Debatte über AfD Habeck sieht hohe Hürden für Verbotsverfahren
Vizekanzler Habeck hat der AfD vorgeworfen, einen "national-identitären" Staat schaffen zu wollen. Zu einem Verbotsverfahren äußerte er sich skeptisch. Verfassungsjurist Thiele geht in den tagesthemen von gestiegenen Chancen aus.
Nach dem Bekanntwerden eines Treffens von radikalen Rechten, an dem auch AfD-Mitglieder teilgenommen haben, diskutiert die Politik weiter über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die Partei. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck äußerte sich in der Debatte nun aber zurückhaltend und warnte vor den Folgen, sollte ein solches Verfahren scheitern.
Im Interview mit dem "Stern" betonte er, die Hürden für ein Parteiverbotsverfahren seien "zu Recht sehr hoch" und "der Schaden durch ein gescheitertes Verbotsverfahren wäre massiv". Daher müsse die Grundlage für ein solches Verfahren "absolut gerichtsfest" sein.
Ausschließen will der Grünen-Politiker die Option aber nicht, denn seiner Ansicht nach werde "immer deutlicher, dass die AfD einen national-identitären Staat schaffen will", sagte Habeck und betonte:
Sollte sicher nachgewiesen sein, dass eine Partei das Land in einen faschistischen Staat verwandeln will, gehört sie verboten, egal, wie stark sie ist. So oder so müssen die demokratischen Parteien die AfD politisch schlagen.
Faeser: Verbot als "letztes Mittel der Verfassung"
Vor Habeck hatte auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser gegenüber dem SWR geäußert, sie halte ein Verbotsverfahren für möglich, ebenso wie ein Verbotsverfahren gegen die Junge Alternative, der Nachwuchsorganisation der Partei. Gleichzeitig stellte auch sie die hohen Hürden dieses "letzten Mittels der Verfassung" in den Vordergrund. Die SPD-Politikerin mahnte, zunächst müssten sich die anderen Parteien inhaltlich mit der AfD auseinandersetzen, denn keinesfalls dürfe der Eindruck entstehen, es werde nach einem Parteiverbot gerufen, weil die Politik argumentativ nicht weiterkomme.
Ähnlich hatten auch CDU und CSU argumentiert und sich zu einem Verbotsverfahren eher ablehnend positioniert. So hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, betont, er wolle sich nicht ausmalen, was am Ende ein Scheitern des Verbotsverfahrens bedeuten würde. Die Parteien hätten vielmehr "die Aufgabe, um Wählerstimmen zu werben und dafür zu sorgen, dass radikale und extremistische Parteien möglichst keinen Zulauf finden". Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mahnte, die Auseinandersetzung mit der AfD müsse politisch geführt werden, juristisch werde das nicht gelingen.
Der Bundestagsabgeordnete der Linken, Dietmar Bartsch, sieht die gesamte Gesellschaft gefordert, um die AfD zurückzudrängen. Ein Verbotsverfahren könne nicht allein die Lösung sein, sagte er im rbb24 Inforadio. Auch die Auseinandersetzung in der Gesellschaft sei wichtig. Von Bundestag, Bundesrat und der Bundesregierung forderte er "weniger darüber reden, sondern mehr konkretes Handeln".
Ein Mosaik aus Aktionen, Taten und Worten
Einen Antrag für ein Verbot der AfD müssten Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung stellen. Die Grundlage für ein solches Verfahren sei wie das Zusammentragen von vielen Mosaikstücken aus Aktionen, Taten, Worten und Handlungen von Parteimitgliedern und -funktionären. So formulierte Alexander Thiele, Verfassungsjurist von der Business & Law School Berlin, die Voraussetzungen im Interview mit den tagesthemen.
Eine Schwierigkeit dabei sei, dass verfassungsfeindliche Äußerungen der Partei insgesamt zugerechnet werden müssen, nicht nur einzelnen Mitgliedern, so Thiele. Das mache ein solches Verfahren auch so langwierig und komplex, da diese Zurechnung absolut gerichtsfest sein müsse. Zugleich müsse die Voraussetzung der sogenannten Potenzialität erfüllt sein - eine Partei müsse also stark genug sein, um eine mutmaßliche Verfassungsfeindlichkeit auch umzusetzen.
Um ein Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen, müsse rechtzeitig damit begonnen werden, die notwendigen Informationen zusammenzutragen, mahnte der Verfassungsjurist. Doch gerade die Berichte über das Treffen von Rechtsextremisten und AfD-Mitgliedern hätten aus seiner Sicht "ein großes Puzzleteil" hinzugefügt, um ein mögliches Verfahren zu stützen und es sei "nicht unwahrscheinlich", dass ein Verbot gute Chancen hätte.
Akzeptanz für Verbot in Bevölkerung fraglich
Doch es sei nicht nur eine Herausforderung, ein solches Verbot juristisch durchzusetzen, mahnte Thiele. Sondern auch, dass es in der Bevölkerung akzeptiert werde, was umso schwieriger werde, je mehr Anhängerinnen und Anhänger die AfD unter sich vereinen kann.
Bereits die Landtagswahlen in Hessen und Bayern im Oktober hatten den Aufwärtstrend der AfD verdeutlicht: In Hessen legte sie um 5.3 Prozentpunkte auf 18,4 Prozent der Wählerstimmen zu. In Bayern fuhr die AfD ein Plus von 4,4 Prozentpunkten ein und kam auf 14,6 Prozent.
In diesem Jahr stehen die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen an - in allen Bundesländern sehen Umfragen derzeit starke Zuwächse für die AfD, teils könnte die Partei nach jetzigem Stand sogar stärkste Kraft werden.
Bundesweit Demos gegen AfD
Das Treffen zwischen Rechtsextremisten und AfD-Politikern zog in den vergangenen Tagen bundesweit Protestaktionen nach sich. Am Dienstag gingen bei einer Demonstration in Köln etwa 30.000 Menschen auf die Straße.
Zuvor hatte es bereits am Wochenende mehrere Demonstrationen in verschiedenen Städten gegeben, darunter Berlin und Kiel. Am Montagabend gingen in Leipzig mehrere Tausend Menschen auf die Straße.
Bundeskanzler Olaf Scholz dankte den Teilnehmenden an den Protestaktionen. Dass Zehntausende "gegen Rassismus, Hetze und für unsere freiheitliche Demokratie" auf die Straße gingen, mache Mut, schrieb der SPD-Politiker im Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter.