Rückführung nach Afghanistan Söder bezweifelt Abschiebe-Pläne
Kanzler Scholz will Schwerstkriminelle nach Afghanistan und Syrien abschieben. CSU-Chef Söder hält die Ankündigung nur für leere Wahlkampfversprechen. Aus Sachsen kommen weitere Forderungen nach einer konsequenteren Rückführung von Straftätern.
Die tödliche Messerattacke auf einen Polizisten in Mannheim hat die Diskussion über Abschiebungen auch in unsichere Länder wie Afghanistan und Syrien angefacht. Die Forderungen nach einem Ende des Abschiebestopps kommen aus verschiedenen politischen Lagern. In seiner Regierungserklärung am Donnerstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, diese Rückführungen wieder ermöglichen zu wollen.
Dass Scholz dies auch tatsächlich umsetzen wird, bezweifelt nun CSU-Chef Markus Söder. "Ich befürchte aber, so wie der Kanzler es gestern gesagt hat, das ist nur dem (Europa-)Wahlkampf geschuldet", sagte der bayerische Ministerpräsident dem Nachrichtensender Welt TV am Freitagabend. "Bislang ist nichts passiert."
Eine Regierungserklärung des Kanzlers helfe nicht weiter, solange sich die Grünen nicht bewegten. "Der Bund muss endlich diese Entscheidungen treffen. Das hakt bei den Grünen."
Söder fordert individuelle Asylverfahren
Die Grünen stehen dem Vorhaben skeptisch gegenüber oder lehnen es gar ab. Denn für Abschiebungen nach Afghanistan auf direktem Weg braucht es Absprachen mit den islamistischen Taliban. Das halten Vertreter der Grünen für nicht tragbar. Seit der Machtübernahme der Taliban 2021 setzt Deutschland Abschiebungen in das Land aus. Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser wird derzeit geprüft, ob und wie die Rückführungen von Schwerstkriminellen wieder ermöglicht werden können.
Söder sagte weiter, für ihn sei ganz klar: "Wer so eine Tat begeht, der muss abgeschoben werden. Und wenn er aus Afghanistan kommt, dann muss auch nach Afghanistan oder nach Syrien abgeschoben werden. Da kann es keinen Pardon mehr geben."
Er forderte, den subsidiären Schutz für Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien abzuschaffen. Das Problem sei, dass viele Menschen aus Afghanistan und Syrien "gar kein individuelles Asylverfahren mehr bekommen, sondern es gibt eine Art Blankoscheck. Den sogenannten subsidiären Schutz", kritisierte Söder. "Das heißt, praktisch jeder, der von dort kommt, wird als quasi verfolgt eingestuft. Das halte ich für einen Fehler."
Experte: Nicht mehr alle Afghanen und Syrer benötigen Schutztitel
Auch Migrationsexperte Daniel Thym hält einen pauschalen Schutzstatus für Menschen aus Afghanistan und Syrien nicht mehr für rechtlich geboten. "Kaum jemand bezweifelt hierzulande, dass praktisch alle Syrer und Afghanen einen Schutzstatus erhalten - mit der Folge, dass sie völlig legal in Deutschland leben und umfassend gleichbehandelt werden", sagte Thym der Welt am Sonntag.
"Diese Großzügigkeit war früher richtig, überzeugt heute jedoch nicht mehr. Ob ein Asylantrag erfolgreich ist, richtet sich nach der Situation im Herkunftsland. Diese veränderte sich in Syrien, Afghanistan und im Übrigen auch in der Ukraine", sagte der Jurist, der an der Uni Konstanz lehrt.
Afghanische Asylbewerber profitierten "von einem Abschiebungsverbot, weil die deutschen Gerichte der Meinung sind, dass die Lebensbedingungen in Afghanistan so schlecht sind, dass selbst alleinstehende und gesunde junge Männer in der Hauptstadt Kabul eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung erlitten". Ein solches Abschiebungsverbot münde in einen normalen Aufenthaltstitel. Afghanen erhielten diesen, weil deutsche Gerichte europäische Urteile großzügig handhabten. "Die deutsche Großzügigkeit entfernt sich meilenweit von der ursprünglichen Idee des Asylrechts."
Sachsen will weitere Verschärfungen
Unterdessen dreht sich die Abschiebedebatte weiter. So kommen aus Sachsen Forderungen nach weiteren Verschärfungen. Ministerpräsident Michael Kretschmer etwa plädiert für Abschiebungen mehrfach straffälliger Migranten mit Vollendung des 18. Lebensjahres auch ohne neuerliche Straftat. Bestehende Gesetze müssten angepasst werden, um das zu ermöglichen, sagte der CDU-Politiker in einem Interview mit dem Privatsender Sachsen Fernsehen.
"Wir geben Menschen Schutz. Wenn diese unsere Solidarität missbrauchen, weil sie kriminell werden, und das nicht, weil sie mal falsch geparkt haben, sondern ständig und vor allem mit Gewalt, dann haben die doch keinen Anspruch darauf, hier zu sein." Der Flüchtlingsstatus müsse bei Kriminalität viel schneller entzogen werden.
Kretschmers Innenminister und Parteikollege, Armin Schuster, fordert ein Sonder-Rückführungsprogramm für ausreisepflichtige ausländische Mehrfach- und Intensivtäter. "Würden wir deutschlandweit Turbo-Abschiebungen für Intensivtäter realisieren, hätten wir im nächsten Jahr eine völlig andere Kriminalitätsstatistik", sagte er in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung. Sachsen stehe dem Bund als "Pilotland gerne zur Verfügung".
Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan müssten intensiviert werden, sagte Schuster. Der Bund müsse die Wege dafür öffnen, indem er Bundesausreisezentren an den großen Flughäfen einrichte und größeren diplomatischen Druck auf die Herkunftsländer ausübe. Wenn die Außenministerin über freiwillige Aufnahmeprogramme für Afghanen verhandele, müsse es auch möglich sein, Verhandlungen über die Rücknahme von Straftätern zu führen, so der sächsische Innenminister. "Das heißt, freiwillige Aufnahme nur gegen Rücknahme von Landsleuten."
Innenministerium: Deutlich mehr Abschiebungen
Nach Ansicht des Bundesinnenministeriums greifen schon jetzt bereits beschlossene Gesetzesverschärfungen: Die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland ist demnach zuletzt deutlich gestiegen. Wie ein Sprecher mitteilte, gab es im ersten Quartal diesen Jahres bereits 30 Prozent mehr Abschiebungen als im gleichen Zeitraum 2023 - 6.316 in diesem Jahr im Vergleich zu 4.792 im vergangenen.
Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 16.430 Abschiebungen aus Deutschland durchgeführt. Auch da war ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen: 2022 lagen die Zahlen bei 12.945 Abschiebungen.