Bilanz des "Air Defender"-Manövers "Absolut reibungslos"
Zehn Tage lang übte das Militär am Himmel über Deutschland. Anders als befürchtet, sorgte "Air Defender 23" laut Bundeswehr für wenig Einschränkungen im Flugverkehr. Die Luftwaffe warb für Deutschland als NATO-Drehscheibe.
Durch das Luftwaffenmanöver "Air Defender" hat es im zivilen Luftverkehr nach Angaben der Bundeswehr "keinerlei Flugausfälle" gegeben. Verspätungen hätten sich dort nur "im geringen Minutenbereich" bewegt, teilte der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, auf dem Luftwaffenstützpunkt Jagel in Schleswig-Holstein mit. Dies sei auch Dank guter Planung der Deutschen Flugsicherung geschehen. Diese hatte zuvor bereits erklärt, die Übung sei "sicher und störungsfrei verlaufen". Ihre Fluglotsen mussten Zivilmaschinen während des Manövers um für das Militär reservierte Bereiche herumleiten.
Insgesamt zog die Luftwaffe eine positive Bilanz zur zehntägigen Übung. Das Manöver sei "absolut reibungslos" verlaufen, sagte Gerhartz. Er berichtete von viel Lob der NATO-Verbündeten für die deutschen Organisatoren.
Luftwaffen-Inspekteur sieht "vollen Erfolg"
Militärisch sei das Manöver "ein voller Erfolg" gewesen, sagte Gerhartz. Es habe belegt, dass die Verbündeten in der Lage seien, innerhalb weniger Tage große Mengen an militärischem Material zu verlegen. So seien allein aus den USA 1500 Tonnen Material in kürzester Zeit nach Europa geschafft worden.
Von 2000 geplanten Flügen hätten letztlich 1800 tatsächlich stattgefunden, sagte der Luftwaffen-Inspekteur. An einem Tag seien die meisten Maschinen wegen Gewittern sicherheitshalber am Boden geblieben. "Eine Erfüllung von 90 Prozent ist immer noch bei solchen Großübungen ein Spitzenwert", betonte Gerhartz. Im Erstfall würden die Maschinen natürlich auch bei Gewittern fliegen.
Ein wichtiges Ziel der Übung sei es auch gewesen, die Maschinen und Systeme unterschiedlicher Luftwaffen in einem Datenverbund zusammenzuschließen, sagte Gerhartz. "Das ist uns nicht am ersten Tag gelungen, da haben wir ein, zwei Tage gebraucht." Aber gerade deshalb seien derartige Übungen wichtig. Und während des Manövers habe es dann eine "steile Lernkurve" gegeben.
Deutschland als NATO-Drehscheibe
Gerhartz sprach sich zudem dagegen dagegen aus, weitere Militärflughäfen zu schließen. Deutschland müsse sich aufgrund der geostrategischen, geografischen und geopolitischen Lage als Drehscheibe verstehen und Kräfte der NATO aufnehmen können. Das gelte auch für Landstreitkräfte.
Um die für das Manöver über den Atlantik eingeflogenen US-Maschinen aufnehmen zu können, waren die militärischen Ausweichflugplätze Hohn in Schleswig-Holstein und Lechfeld in Bayern genutzt worden. "Und das hat uns allen noch mal gezeigt: Wir dürfen diese beiden Flugplätze nicht aufgeben. Diese beiden Flugplätze, sowohl Hohn wie auch Lechfeld, müssen wir entsprechend behalten", sagte Gerhartz.
"Deutschland hat eine Führungsrolle eingenommen"
Lob kam auch aus der Politik: "Deutschland hat eine Führungsrolle eingenommen und hat bewiesen, dass Deutschland führen kann", sagte der verteidigungspolitische Vertreter der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Henning Otte (CDU), im Deutschlandfunk. Das Manöver habe deutlich gemacht, dass die NATO-Verbündeten "auch unter einer Bedrohungskulisse Russlands" Großübungen abhalten könne und das Bündnis seinem Abschreckungsauftrag gerecht werde.
Ähnlich äußerte sich auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). "Das Manöver war von Deutschland als Drehscheibe perfekt organisiert", sagte sie dem Nachrichtenmagazin "Focus". Es habe "deutsche Gründlichkeit - mal im positiven Sinne" gezeigt.
Otte mahnte trotz des weitgehend reibungslosen Verlaufs des Großmanövers weitere Investitionen in die Bundeswehr an. Ihre Kaltstart- und Durchhaltefähigkeit im Krisenfall müsse erhöht werden, sagte der CDU-Politiker. Nötig dafür sei auch die Beschaffung von mehr Munition. "Dazu ist noch viel zu tun."
Größte Übung dieser Art seit NATO-Gründung
"Air Defender 23" hatte am 12. Juni begonnen und war die größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Gründung der NATO. An ihr nahmen 250 Flugzeuge und rund 10.000 Soldatinnen und Soldaten aus 25 Ländern teil. Auch Nicht-NATO-Staaten wie Japan gehörten zu den Teilnehmern.
Mit einem fiktiven Szenario wurde vor allem im Luftraum über Deutschland trainiert, wie das westliche Verteidigungsbündnis auf den Angriff eines östlichen Bündnisses reagiert und dabei bereits vom Gegner besetzte Gebiete zurückerobert.
Russisches Spionageschiff in Ostsee gesichtet
Die Übung wurde offenbar durch das russische Militär beobachtet. Ein Sprecher der Luftwaffe bestätigte Berichte über ein russisches Spionageschiff in der Ostsee. Demnach habe ein Aufklärungstornado des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 "Immelmann" das Schiff während der laufenden Übung in der Ostsee entdeckt. Das Manöver sei dann in dem Gebiet angepasst worden, um "nicht das Spektrum aller Fähigkeiten preiszugeben".
Laut Generalleutnant Gerhartz befand sich das Schiff in internationalen Gewässern, "aber eben so in einer Reichweite zu unserem Übungsgebiet, dass man hätte gewisse Frequenzen abhören können". Die Übungsteilnehmer hätten darum "gewisse Trainingsfrequenzen benutzt und nicht die Frequenzen, die wir sonst im Ernstfall benutzen würden", so Gerhartz. "Wenn am Ende eine wesentliche Erkenntnis da war, dann war es die Erkenntnis, dass wir einsatzbereit sind."