Diskussion nach Messerangriff Nach Afghanistan abschieben - geht das?
Wegen des Messerangriffs in Mannheim, bei dem ein Polizist sein Leben verlor, diskutiert die Politik über erleichterte Abschiebungen nach Afghanistan. Was ist dabei rechtlich zu bedenken?
Wo liegt die rechtliche Grenze beim Thema Abschiebungen?
Das Aufenthaltsgesetz regelt klar: Ausländer werden "ausgewiesen", wenn deren Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sie wegen Straftaten zu bestimmten Freiheitsstrafen verurteilt worden sind.
Ausweisung und Abschiebung sind aber zwei unterschiedliche Dinge. Die Ausweisung ist die Grundlage für eine dann folgende Abschiebung. Ein Ausländer darf trotz der obigen Voraussetzungen aber nicht abgeschoben werden, wenn ihm in seinem Heimatland zum Beispiel Folter, Tod oder andere unmenschliche Behandlung drohen.
Dieses Verbot steht nicht nur im Aufenthaltsgesetz, es ergibt sich auch aus dem Grundgesetz und den Genfer Flüchtlingskonventionen. Deshalb kann man es nicht einfach ändern oder abschaffen. Bei allen Forderungen in der derzeitigen politischen Diskussion ist das die zwingende rechtliche Grenze, an der man nicht vorbeikommt.
Droht in allen Regionen Afghanistans Folter und Tod?
Das ist die entscheidende Frage, die man auch immer wieder neu bewerten muss. Schon im Dezember 2023 hatte die Innenministerkonferenz das Bundesministerium des Inneren gebeten, zu prüfen, auf welchem Weg Abschiebungen verurteilter schwerer Straftäter und Gefährder in ihre Herkunftsstaaten durchgeführt werden können. Also auch nach Afghanistan und Syrien. Das Ergebnis soll bei der nächsten Innenministerkonferenz am 19. Juni 2024 vorgestellt werden.
Wenn in bestimmten Regionen eines Landes den Abgeschobenen keine der aufgeführten Gefahren drohen würde, könnte man rechtlich gesehen dahin abschieben. Diese Frage wird dann allerdings auch von den Gerichten in den konkreten Fällen überprüft. Dafür schauen sich diese sehr genau die konkrete Lage vor Ort an.
An welchen praktischen Hürden scheitern Abschiebungen?
Neben der rechtlichen Hürde gibt es eine praktische: Für eine Abschiebung braucht es auch immer ein Land, das den Abgeschobenen aufnimmt. Dafür sind in aller Regel Abkommen mit den Herkunftsländern erforderlich. In Afghanistan sind allerdings die Taliban an der Macht, die Deutschland - wie viele andere Staaten - nicht anerkennt und mit denen Deutschland nicht zusammenarbeitet.
Was ist mit einem Abkommen mit Nachbarländern Afghanistans?
Einige Politiker weisen darauf hin, dass man natürlich keine Deals mit den Taliban machen wolle, sondern Abkommen mit Nachbarländern machen könne, zum Beispiel mit Pakistan. Von da würden die Menschen dann nach Afghanistan abgeschoben werden. Eine solche Lösung könnte das faktische Problem eventuell beheben, das rechtliche Problem aber bliebe.
Deutschland dürfte die Menschen nur nach Pakistan verbringen, wenn sicher wäre, dass sie von dort in ein Gebiet Afghanistans abgeschoben werden, in denen ihnen keine Folter oder unmenschliche Behandlung droht. Dieser rechtsstaatliche Grundsatz bleibt.
Wie betrifft die Diskussion den Beschuldigten von Mannheim?
In der Diskussion wird zum Teil der Eindruck erweckt, die Tat hätte möglicherweise verhindert werden können, wenn Deutschland schon in der Vergangenheit Straftäter und Gefährder abgeschoben hätte.
Dies ist nach allem, was man bisher weiß, falsch, weil der Beschuldigte von Mannheim den Sicherheitsbehörden nicht bekannt war. Er galt nicht als Gefährder und hatte auch noch keine Straftaten begangen.
Auch wenn rechtliche und faktische Hürden für Abschiebungen nach Afghanistan nicht bestehen würden, hätte man diese Tat nicht verhindert.
Aber jetzt könnte man ihn ja abschieben?
Der Beschuldigte von Mannheim hat hier eine schwere Straftat begangen, mehrere Menschen verletzt und einen Polizisten getötet. Zunächst geht es darum, ihn dafür vor ein Gericht zu stellen, in einem Strafprozess die Tat und die Motive aufzuarbeiten. Und es geht darum, ihn dafür hier in Deutschland zu bestrafen. Denn hier hat er die Straftat begangen. Bei einer sofortigen Abschiebung könnte er möglicherweise straffrei davonkommen.
Eine solche strafrechtliche Aufarbeitung und Bestrafung eines Täters ist nicht nur aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten wichtig, sie ist auch für die Opfer und die Angehörigen von Opfern oft sehr bedeutsam.
Wenn sich einzelne Täter bei anderen Straftaten in der Vergangenheit nach der Tat in ihr Heimatland oder ein anderes Land abgesetzt haben, war die Diskussion eine andere: Dann wurde gefragt, wie man ihn zurückholen kann, um ihn hier vor Gericht zu stellen.
Kann man ihn nach der Haft abschieben?
Wenn ein ausländischer Täter seine Haftstrafe ganz oder zum großen Teil abgesessen hat, ist eine Abschiebung in sein Herkunftsland nach dem Gesetz möglich. Allerdings muss dann zu diesem Zeitpunkt geprüft werden, ob das für das jeweilige Herkunftsland auch faktisch und rechtlich möglich ist.