AfD-Bundesparteitag Trotz Skandalen im Aufwind
Ab heute trifft sich die AfD zu ihrem Bundesparteitag in Essen. Dort sollen Weidel und Chrupalla wieder an die Parteispitze gewählt werden. Die Anhänger der AfD blieben von den Skandalen ganz offensichtlich unbeeindruckt.
Er war ein Desaster, der Europa-Wahlkampf der AfD. Die Nummer zwei auf der Kandidatenliste, Petr Bystron, hatte die Staatsanwaltschaft am Hals: Bestechlichkeit und Geldwäsche lautete der Verdacht; Bystron soll größere Summen von russischen Geldgebern angenommen haben. Auch sein Berliner Bundestagsbüro wurde durchsucht.
Bei der Nummer eins auf der Liste, dem AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah, lief es nicht besser: Ein Mitarbeiter seines Büros wurde verhaftet - wegen mutmaßlicher Spionage für China.
Das war dann auch der AfD-Parteispitze zu viel. Sie entschied, dass Petr Bystron und Maximilian Krah sich im Wahlkampf doch besser wegducken sollten.
Seine Botschaften allerdings wurde Spitzenmann Maximilian Krah dann doch los. In einem bayerischen Festsaal zum Beispiel sagte er: "Uns bricht vor unseren Augen nicht nur die Wirtschaft zusammen. Die kriegen wir wieder hin - fleißig und innovativ waren wir immer. Dass die Presse die Halb- oder die Unwahrheit schreibt, und die Politiker doof sind - die können wir ersetzen. Aber vor unseren Augen bricht ja die Gesellschaft auseinander."
Die politische Landkarte färbte sich blau
Wer nach dem verstolperten Wahlkampf der AfD ein entsprechend schlechtes Wahlergebnis erwartet hatte, der sah sich am Abend des 9. Juni gründlich getäuscht: Die Anhänger der AfD blieben von den Skandalen der Partei ganz offensichtlich unbeeindruckt.
Um Punkt 18 Uhr gab ARD-Wahlexperte Jörg Schönenborn die ersten Zahlen bekannt: Danach lag die AfD in der Prognose bei 16,5 Prozent - das stärkste Ergebnis der Partei bei einer bundesdeutschen Wahl. Und schon kurz nach Schließung der Wahllokale in Deutschland deutete alles darauf hin, dass die AfD in den ostdeutschen Ländern durchgängig stärkste Kraft werden würde.
Am Ende waren es dann 15,9 Prozent - sechs Sitze mehr für die Partei im Europaparlament. Die politische Landkarte färbte sich in den neuen Bundesländern fast komplett blau, der Parteifarbe der AfD.
Wiederwahl der Parteispitze steht an
Ein Triumph für Co-Parteichefin Alice Weidel, die am nächsten Tag noch selbstbewusster vor die Kameras trat. Die "etablierten" Parteien, wie Weidel sie gerne nennt, hätten eben keine Antworten mehr auf die Probleme der Bürger: "Die entscheidenden Fragen sind die innere Sicherheit unseres Landes, die Migrationspolitik und vor allen Dingen auch die wirtschaftlichen Fragestellungen. Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig."
Beim Bundesparteitag der AfD in Essen an diesem Wochenende geht es allerdings weniger um neue Lösungsansätze für Deutschlands wirtschaftliche Probleme. Erst einmal steht die Wiederwahl der Parteispitze an. Das seit zwei Jahren agierende Duo aus Alice Weidel und Tino Chrupalla tritt wieder an - und es wäre wohl vor allem für Chrupalla eine faustdicke Überraschung, wenn die Delegierten sich für eine andere Konstellation an der Parteispitze aussprächen.
Chrupalla setzt auf demonstrative Gelassenheit: "Wir beide haben entschieden, dass wir zusammen wieder antreten wollen und auch gemeinsam weitermachen. Ich denke, die Partei hat auch gesehen, welcher Erfolg die letzten zwei Jahre auch in der Form der Professionalisierung einhergegangen ist."
Inhaltlich trennt Weidel und Chrupalla nicht viel
Das Duo Weidel/Chrupalla ist allerdings nicht unumstritten in der AfD. Es gibt Stimmen, die einen einzelnen Vorsitzenden plus Generalsekretär besser fänden - das Spitzenamt fiele dann wohl eher Alice Weidel zu.
Inhaltlich trennt Weidel und Chrupalla nicht viel - beide sind russlandfreundlich und lehnen jede Waffenhilfe für die Ukraine vehement ab. Der EU und der NATO gegenüber herrscht tiefe Skepsis, weil diese Bündnisse deutsche Interessen vernachlässigten.
Auch ansonsten wird die AfD versuchen, inhaltliche Geschlossenheit zu vermitteln, denn ihren Erfolg bei der Europawahl will die AfD schon bald fortsetzen: Im September sind Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, und in allen drei Landtagen hat die AfD beste Chancen, stärkste Kraft zu werden. Auch wenn der Verfassungsschutz die AfD-Landesverbände in Thüringen und Sachsen als "gesichert rechtsextrem" einstuft.
Viele Tausend Gegendemonstranten erwartet
Jan Hollitzer, Chefredakteur der Tageszeitung "Thüringer Allgemeine", sagte bei einer Diskussion im Sender Phoenix: "Bei Wahlen geht es viel um Emotionen und Gefühle. Wir hatten früher eine Kümmerer-Partei mit den Linken. Und mittlerweile wird die AfD als die Kümmerer wahrgenommen. Über 70 bis 80 Prozent sagen bei den Wahlumfragen: Sie wissen, dass die in Teilen rechtsextrem sind, aber die sprechen die richtigen Themen an."
Dass die AfD anderswo weitaus kritischer gesehen wird, wird auch am Rande dieses Bundesparteitags lautstark zu hören sein: Rings um die Essener Grugahalle werden am Wochenende viele Tausend Gegendemonstranten erwartet. Die Polizei kündigte an, dass sie Ausschreitungen und mögliche Gewalttaten im Ansatz unterbinden werde.
Die Stadt Essen selbst scheiterte juristisch bei dem Versuch, der AfD den Mietvertrag für die Grugahalle zu kündigen - es sei denn, die Partei verpflichte sich, dass es auf der Veranstaltung keine strafbewehrten Redebeiträge gibt. Stattdessen lässt die Essener Stadtverwaltung nun am Wochenende Regenbogenflaggen vor der Grugahalle wehen und organisiert eine eigene Gegenveranstaltung unter dem Motto "Zusammen für Demokratie, Vielfalt und Toleranz".