Treffen von AfD und Rechtsextremen Empörung, Sorge und maximale Distanz
"Kein AfD-Termin", eine "rein private Veranstaltung": Bei der AfD bemüht man sich um maximale Distanz zu einem Treffen mit Rechtsextremen, bei der auch AfD-Politiker dabei waren. Auch eine Restaurantkette und die NRW-CDU suchen Abstand.
AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer haben sich im November 2023 getroffen, um die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland zu besprechen. Anwesend waren zudem zwei CDU-Mitglieder. Der Bericht des Recherchenetzwerks "Correctiv" sorgt für Diskussionen, Reaktionen und Besorgnis.
Dass er bei dem Treffen über "Remigration" gesprochen habe, bestätigte der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner inzwischen. Unter dem Begriff verstehen Fachleute ein rechtes Konzept für die Rückkehr von Menschen, die geflohen oder eingewandert sind, in ihre Herkunftsländer. Sellner schrieb in einer Mail, sein Plan sei nicht geheim, sondern werde "im patriotischen Lager breit und öffentlich diskutiert". Er habe eine "Musterstadt" vorgeschlagen, "die als Sonderwirtschaftszone in Nordafrika gepachtet und organisiert werden könnte". Sellner fügte hinzu: "Das Konzept der Remigration ist ein Vorschlag meinerseits. Welche Partei diesen aufgreift oder eventuell umsetzt, ist aus meiner Sicht nicht relevant."
"Kein AfD-Termin"
Die AfD erklärte, dass es sich nicht um ein Parteitreffen gehandelt habe und sich nichts an den bekannten Positionen der Partei zur Einwanderungspolitik ändere. Kontakte von AfD-Politikern zu dem Österreicher Sellner und dessen "Identitärer Bewegung" sind nicht neu, auch wenn die AfD offiziell auf Distanz zu der Bewegung geht, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch gewertet wird.
Von AfD-Seite war unter anderem der frühere Bundestagsabgeordnete Roland Hartwig bei dem Treffen dabei, heute Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. Das bestätigte ein Sprecher Weidels auf Anfrage und teilte mit: Frau Weidel "hatte aber keinerlei Kenntnis von den Teilnehmern. Auch Hartwig wusste vorab nichts von Sellner." Ein Parteisprecher ergänzte: "Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderungspolitik, die im Parteiprogramm nachzulesen ist, nicht wegen einer Einzelmeinung eines Vortragenden auf einem Treffen, das kein AfD-Termin war, abändern."
"Rein private Veranstaltung"
Auch Sachsen-Anhalts AfD-Fraktionschef Ulrich Siegmund bestätigte "Correctiv" seine Teilnahme und erklärte, er sei als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter für die AfD bei dem Treffen gewesen. Der stellvertretende Potsdamer AfD-Kreisvorsitzende Tim Krause bestätigte auf Anfrage ebenfalls, dass er bei dem Treffen zeitweise anwesend war. Krause, der auch Pressesprecher der AfD-Landtagsfraktion ist, betonte: "Es war eine rein private Veranstaltung."
"Hans im Glück" auf Maximaldistanz
Nicht nur bei der AfD bemühte man sich um maximale Distanz. Auch die Restaurantkette "Hans im Glück" reagierte. Denn auf der Einladung zu dem Treffen hat offenbar auch der Name Hans-Christian Limmer gestanden, bisher Mitgesellschafter der Burger-Kette und zuvor Mitbesitzer der Bäckereikette "Backwerk". Das Unternehmen teilte mit, Limmer habe seinen Rückzug angeboten und man habe dies angenommen. Die Trennung habe sofortige Wirkung. Das Unternehmen distanziere sich "klar von rechtsextremen Ansichten, sie stellen das genaue Gegenteil unserer Grundwerte dar".
"Gegen Grundsätze der CDU"
Auch die CDU in Nordrhein-Westfalen bemühte sich umgehend um Abgrenzung. Bei den beiden CDU-Mitgliedern, die laut Recherche ebenfalls vertreten waren, handelt es sich demnach um Mitglieder der rechtskonservativen Werteunion. Auf Anfrage von rbb24 teilte ein Sprecher der Partei mit, man prüfe den Sachverhalt, sollten Parteimitglieder an dem Treffen teilgenommen haben. Grundsätzlich gelte: "Wer an solchen Treffen teilnimmt, verstößt gegen die Grundsätze der CDU."
Bei einer der Teilnehmerinnen aus der Werteunion soll es sich um Michaela Schneider handeln. Sie gehört neben der Werteunion auch der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der CDU an. Bei der zweiten Teilnehmerin handelt es sich um Simone Baum - stellvertretende Bundesvorsitzende der Werteunion. Während es sich bei der Werteunion nicht um eine Parteigliederung der CDU handelt, ist die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) Teil der CDU.
Faeser warnt vor Vernetzung
Bundesinnenministerin Nancy Faeser warnte mit Blick auf das Treffen vor einer Vernetzung von Verfassungsfeinden mit der AfD: "Niemand sollte diese Gefahr unterschätzen." Man sehe, wie notwendig es sei, "dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachtet, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gibt, wie sich Verfassungsfeinde mit AfD-Vertretern vernetzen und welche menschenverachtenden Ideologien dort propagiert werden", sagte sie dem Magazin "Stern".
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Die Partei hat dagegen geklagt. Mit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster dazu wird Ende Februar gerechnet. "Im Rahmen der Verdachtsfall-Bearbeitung beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz die weitere Entwicklung der AfD sehr genau", sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums. "Dabei werden auch mögliche Treffen mit Akteuren aus dem rechtsextremistischen Spektrum einbezogen."
Diskussion um AfD-Verbot
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz warf der AfD in der "Stuttgarter Zeitung" "totalitäre Absichten" vor. Mit diesen müssten sich nun die Sicherheitsbehörden scharf auseinandersetzen. Die Forderungen nach einer "Umvolkung" seien "ganz klar verfassungswidrig", sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Der Fall zeige, "worauf wir schon lange verweisen: Die AfD versteckt unter dem Mantel der Bürgerlichkeit tiefe braune Abgründe".
Linken-Chefin Janine Wissler forderte von der CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss zur Werteunion. "Sonst bleibt alles Gerede von Brandmauern unglaubwürdig", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP.
Die Recherchen dürften auch die Diskussion über ein AfD-Verbot befeuern. Befürworter gibt es in fast allen demokratischen Parteien, allerdings nicht durchgängig. In der SPD ist Parteichefin Saskia Esken eher dafür, der Ostbeauftragte Carsten Schneider dagegen. In der CDU plädiert der Sachse Marco Wanderwitz für ein Verbot, der Parteichef Friedrich Merz nicht.