olympia-Attentat 1972. Besuchen wird er auch das ehemalige KZ Bergen-Belsen - das sein Vater einst mit befreite.
Besuche israelischer Spitzenpolitiker in Deutschland sind nie Routine. Worte werden gewogen, Gesten bekommen eine besondere Bedeutung.
Dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der israelische Staatspräsident Izchak Herzog sich seit vielen Jahren kennen und einander vertrauen, machte schon die herzliche Umarmung vor dem Schloss Bellevue deutlich. Mehrfach bezeichneten sich beide bei der späteren Pressekonferenz als "Freunde", sprachen sich mit Vornamen an.
Trotz des formellen äußeren Rahmens dieses Staatsbesuchs - samt Abschreiten der Ehrenformation der Bundeswehr im Schlossgarten - wirkte die Zusammenkunft der beiden Staatsmänner und ihrer Ehefrauen überaus vertraut, fast wie ein Familientreffen. Drei Tage lang ist Herzog in Deutschland und natürlich berührt sein Besuch historische Ereignisse, die das Verhältnis beider Staaten bestimmen und belastet haben.
Olympia-Attentat '72: Beschämend lange bis zur Verständigung
Erst kurz vor Herzogs Besuch hatte sich die Bundesregierung mit den Angehörigen der Opfer des Attentats während der Olympischen Spiele 1972 einigen können. Palästinensische Terroristen waren damals in das Quartier der israelischen Mannschaft eingedrungen. Sie töteten zwei Athleten und nahmen neun weitere als Geiseln. Deren Befreiung durch die völlig überforderten deutschen Sicherheitskräfte scheiterte später auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck desaströs: Am Ende wurden alle Geiseln, ein Polizist und fünf der acht Attentäter getötet.
Nun zahlt die Bundesrepublik eine Entschädigung an die Angehörigen der israelischen Opfer - insgesamt 28 Millionen Euro. Auch wurde vereinbart, dass eine Historikerkommission die dramatischen Tage von München 1972 aufarbeitet. Bundespräsident Steinmeier sagte dazu:
"Dass es 50 Jahre gedauert hat bis zu dieser Verständigung jetzt in den letzten Tagen, das ist in der Tat beschämend. Und mir ist sehr bewusst, dass auch mit dieser Verständigung natürlich nicht alle Wunden geheilt werden können."
Staatspräsident Izchak Herzog äußerte sein Unverständnis, dass die Olympischen Spiele damals überhaupt fortgesetzt worden seien. Es habe die Angehörigen der Getöteten große Mühe gekostet, das Attentat palästinensischer Terroristen auf die israelischen Athleten überhaupt im öffentlichen Bewusstsein zu halten, erinnerte Herzog:
Die Geiseln werden zu ihrer Ermordung eigentlich geführt, und parallel dazu gehen die Spiele weiter, das kann man sich gar nicht mehr vorstellen. Das ist ein menschliches Verhalten, dass gar nicht besprochen werden sollte, ich glaube, aus Scham. Ich glaube, diese Verständigung ist eine sehr wichtige Verständigung.
Besuch im ehemaligen KZ Bergen-Belsen
Am Montag nehmen Herzog und Steinmeier in Fürstenfeldbruck an einer Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des Attentats teil. Am Dienstag wird Isaac Herzog auch im Deutschen Bundestag zum Verhältnis der beiden Länder sprechen. Danach fährt er mit Steinmeier in die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Bergen-Belsen.
Herzogs Vater, der frühere israelische Staatspräsident Chaim Herzog, war zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Soldat einer der Befreier des Lagers, in dem die Nazis weit über 50.000 Häftlinge ermordet hatten, darunter Juden und Kriegsgefangene. Steinmeier sagte voraus, dies werde sicher ein sehr emotionaler Moment für seinen Staatsgast werden:
"Wir werden dort stehen, wo ihr Vater als Offizier der britischen Armee 1945 mitgekämpft hat, diesen Ort des Grauens zu befreien. Ihr Besuch symbolisiert auch für uns Deutsche das besondere Geschenk der deutsch-israelischen Freundschaft."
Herzog erinnerte seinerseits an den ersten israelischen Ministerpräsidenten David Ben Gurion, der wenige Monate nach Kriegsende 1945 Bergen-Belsen besucht habe - und den Blick in die Zukunft richtete:
"Zum Abschluss seines Besuches unterschrieb er einen Zettel, auf den er nur wenige Worte geschrieben hatte: 'Am Israel Chai!' Das jüdische Volk lebt! Ich stehe heute hier und wiederhole dieselbe Botschaft: Am Israel Chai! Das jüdische Volk lebt!"
Denn Israel sei auch heute bedroht von Ländern wie dem Iran, der zur Vernichtung Israels aufrufe, aber auch vom Terror militanter Palästinenser, so der israelische Staatspräsident.
Scholz: Kampf gegen Antisemitismus "allerhöchste Priorität"
Während im Berliner Schloss Bellevue das Staatsbankett zu Ehren der israelischen Gäste vorbereitet wurde, feierte der deutsche Freundeskreis der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in einer Berliner Synagoge sein 25-jähriges Bestehen. Bundeskanzler Olaf Scholz erinnerte in seiner Ansprache daran, dass nicht alle in Deutschland aus der Geschichte gelernt hätten. So habe es im vergangenen Jahr mehr als 3000 antisemitische Straftaten in der Bundesrepublik gegeben. Scholz:
Dagegen kommen wir nur an, wenn eine handlungsbereite Politik und eine engagierte Zivilgesellschaft zusammenwirken. Für die Bundesregierung kann ich sagen: Der Kampf gegen Antisemitismus, der Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus hat für uns allerhöchste Priorität.
Der Bundeskanzler ging auch noch einmal auf den Besuch von Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas im Kanzleramt Mitte August ein. Abbas hatte dabei die militärischen Kampfhandlungen der israelischen Armee in den Palästinensergebieten mit dem Holocaust gleichgesetzt.
Man habe der palästinensischen Seite verdeutlicht, sagte Scholz, dass der Holocaust ein einzigartiges Menschheitsverbrechen sei, dessen Relativierung die Bundesrepublik nicht dulden werde. Mit seinem Schweigen direkt nach der Abbas-Äußerung während einer gemeinsamen Pressekonferenz hatte sich Olaf Scholz damals harsche Kritik eingehandelt.