Urteil des Bundesverfassungsgerichts Bundestag muss besser informiert werden
Die Bundesregierung muss den Bundestag auch in Fragen der europäischen Sicherheitspolitik so früh wie möglich einbinden - und zwar umfassend. Das geht aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hervor.
Diese Entscheidung kommt nicht überraschend. Im Grundgesetz heißt es klar und deutlich: In Angelegenheiten der Europäischen Union hat die Bundesregierung den Bundestag "umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten". Schon früher hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder darauf hingewiesen, dass die Regierung das Parlament informieren müsse.
Abgeordnete erst nach Beschluss informiert
Im jetzt untersuchten Fall hatte sich die Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel darauf zurückgezogen, dass sie jedenfalls bei der Außenpolitik freie Hand habe. Es ging im Jahr 2015 um ein Konzept der EU für eine Militäroperation. Schleuser im südlichen Mittelmeer sollten bekämpft werden. Das Ganze lief später unter dem Namen "Operation Sophia".
Im April wurde der Bundesregierung das Konzept zugeschickt. Der Bundestag bekam es aber mehrere Wochen nicht zu lesen - obwohl sich verschiedene Bundestagsabgeordnete immer wieder darum bemühten. Im Mai wurde die Operation vom Rat der EU beschlossen. Drei Tage später bekamen dann endlich einige Abgeordnete in der Geheimschutzstelle Einblick.
So gehe es nicht, sagten nun die Verfassungsrichter. Das sei nicht irgendeine Außenpolitik gewesen, da sei es ganz eindeutig um eine Angelegenheit der EU gegangen. Und bei der EU müsse der Bundestag eben, wie es im Grundgesetz heißt, "umfassend und frühestmöglich" eingebunden werden - einfach weil sehr viel Politik auf EU-Ebene verlagert worden sei und die deutschen Abgeordneten angesichts der europäischen Integration sonst nicht mehr viel zu sagen hätten.
Geheimhaltung muss beachtet werden
Vizepräsidentin Doris König formulierte das so: "Die im Vergleich zur herkömmlichen Außenpolitik stärkere Einbindung des Parlaments bezweckt, dessen infolge des Integrationsprozesses erlittene Kompetenzverluste auszugleichen."
Natürlich gebe es Grenzen, zum Beispiel wenn etwas geheim gehalten werden müsse. Aber "da sich die Regierung nicht auf Geheimhaltungsgründe berufen hat, lässt sich nicht beurteilen, ob es hierfür möglicherweise tragfähige Gründe gegeben hätte."
Auch Davutoglu-Brief hätte vorgelegt werden müssen
Deswegen hat auch ein weiterer Antrag der Linkspartei in Karlsruhe Erfolg. Die Partei fand, dass im September 2015 ein Brief des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu zur Zusammenarbeit mit der EU in Migrationsfragen hätte öffentlich gemacht werden müssen.
Das hatte die Bundesregierung pauschal abgelehnt, vertrauliche Korrespondenz könne niemals offengelegt werden. Die Verfassungsrichterinnen und -richter wiesen aber darauf hin, der Brief sei an alle 28 EU-Regierungschefs gegangen. Wenn das vertraulich gewesen sein sollte, hätte die Bundesregierung die Ablehnung besser begründen müssen.
Trittin begrüßt Urteil
Für den Grünen-Politiker Jürgen Trittin ist es ein gutes Urteil, vor allem, weil das Gericht ganz konkret vorgeschrieben habe, was in der europäischen Außenpolitik getan werden müsse: "Wir wollen mehr gemeinsame europäische Außenpolitik, mehr gemeinsame Sicherheitspolitik. Wenn man das will, muss man die demokratische Kontrolle sicherstellen." Damit sei jetzt klar: Auch bei aktuellen Fragen wie etwa europäischen Sanktionen gegen Russland müsse der Bundestag mehr einbezogen werden.